„Es gibt noch viel Potenzial für die Nutzung von Yoga. Wir sind erst in den Anfängen“, so Oliver Bierhoff (2009), der Manager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Nicht erst seit der Fußballweltmeisterschaft 2006 und Jürgen Klinsmann, der die Kombination Yoga und Fußball populär gemacht hat, findet die Yogatherapie bei Sportlern einen immer größer werdenden Anklang. Für viele Top-Athleten ist Yoga ein fester Bestandteil des Trainingsplans. Nach Wettkämpfen als Regeneration und Entspannung oder um Verletzungsrisiken zu minimieren (vgl. SYRE et al. 2010). Die Verbesserung der Beweglichkeit, Kraft, Motorik, Schnelligkeit, sowie des Gleichgewichtssinn seien nur einige wenige positive Aspekte des Yogas für einen Sportler (ebd). Yoga ist eine andere Art von Bewegungsprogramm, in dem verschiedene Elemente der Entspannung, Atmung, Kräftigung- und Mobilisation, sowie die Dehnung der Muskulatur aufgegriffen werden. „Die verschiedenen Yogaübungen unterscheiden sich von sonstigen Haltungen dadurch, dass sich extreme Gelenkstellungen und Muskeldehnungen ergeben und Körperpositionen eingenommen werden, die unter natürlichen Bedingungen nicht vorkommen“ (EBERT, 1986, S.57). Durch einen wechselnden Anspannungs- und Entspannungscharakter wird die eigene Körperwahrnehmung gesteigert, schwache Muskulatur gestärkt und verhärtete Muskulatur gedehnt. Vor allem die bei Sportlern häufig auftretenden einseitigen Belastungen und die daraus entstehende limitierende Flexibilität im Stütz- und Bewegungsapparat, kann durch eine regelmäßige Yoga-Praxis entgegengewirkt werden (vgl. SYRE et al. 2010). Zusätzlich kann durch eine vertiefte Atmung mehr Sauerstoff in den Körper und in den Blutkreislauf gelangen (EBERT 1986). Toxische Stoffe im Blut können somit schneller abgebaut werden. Auch die bei starker körperlicher Beanspruchung entstehende Milchsäure (Lactat), kann durch das sauerstoff-reichere Blut gehemmt werden (vgl. DEUTZMANN 2002). Ermüdungs-erscheinungen der Skelettmuskulatur nach Wettkämpfen können folglich leichter abgebaut werden. Aber nicht nur die Muskulatur, Sehnen und Bänder, sondern auch die inneren Organe werden positiv durch die Asanas (Körperübungen) und Pranayama (Atemübungen) beeinflusst. Die Kapillarweitung bewirkt eine erhebliche Steigerung der Organfunktion (vgl. MITZINGER 2009). Darüber hinaus werden nicht nur körperliche Fähigkeiten, sondern auch die des Geistes entwickelt (vgl. VISHNUDEVANANDA 2010). Durch innere Ruhe und eine größere Achtsamkeit gegenüber sich selbst und anderen, kann die für den Athleten wichtige Konzentrationsfähigkeit ausgebildet werden. Insgesamt bietet Yoga für Sportler eine vorteilhafte Ergänzung zur Steigerung der Trainingseffizienz und der sportartspezifischen Fertigkeiten (vgl. MÜLLER 2004).
Das Ziel dieser Diplomarbeit ist, die Erfassung der Wirkungsebenen eines achtwöchigen Yoga-Kurses an einer Gruppe von Amateurfußballern. Vor diesem Hintergrund soll auf der Basis eines „experimentellen Versuchs“ untersucht werden, inwiefern Yoga als präventive und regenerative Trainingseinheit in den Fußballalltag integriert werden kann. Es soll sowohl der physiologische als auch der psychologische Wirkungshintergrund für einen Fußballer betrachtet werden. Nach dem Lehrmeister Swami Sivananda kann Yoga in fünf verschiedene Säulen unterteilt werden: „Entspannung, Körperübungen (Asanas), Atemübungen (Pranayama), Meditation und Ernährung“ (vgl. VISHNUDEVANANDA 2010). Der Fokus dieser Arbeit soll vor allem auf dem körperlichen Teil (Asanas) der Yogawissenschaft liegen. Dennoch ist es relevant, einen kurzen Gesamtüberblick darzustellen, damit das ganzheitliche Konzept der Yogaphilosophie deutlich wird.
Im theoretischen Abschnitt dieser Studie soll nach einer kurzen Einführung in die Entwicklung und Definition von Yoga, zunächst die Methoden der Asanas und Pranayama vorgestellt werden. Im Mittelpunkt aber, sollen neben den Ausführungsprinzipien, vor allem die Wirkungsebenen der Yogapraxis stehen. Des Weiteren soll die sportliche Leistungsfähigkeit eines Fußballers, mit den physischen und kognitiven Voraussetzungen analysiert werden. Abschließend gilt es im theoretischen Rahmen eine Zusammenführung von Yoga und Fußball zu schaffen. Zielführend ist dabei, ein Yogaprogramm als präventive und regenerative Trainingseinheit für die Fußballer zu entwickeln.
Im empirischen Teil der Diplomarbeit wird daher die Wirksamkeit von Yoga an einer männlichen C-Jugendmannschaft der Spielvereinigung Unterhaching getestet. Dazu wird in der achtwöchigen Winterpause einmal die Woche ein Yogatraining stattfinden. Am Anfang und am Ende der Winterpause werden sportwissenschaftliche Standardtests zur Feststellung der allgemeinen koordinativen und konditionellen Spielfähigkeit durchgeführt. Außerdem wird die Untersuchungsgruppe zu ihrer allgemeinen und körperlichen Befindlichkeit befragt. Im weiteren Verlauf wird die Konzeption der Yogastunde und das achtwöchige Programm dargestellt. Das Kernstück dieser Untersuchung bildet die statistische Überprüfung der Wirkungseffekte im Ergebnissteil. Im sechsten Kapitel erfolgt eine zusammenfassende Diskussion, unter der Berücksichtigung der Forschungsleitende Fragen, sowie eine kritische Betrachtung in Bezug auf die praktische Anwendung von Yoga im Fußball. Den Abschluss dieser Diplomarbeit bildet das Fazit, das einen Ausblick hinsichtlich der Möglichkeiten von Yoga im Fußball präsentieren soll. Außerdem soll verdeutlicht werden, was letztendlich den Unterschied von Yoga zu herkömmlichen Dehnprogrammen ausmacht.
Den Anstoß zu einer Auseinandersetzung mit Yoga im Fußball, als regenerative und präventive Trainingseinheit war ein Interview von Oliver Bierhoff, der Manager der deutschen Fußballnationalmannschaft in der Zeitschrift „Yoga Aktuell August/September 2009“. Es gibt mittlerweile weltweit zahlreiche Nachweise, dass Yoga therapeutisch und präventiv wirksam ist. „Das Yoga Research and Education Center in den USA führt gegenwärtig etwa 10.000 Untersuchungen über die Wirksamkeit von Yoga auf seiner Website auf“ (MITZINGER, 2009, S.3). Allerdings fehlt es noch an wissenschaftlich fundierten und evaluierten Modellen, die die Wirkungsebenen explizit von den Körperübungen „Asanas“ und den Atemübungen „Pranayama“ in der Trainingspraxis von Sportlern darlegen. Gerade im deutschsprachigen Raum sind experimentelle Forschungsergebnisse selten. Die mediale Präsenz von Yoga in Fernsehberichten, Onlinemedien und Zeitschriften ist zunehmend groß. Angesichts einer großen Nachfrage von Schwangeren-Yoga bis hin zum Leistungssport-Yoga verwundert der bisherige Mangel an empirischer Fundierung. Der immer größer werdende Leistungsdruck im Fußballsport, bereits schon im Jugendbereich, ruft nach neuen Methoden der Prävention und Regeneration. Die deutschsprachige Literatur beschränkt sich teilweise nur auf Erfahrungsberichte und nicht auf repräsentative Studien. Im Vergleich zu etablierten Verfahren wie der Progressiven Muskelrelaxation oder dem Autogenen Training sind empirische Wirksamkeitsstudien im Bereich Yoga in Deutschland die Ausnahme (vgl. BRANDT 2004).
Folgende Publikationen sind in der Yogaforschung in Deutschland von Bedeutung:
1. Der Mediziner Dr. Dietrich EBERT veröffentlichte 1986 das Buch „Physiologische Aspekte des Yoga“, das bis heute noch fundierte Ergebnisse im Bereich der Wirksamkeit von Yoga auf physischer Ebene darstellt. Zu den physiologischen Mechanismen hat EBERT eine Reihe von Hypothesen aufgestellt, die er durch empirische Studien stützt. Des Weiteren betreute EBERT in den 90er Jahren medizinische Dissertationen von Wolfgang BRUNS und Bert KÜHNEMANN, die wesentliche Ergebnisse seiner Forschungen verifizierten. BRUNS (1997) konnte deutlich positive Auswirkungen des Hatha-Yoga auf die Kraftwahrnehmung und auf das Konzentrationsvermögen der Übenden bestätigen. KÜHNEMANN belegte in seiner Dissertation die bereits von EBERT dokumentierte Senkung des Ruhemuskeltonus als Folge eines Yoga-Trainings (FUCHS 2000).
2. Christian FUCHS publizierte 1990 das Buch „Yoga in Deutschland. Rezeption, Organisation und Typologie.
3. Der Berufsverband der deutschen Yogalehrer e.V. gab 2000 die Infobroschüre „Yoga im Spiegel der Wissenschaft“ heraus. Diese gibt einen Überblick über wissenschaftliche Forschungsergebnisse und die Wirkungs-weisen von Yoga.
4. Die Heterogenität der Langzeitwirkungen verschiedener Yogakonzepte wird von ENGEL durch eine Langzeit-Feldstudie (2000) empirisch belegt (vgl. BRANDT 2004).
5. Ein weiteres Forschungsprojekt wurde 1993-1995 unter der Leitung von Dr. Martina BLEY und der Kooperation von öffentlichen Trägern ins Leben gerufen. In diesem Projekt wurde die Wirkung von Hatha-Yoga bezüglich Schlafstörung, chronischen Kopfschmerzen, chronischem Lumbalsyndrom und Hypertonie untersucht. In diesem Rahmen entstand auch die Dissertation von Christina KÜHN (1996), die die Effektivität von Hatha-Yoga bei Kreuzschmerzen und Hypertonie untersuchte (vgl. Fuchs 2000).
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