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E-Book

Mit zerbrochenen Flügeln

Kinder in Borderline-Beziehungen

AutorManuela Rösel
VerlagStarks-Sture-Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl168 Seiten
ISBN9783939586319
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Kinder in Borderline-Beziehungen wachsen in einer chaotischen Welt auf, die sie immer wieder in unlösbare Konflikte drängt. Sie erfahren sich permanent als mangelhaft und entwickeln in der Konsequenz Schuld- und Schamgefühle sowie die beständige Angst, verlassen zu werden. Ihr Drang, die Welt zu erobern, zu wachsen und sich dann zu lösen, wird im Keim erstickt. Dieser Prozess ist ein Spiegel dessen, was der Borderline-Persönlichkeit nicht möglich ist. Die 'zerbrochenen Flügel' ihres Kindes bewahren das Borderline-Elternteil vor dem Schmerz, selbst nicht 'fliegen' zu können. Manuela Rösel ist als psychologische Beraterin in Berlin tätig und Autorin des Bestsellers 'Wenn lieben weh tut'. Sie beschäftigt sich in ihrem neuen Buch mit der zerstörerischen, oft leisen emotionalen Misshandlung, der Kinder in Borderline-Beziehungen ausgesetzt sind. Wie erfolgt sie, welche sichtbaren und auch unsichtbaren Spuren hinterlässt sie? Was genau macht sie aus, warum wird Kindern so etwas angetan? Und wie werden ihre Seelen durch diese Misshandlung zerbrochen? 'Mit zerbrochenen Flügeln' zeigt in typischen Fallbeispielen die Konsequenzen für das Leben des Kindes. Menschen, die in einer Borderline-Beziehung aufgewachsen sind, finden sich in Details ihrer eigenen Geschichte wieder und erfahren, dass sie für die erlittenen Misshandlungen nicht verantwortlich sind. Ein unbedingtes Muss auch für Menschen in helfenden Berufen, die diesen Kindern zur Seite stehen, und eine hilfreiche Quelle des Verstehens für Anwälte, Verfahrenspfleger und Richter mit entsprechenden Sorgerechtsfällen. Auf jeden Fall aber auch ein geeignetes Buch für Angehörige, die ihre Borderline-Partner besser verstehen wollen. Damit Flügel nicht mehr zerbrochen werden.

Ist 1961 in Berlin geboren, verheiratet und hat zwei Kinder. Sie erhielt Examen im Bereich Pädagogik und Psychologie und ist zertifizierte Begleiterin von Menschen in Krisensituationen. Sie arbeitet als psychologische Beraterin (Diplom ILS) in eigener Praxis mit den Schwerpunktthemen: Konfliktmanagement und Kommunikation in allen Lebensbereichen, Selbstwahrnehmung, Kommunikations- und Verhaltenstraining für Borderline-Partner und -Angehörige. Sie hat sich auf die Arbeit mit Menschen spezialisiert, die privat oder beruflich in Kontakt mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung stehen. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen Partner und Kinder von Betroffenen. Darüber hinaus vermittelt sie als Dozentin und Referentin themenkonzentrierte Informationen, u. a. an amtliche Helfer, Sozialpädagogen, Verfahrenspfleger und Anwälte. So bietet Manuela Rösel Fortbildungsveranstaltungen zum Thema 'Zielorientiertes Arbeiten mit Borderline-Erkrankten bzw. in Familien mit Borderline Erkrankten' an. Darüber hinaus schult sie Menschen in helfenden Berufen, wie zum Beispiel Jugendamtmitarbeiter, Richter und Verfahrenspfleger. Die Erfahrungen ihrer täglichen Arbeit gibt sie seit 2006 authentisch und verständlich in ihren Büchern weiter. In dem Bestseller 'Wenn lieben weh tut' zeigt sie kommunikative Möglichkeiten im Umgang mit der Störung auf. In 'Wie der Falter in das Licht' setzt sich Rösel überwiegend mit der Persönlichkeitsstruktur des Partners auseinander. In dem Kartenset 'Lieben leicht gemacht' erhält der Leser wertvolle Erkenntnisse darüber, was ihm und seinem Partner wirklich wichtig ist. Im deutschsprachigen Raum sind insbesondere ihre Bücher über Kinder, die in eine Borderline-Beziehung involviert sind, einmalig. Mit präziser Beobachtungsgabe zeigt sie in 'Mit zerbrochenen Flügeln' nicht nur das Erleben dieser Kinder auf, sondern auch die verhängnisvollen Konsequenzen für deren Entwicklung. 'Weil du mir gehörst' beschreibt weiterführend Einfluss und Konsequenzen von borderline-typischen Verhaltensweisen auf Sorgerechts- und Umgangsstreitigkeiten. Vor allem in der Auseinandersetzung Hilfe suchender Angehöriger mit amtlichen Einrichtungen, helfenden Institutionen und Beratungsstellen hat die Fehleinschätzung der Borderline-Störung für Angehörige oft tragische Auswirkungen. Mit 'Borderline verstehen' ermöglicht sie auf der Basis der Transaktionsanalyse einen ganz besonderen und bisher beispiellosen Einblick in die Thematik 'Borderline' und leistet so einen wesentlichen Beitrag zum Verstehen eines scheinbar unverständlichen Phänomens. In ihrem neuesten Ratgeber 'Wenn lieben immer wieder weh tut', der Fortsetzung des Bestsellers 'Wenn lieben weh tut', unterstützt die Autorin Partner und Angehörige von Borderline-Betroffenen darin, herauszukommen aus schmerzvollen Lebenssituationen um künftig eine reife und erwachsene Partnerschaft zu führen. Dabei führt sie den Leser in die Transaktionsanalyse ein, die hilft, das eigene Verhalten und das des Partners besser zu verstehen. Mit ihrem umfangreichen Repertoire an Büchern hilft Manuela Rösel nicht nur Betroffenen und Angehörigen, mittlerweile hat sie sich auch einen festen Platz in der Fachwelt geschaffen.

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Leseprobe

Die Gefahr der emotionalen Verschmelzung von Eltern für das Kind


Wie im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, neigen Borderline-Persönlichkeiten dazu, ihre innere Leere durch Identifikation und Verschmelzung mit einem Partner zu füllen. Dies setzt aber voraus, dass dieser bereit ist, zugunsten seines Partners und der Beziehung, seine Individualität aufzugeben. In meinem Buch „Wenn lieben weh tut“ bin ich bereits darauf eingegangen, wie sich die Partner in einer Borderline-Beziehung oft in destruktiver Weise ergänzen. Sie sind oft beide abhängig von der Reflektion ihres Partners, geben die Verantwortung für sich selbst an diesen ab und können so weder für sich noch für den anderen oder die Beziehung sorgen.

Wenn die beteiligten Partner, also die Eltern, sich als gegenseitige Erweiterung wahrnehmen und sich über den anderen definieren, bleibt es den Kindern nicht erspart, ebenfalls in diesen Prozess integriert zu werden. Auch wenn dies in einem unterschiedlichen Ausmaß geschieht, verschmilzt auch jedes der Elternteile mit dem Kind. Für das Kind bedeutet das, wenn es nicht abgelehnt werden will, sich beiden Eltern bedingungslos anzupassen. Es wird also, um nicht zurückgewiesen und so in seiner Existenz bedroht zu sein, sich bemühen, es jedem Elternteil recht zu machen und dessen jeweilige Stimmung zu reflektieren.

Dabei gerät es, bei Auseinandersetzungen oder Dissonanzen zwischen den Eltern, in einen ausweglosen Konflikt. Da es ja von beiden Elternteilen als Erweiterung der eigenen Persönlichkeit gesehen wird, erwarten auch beide, dass es sie reflektiert, sich positioniert und anpasst. Für das Kind hat dies dramatische Konsequenzen, denn egal was es tut, es wird von einem seiner Elternteile verstoßen werden. Selbst wenn es sich nicht positioniert und ausschließlich Angst oder Verzweiflung zeigt, entspricht es nicht den Interessen der streitenden Eltern, da diese ja oft ausschließlich mit sich selbst beschäftigt sind und das Kind in seinem Schmerz dann als „belastend“ erleben. Im „günstigen“ Fall wird es ignoriert, also unsichtbar, im ungünstigen Fall wird es für sein „Stören“ bestraft. Wie im Abschnitt „Misshandlungsmuster coabhängiger Partner und deren Konsequenzen“ (S. 30) beschrieben, wird es auch oft in Streitigkeiten involviert und gegen den Streitpartner benutzt. Dabei kann es sich ergeben, dass dieser dann seine Aggression ausschließlich gegen das Kind richtet, weil er dieses, verschmelzungsorientiert, als Verlängerung des „verhassten“ Partners wahrnimmt. Da das Kind in dieser Konstellation definitiv das schwächste Glied ist, bietet es auch den geringsten Widerstand, so dass es dann oft zum Blitzableiter degradiert wird.

Die schwerwiegendsten direkten Gefahren, die sich aus dem Verschmelzungsprozess der Borderline-Persönlichkeit mit dem Kind ergeben, sind diejenigen, die deren selbstverletzende oder suizidale Handlungen betreffen. Dabei wird das Kind genötigt, sich riskanten oder lebensgefährlichen Situationen auszusetzen oder sich an Alkoholexzessen oder selbstschädigenden Verhaltensweisen wie Rauchen, übermäßiges Essen, exzessives Sport treiben u. ä. zu beteiligen.

Besondere Grausamkeit ergibt sich nur allzu oft durch misshandelnde Übergriffe auf das Kind, wenn es als Verlängerung des Partners im Konflikt angesehen wird und stellvertretend für diesen Gewalt und Herabsetzung erfahren muss.

In seiner Tragik am schwerwiegendsten, ist die Tötung des Kindes aus diesem Zusammenhang heraus (der Fall Amélie-Céline, S. 72) sowie der sogenannte erweiterte Selbstmord, in dem sich das jeweilige Elternteil gemeinsam mit seinem Kind tötet. In den Medien werden derartige Ereignisse dann oft als Familientragödie bezeichnet. Die typischen Ergebnisse der Befragungen von Bekannten oder Nachbarn der Familien, vermitteln dabei oft Unauffälligkeit oder besondere Zurückgezogenheit der Eltern. Nette und ruhige Menschen, die keinerlei Anzeichen für derartige Tragödien geliefert haben. Nicht jede Borderline-Beziehung vermittelt das innere Chaos nach außen, genauso häufig gilt es schamhaft, den Rahmen zu wahren und das Scheinbild einer heilen Familie zu präsentieren.

Familiäre Geheimnisse


Persönlichkeitsstörungen, Alkoholismus, Straftaten, sexuelle Übergriffe … all das, was gesellschaftlichen Normen und Werten widerspricht, wird oft geleugnet. Nicht nur das Individuum ist bestrebt, in seinen sozialen Kontakten so zu funktionieren, dass es nicht zurückgewiesen wird. Auch Familien versuchen in ihrer Funktionalität nach außen so zu agieren, dass sie Anerkennung und Respekt erhalten und von der Gemeinschaft nicht ausgestoßen oder verurteilt werden. Dabei ergibt sich eine innerfamiliäre Dysbalance zwischen der Realität und dem zu vermittelnden Scheinbild. Um diese auszugleichen, wird das jeweilige Ereignis verdrängt, verniedlicht, ignoriert oder geleugnet. Körperliche Verletzungen werden Unachtsamkeiten oder Unfällen zugeschrieben, Alkoholkonsum wird zur Übelkeit degradiert, sexuelle Übergriffe ignoriert oder in ihrer Verantwortung an das Kind zurückverwiesen, was sich dann als „schlecht“ wahrnimmt und beschämt und verängstigt schweigt.

Für Kinder entwickelt sich aus diesem Leugnen und Kaschieren ein Missverhältnis zum jeweiligen Ereignis, mit der Schlussfolgerung, dass es zur Normalität gehört und somit akzeptabel ist. Dabei wird ihm, durch die Botschaften der richtungsweisenden Eltern vermittelt, dass es seiner Wahrnehmung nicht vertrauen kann (und darf). Wenn das gewalttätige Verhalten einer Bezugsperson im Nachhinein verniedlicht oder entschuldigt wird, empfindet das Kind seine erlebte ganz natürliche Angst als überzogen und unangebracht. Es beginnt, sich selbst zu misstrauen. Parallel dazu gerät es in einen Widerspruch, den es nicht aufdecken darf. Einerseits werden Handlungen verharmlost und familiär akzeptiert, andererseits aber müssen sie verdeckt und vor äußerer Wahrnehmung geschützt werden, womit das Kind aber auch indirekt erfährt, dass diese Handlungen eben nicht tolerierbar sind. Es wird diesen Widerspruch und auch die Auseinandersetzung damit leugnen, um seine Existenz nicht zu gefährden, die ja von der Familie abhängig ist.

So wie ein Kind auch bereit ist, die Verantwortung für die Defizite oder Misshandlungen seiner Eltern zu übernehmen (sie sind nur so, weil ich nicht gut genug bin …), so übernimmt es dann auch die Verantwortung dafür, die Familie vor äußerer Bloßstellung zu bewahren. Es gilt, die Eltern zu schützen, denn selbst wenn es Eltern mit wenig hilfreichen Eigenschaften sind, sind sie doch trotzdem die wichtigsten Bezugspersonen für ihr Kind. Und so ist es bereit, das Geheimnis der Familie zu bewahren und ebenfalls zu leugnen und zu verschleiern, um so auch das eigene Verstoßenwerden zu vermeiden.

Auch in Borderline-geprägten Familien werden die typischen, symptomatischen Verhaltensweisen oft gedeckt, wie es sich aus den authentischen Erzählungen im 2. Teil dieses Buches (ab S. 47) herauslesen lässt. Christinas Mutter bat die Nachbarn um Stillschweigen und Christina selbst wagte es nicht, sich an die Polizei zu wenden, als ihr Vater sie hochschwanger, in einer kalten Nacht, bedrohte und aus der Wohnung warf. Sie schützte ihn, aus Angst davor, dass er dann Repressalien ausgesetzt sein würde, für die sie dann, aus ihrer Sicht, verantwortlich gewesen wäre.

Judith, die von ihrer Mutter keinen Trost oder eine empathische Reaktion erhalten hat, weil diese die Gewalt ihres Mannes leugnete, um sich nicht den eigenen Ängsten oder Verhaltensdefiziten, einschließlich der daraus entstehenden Verantwortlichkeit stellen zu müssen. So erhielt Judith schon früh die Lektion, dass der Umgang mit Misshandlung und Gewalt über tolerieren und schweigen erfolgt.

Das familiäre Borderline-Chaos wird entweder durch die äußere perfekte Inszenierung einer heilen Familie gedeckt oder offensichtlich ausgelebt. Je nach sozialem Status, gilt es, die Fassade aufrecht zu erhalten, um nicht gesellschaftlich degradiert zu werden. Kinder übernehmen dabei schnell die Verantwortung und lernen, das für die Familie gefährliche Tabu zu vertuschen. Ihr Wertesystem wird dabei untergraben, da sie weder stabile Werte vermittelt bekommen, noch in ihren Handlungen mit ihren Werten übereinstimmen dürfen. Der kleinste Versuch, die Wahrheit auszusprechen wird oft hart bestraft. Um das familiäre Geheimnis zu schützen und zu verhindern, dass es offenbart wird, implizieren Aussagen wie „was haben wir nicht alles für dich getan …“ und „wie kannst du uns das antun …“, Schuld und Scham beim „abtrünnigen Verräter“. Dabei wird oft das im Keim erstickt, was heilsam wäre. Nämlich die Wahrheit zu erkennen, auszusprechen, zu akzeptieren und zu verarbeiten. Das Kind, das sich gegen derartige Übergriffe wehrt oder nicht bereit ist, das familiäre Geheimnis um jeden Preis mitzutragen, wird zur Bedrohung für das familiäre System und entsprechend...

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