2. Reale Geschichten - direkt aus dem Leben
Mareike T., 36 Jahre, Unternehmensberaterin, ehemalige Partnerin, Trennung nach fünf Jahren Beziehung
Meine Geschichte
Ich habe Martin durch eine Freundin kennen gelernt. Sie hatte mich mit ihren Erzählungen so neugierig gemacht, dass ich schon vor unserem ersten Treffen unglaublich gespannt darauf war, ihm zu begegnen. Sie hatte ihn zu sich eingeladen – er wohnte und arbeitete seit Jahren in den USA, kam aber regelmäßig nach Deutschland, um seine Familie und Freunde zu besuchen. Der gemeinsame Abend, an dem auch noch andere Freunde teilnahmen, war nett, ich empfand Martin als sehr ruhig, fast sogar zu ruhig. Als ich jedoch kurz darauf selbst in die Staaten ging, um dort für meine Dissertation zu recherchieren, besuchte ich ihn. Kurz darauf beschloss ich, meine Arbeit vor Ort fortzuführen und ein Praktikum zu machen. Ich wohnte übergangsweise bei Martin, wir gingen aus, redeten stundenlang, und ich war fasziniert von seiner Intelligenz, seinem Humor, seinem Ideenreichtum und Wissen, wie auch von seinen lebhaften, mitreißenden Erzählungen. Er erschien mir selbst- und zielbewusst, wenn auch zurückhaltend. Er unterstützte mich in all meinen Bemühungen, in meiner neuen Heimat Fuß zu fassen, was mich viel Kraft kostete. Bislang hatte ich viele Herausforderungen gut allein gemeistert, und ich war stolz auf mich. Ich wusste, dass meine Familie hinter mir steht, wenngleich sie meinen Entschluss, länger ins Ausland zu gehen, nicht wirklich bejahte (wie auch meine Freunde nicht). Martin in diesem Moment an meiner Seite zu haben, gab mir zusätzliche Kraft und Zuversicht und auch das Gefühl, angekommen zu sein. Im Rückblick erinnere ich mich aber auch daran, dass ich stark verunsichert war, weil es mir nicht möglich war, zu erkennen woran ich bei ihm war. Ich sorgte mich ständig, dass ich ihm auf die Nerven gehen könnte. Während wir immer mehr gemeinsam unternahmen, blieb er gleichmäßig freundlich distanziert.
Nach knapp einem Jahr beschlossen wir, in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen. Er begann eine Weiterbildung, und ich benötigte einen ruhigen Platz zum Arbeiten. Zuvor fuhren wir zusammen in Urlaub - ein Test für das Zusammenziehen, wie er sagte. Wir richteten uns auf die Bedürfnisse und Wünsche des anderen ein, und ich genoss diese schöne und harmonische Zeit, in der wir uns fast wortlos verstanden.
Bis zu diesem Zeitpunkt war ich euphorisch und glücklich, dass Martin an meiner Seite war. Das Wir-Gefühl war ganz stark ausgeprägt, und ich fragte mich wiederholt, ob ich mehr wollte. Ich war mir bewusst, dass Martin keine Beziehung wollte, so hatte er es ja bereits mehrfach angekündigt. Er sagte nicht explizit: „Nicht mit dir.“ Ich nahm dies daher nicht persönlich (zumindest habe ich es versucht). Ich wollte mich ihm nicht aufdrängen und ging (eher halbherzig) auch mit anderen aus. Als er dann jedoch verstärkt von seiner Ex-Freundin und anderen Frauen erzählte, wurde ich eifersüchtig. Ich realisierte, dass meine Gefühle doch weitaus stärker waren, als ich gedacht hatte und fasste den Mut, ihm zu sagen was ich fühlte. Er bat sich Bedenkzeit aus und teilte mir dann seine Entscheidung sehr förmlich mit, was mich ziemlich irritierte. Seine Erklärung, er könnte sich eine Beziehung mit mir vorstellen, war für mein Empfinden nicht wirklich überzeugend, aber meine schlimmste Furcht, abgewiesen zu werden, hatte sich nicht bewahrheitet. Daher war ich ein wenig enttäuscht, aber doch erleichtert und glücklich.
In dieser Zeit fühlte sich unsere Beziehung sehr vertraut an, fast wie die eines langjährigen Paares. Wir gehörten zusammen und gaben uns Geborgenheit. Dennoch war ich weiterhin verunsichert. Ich vermisste den Überschwang der Gefühle, das war für mich neu. Andere Beziehungen haben mit sehr viel mehr Feuer und Leidenschaft, die von beiden Seiten ausging, begonnen. Ich traute mich von Anfang an nicht, ihm meine Bedürfnisse klar mitzuteilen, und wollte alles richtig machen, da ich dachte, ich müsste mich ihm gegenüber erst beweisen.
Trotz meiner Verunsicherung, war ich nicht alarmiert. Es waren meine besten Freunde, die mich warnten. Sie lehnten Martin recht deutlich ab, was mich aber eher gegen sie aufbrachte. Ich fühlte mich von ihnen im Stich gelassen. Sie brachten mich recht schnell in die erste moralische Zwicklage. Bei einem Kurzbesuch in Deutschland ging ich mit Martin nach einer Veranstaltung früher nach Hause, während meine Freunde mich zum Bleiben überreden wollten („Er oder wir“), und ein handfester Krach entstand. Sie bezeichneten mich als illoyal, was mir sehr weh getan hat. In diesem Moment war ich alarmiert. Wie konnte es passieren, dass ich mich so unvermittelt zwischen beiden Seiten entscheiden und meine langjährigen, engen Freundschaften für Martin aufs Spiel setzen sollte? Ich beruhigte mich mit dem Gedanken, dass solche Situationen sich kaum wiederholen würden.
Ich hatte Martin in dieser Situation deutlich signalisiert, dass ich zu ihm stehe. Der Streit mit meinen Freunden hat mich sehr belastet (und ist später noch eskaliert), zumal ich sie sehr vermisste und sie mir sehr, sehr wichtig waren. Martin war jedenfalls in dieser Situation sehr verständnisvoll und einfühlsam. Damit hat er total ins Schwarze getroffen und ich fühlte mich immer mehr zu ihm hingezogen. Von Anfang an fand ich ihn ja schon extrem gutaussehend. Er hat ein Lachen und eine Stimme, die mich einfach umwarfen. Mehr noch beeindruckten mich sein Intellekt und die Art, wie er erzählte: unglaublich stimulierend und faszinierend.
Endlich konnte ich mich mit jemandem unterhalten, der voller Ideen steckte und meine Leidenschaft für bestimmte Themen teilte, sogar noch übertraf. Ich freute mich, an seinen Erfahrungen teilhaben zu können und mit ihm meine eigenen Erfahrungen eingehend zu diskutieren. Zusammen mit seiner Zurückhaltung anderen Menschen gegenüber war dies eine für mich perfekte Mischung – Herz, Kopf und Humor, gepaart mit Zuverlässigkeit und Sensibilität. Seine Art mir zuzuhören und auf mich einzugehen - das war etwas, was ich vorher noch nie so erlebt habe. Ich hatte das Gefühl, ich bin sehr wichtig für ihn, und gleichzeitig konnte ich spüren, dass es auch ihm wichtig war, dass ich ihm zuhöre und auf ihn eingehe.
In dieser Zeit habe ich Martin als absolute Bereicherung in meinem Leben empfunden. Er war etwas Besonderes und Wertvolles für mich. Den Ausschlag, wirklich in die Beziehung investieren zu wollen, hat mir sein Lachen gegeben, wenn er sich gefreut hat. Es war so ansteckend, so herzlich und lebendig, dass sich mein Herz dabei ganz öffnen konnte.
Aufgefallen ist mir, dass er sehr gewissenhaft und detailbesessen war. Er legte großen Wert auf sprachliche Genauigkeit, war aber auch spontan und kreativ. Ständig sprudelten neue Ideen und Wissen aus ihm heraus, sodass es manchmal schwierig war, ihm zu folgen.
Martin war sehr ordnungsliebend, und ich habe versucht, mich darauf einzustellen, was mir angesichts meines eigenen Hangs zu Unordentlichkeit und Chaos sehr schwer fiel. Bei spontanen und kreativen Aktionen habe ich begeistert mitgemacht, zunehmend durchmischt von meinem schlechten Gewissen, nicht genügend für meine Arbeit zu machen. Aber in den Momenten, wo wir gemeinsam etwas unternommen haben, war ich glücklich. Insgesamt war das alles sehr faszinierend für mich.
Dann beschloss ich, mir ein eigenes soziales Umfeld aufzubauen. Als ich ein Auto kaufen wollte, um auch mal in die Stadt zu fahren und neue Bekannte zu treffen, reagierte Martin ungewohnt heftig. Er verweigerte mir seine Unterstützung und zeigte wenig Verständnis für meinen Wunsch, mobil zu sein. Das hat mich ziemlich überrascht und enttäuscht. Dann begann er, meinen neuen Bekannten, die auch zu Freunden wurden, abweisend entgegenzutreten. Meinem Wunsch, sich uns anzuschließen, kam er nicht nach. Auch mit seinen Bekannten gab es nur eingeschränkten Kontakt, sodass es irgendwann fast nur noch getrennte Aktionen gab, wenn andere mit im Spiel waren. Wenn ich abends nach Hause kam, wurde ich mit Vorwürfen überhäuft, wo ich so lange geblieben sei. Schließlich habe ich angefangen, Freunden abzusagen, um diese ermüdenden Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Seinen Bekannten stellte er mich nicht mal als Freundin vor, das hat mich sehr verletzt. Ich war traurig, weil es keine gemeinsamen Aktionen mit Freunden gab und er sich ausgrenzte. Und ich war hilflos, weil ich mich ständig zwischen ihm und meinen Freunden entscheiden musste. Irgendwie konnte ich es keinem recht machen, egal was ich tat. Menschen, die ich liebte und die mir wichtig waren, sie alle waren aus meiner Sicht unzufrieden mit mir.
Dann blieb ich mit meiner wissenschaftlichen Arbeit auch noch deutlich hinter dem Zeitplan. Als ich deshalb immer verzweifelter und panischer wurde, übte er zunehmend Druck auf mich aus. Statt Zuspruch bekam ich die ersten Vorwürfe zu hören, dass ich mich nicht an die ursprünglichen Absprachen halten würde (später wurde daraus ein „Vertrag“, den wir geschlossen haben sollen), und er...