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Planungsgrundlagen
2.1 Anforderungen aus der Nutzung der Tunnel
Die verkehrlichen Verhältnisse in Straßentunneln sollten grundsätzlich denen der freien Strecke entsprechen. Aus Sicherheitsüberlegungen ist es jedoch geboten, in der Regel die zulässige Höchstgeschwindigkeit (Entwurfsgeschwindigkeit) in Straßentunneln auf 80 km/h zu beschränken.
Zu unterscheiden sind Straßentunnel für den Gegenverkehr und Straßentunnel für den Richtungsverkehr. Tunnel für den Gegenverkehr bestehen im Regelfall aus einem Fahrstreifen je Richtung. Bei Tunneln für den Richtungsverkehr werden die Fahrtrichtungen dagegen baulich voneinander getrennt, z. B. durch den Bau von zwei Tunnelröhren. Während in der Vergangenheit dabei pro Röhre häufig zwei Fahrstreifen ohne Seitenstreifen ausgeführt wurden, werden künftig als Folge sich ändernder Verkehrszusammensetzungen und ständig steigender Verkehrsbelastungen auch drei Fahrstreifen ohne Seitenstreifen, in Ausnahmefällen sogar drei Fahrstreifen mit Seitenstreifen (Standstreifen) erforderlich.
Die Gestaltung von Straßentunnelquerschnitten erfolgt in Deutschland nach den „Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln (RABT)“ unter Berücksichtigung der „Richtlinien für die Anlage von Straßen, Querschnitte (RAS-Q) und Linienführung (RAS-L)“. In diesen Richtlinien sind u. a. Anforderungen an den Regelquerschnitt, den einzuhaltenden lichten Raum bzw. Verkehrsraum, an die Quer- und Längsneigungen im Tunnel sowie die Mindestwerte für Kurvenradien, Kuppen – (HK ≥ 4.400 m) und Wannenhalbmesser (HW ≥ 1.300 m) sowie die Anordnung von Pannenbuchten und Notausgängen enthalten.
Nach RAS-L sollen die Längsneigungen im Bereich von Straßentunnelstrecken nach Möglichkeit auf max. 4% begrenzt werden. Besonders bei großen Tunnelstrecken sind Längsneigungen von 2,5 bis 3,5% anzustreben.
Die Querneigung von Straßentunneln sollte in den Geraden zur Abführung des Oberflächenwassers einen Mindestwert von 2,5% haben, in Kurven ist dieser Wert der Entwurfsgeschwindigkeit anzupassen.
Nach der DB-Richtlinie RiL 853 (DB Netz: Eisenbahntunnel planen, bauen und instand halten) gibt es für Eisenbahntunnel vier unterschiedliche Kategorisierungen entsprechend den Entwurfsgeschwindigkeiten VE:
- – Höchstgeschwindigkeitsverkehr mit 230 km/h < VE ≤ 300 km/h,
- – Schnellverkehr mit 160 km/h < VE ≤ 230 km/h,
- – Personen- und Güterverkehr mit VE ≤ 160 km/h,
- – S-Bahn-Verkehr mit VE ≤ 120 km/h.
Die Längsneigung der Strecken soll bei Hauptbahnen auf ca. 12,5 bis 14,5‰ und bei S- und Nebenbahnen auf 40‰ begrenzt bleiben. Als untere Grenze sollte eine Längsneigung von 2‰ (Tunnellänge 1<1.000 m) bzw. 4‰ (Tunnellänge 1 ≥ 1.000 m) nicht unterschritten werden.
In Abhängigkeit von den einzelnen Nutzungsvarianten schreibt die RiL 853 unterschiedliche Gleisabstände in den Tunneln und somit verschiedene Querschnittsformen vor, außerdem unterschiedliche Querschnittsgrößen entsprechend ihrer Nutzung (z. B. zweigleisiger Hochgeschwindigkeitstunnel mit Korbbogenquerschnitt von 12,78 m innerer Breite).
Die Trassen von Abwasserleitungstunnel sind so zu planen, dass ausschließlich Geraden und Radien in tangentialer Abfolge verwendet werden. Bei Rohrvortrieben ist hierbei zu berücksichtigen, dass unabhängig vom Rohrdurchmesser zwischen Startbaugrube und Kurvenbeginn eine gerade Strecke von mindestens 50 m liegen sollte. Sofern möglich, sollten Kurven am Ende einer Vortriebsstrecke angeordnet werden.
Für die Gradientenneigungen von Abwasserleitungen sind die Bemessungstafeln für ablagerungsfreien Betrieb zugrunde zu legen. Für begehbare Abwasserleitungen sollte möglichst eine Gradientenneigung unterhalb von 1,5‰ vermieden werden.
Fußgängertunnel sollten Gradientenneigungen von 1,0 bis max. 6,0% aufweisen.
2.2 Anforderungen aus Genehmigungen
Für die Planung, Ausschreibung, Vermessung und Bauüberwachung unterirdischer Vortriebe sind auch die genehmigungsrechtlichen Randbedingungen zu berücksichtigen. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Anforderungen aus dem Boden- und Grundwasserschutz, dem Schutz von Bauwerken an der Tagesoberfläche sowie dem Erschütterungs- und Lärmschutz im Hinblick auf die Einwirkungen auf das Umfeld.
Aus diesen genehmigungsrechtlichen Randbedingungen erwachsen Auflagen für die Trassen- und Gradientenplanung, die Auswahl des Vortriebsverfahrens und die begleitende Vortriebsüberwachung.
2.3 Anforderungen aus dem Baugrund und dem Grundwasser
2.3.1 Vorbemerkungen
Im Rahmen dieses Handbuchs sollen im Folgenden die allgemeinen und die im Vortriebsbereich zu erwartenden Baugrundverhältnisse unter Berücksichtigung ihrer physikalischen Einwirkungen auf den Tunnelvortrieb und hier insbesondere auf die Beeinflussung der Vortriebsgenauigkeit beschrieben und beurteilt werden. Dabei beschränken sich die allgemeinen Abhandlungen zur Geologie und Hydrogeologie auf die wesentlichen faktischen Unterscheidungsmerkmale der unterschiedlichen Boden- und Felsarten sowie der möglichen Einflüsse aus den Grundwasserverhältnissen. Eine detailliert vorgenommene Abhandlung über die Baugrund- und Grundwasserverhältnisse wird nur insofern vorgenommen, als sie unmittelbar den Einfluss auf die Vortriebsgenauigkeit betrifft. Hierbei wird, basierend auf den maßgeblichen Normen und Richtlinien bzw. Empfehlungen zur Benennung und Beschreibung der Boden- und Felsarten, auch auf die dort vorgenommenen Festlegungen zur Einordnung in Boden- und Felsarten für eine Klassifizierung zurückgegriffen. Im Wesentlichen wird unterschieden zwischen nichtbindigen und bindigen Bodenarten sowie unterschiedlichen Felsarten. Dabei wird auch der Einfluss des Wassers innerhalb der unterschiedlichen Boden- und Felsarten auf das mechanische Verhalten und damit auf die Vortriebsarbeiten bzw. die Vortriebsgenauigkeit beurteilt.
Neben den natürlichen Baugrundverhältnissen wird in Abschnitt 2.3.5 auch auf möglicherweise vorkommende anthropogene Auffüllungen und hierdurch bedingte mögliche Vortriebshindernisse und Bauwerke bzw. Bauwerksreste, die infolge der Vornutzung der Areale im Baugrund verblieben sind, eingegangen.
2.3.2 Lockergesteine
2.3.2.1 Zustandsbeschreibung
Für die Beschreibung, Benennung und Untersuchung von Boden und Fels gelten im Wesentlichen die am Ende des Buches aufgeführten Normen und Richtlinien.
Danach wird im Wesentlichen unterschieden in
- a) nichtbindige Lockergesteine
- Hierbei handelt es sich um Sande und Kiese.
- b) bindige Lockergesteine
- Schluffe und Tone bzw. Gemische dieser beiden Bodenarten mit nichtbindigen Bodenarten wie Sand und Kies.
Neben diesen beiden Hauptarten von Lockergesteinen können auch oberflächennah organische Böden wie Torfe und Schlammablagerungen auftreten.
Die o. g. Einteilung der unterschiedlichen Lockergesteine erfolgt dabei überwiegend aufgrund ihrer Korngrößenverteilung (Bild 2.1). So wird von Ton gesprochen bei Korndurchmessern von d ≤ 0,002 mm, von Schluffen bei Korndurchmessern von 0,002 mm ≤ d ≤ 0,063 mm, von Sanden bei Korndurchmessern von 0,063 mm ≤ d ≤ 2 mm und von Kiesen bei Korndurchmessern von 2 mm ≤ d ≤ 63 mm. Bei Korndurchmessern oberhalb des letzten Wertes, d. h. über 63 mm, wird von Steinen oder Blöcken gesprochen. Diese groben, meist quarzitischen Einlagerungen können nach Lage, Staffelung und Anordnung ein nicht zu unterschätzendes Vortriebshindernis darstellen, in dessen Folge es nicht nur zu Vortriebserschwernissen, sondern auch zu Abweichungen von der Lage der Vortriebsachse kommen kann. Aus diesem Grunde enthält die DIN 18319 besondere Zusatzklassen für derartige Einlagerungen, bei denen die Korngrößen über 63 mm liegen. Gemäß der DIN 18319 wird der Korndurchmesser derartiger Steine auf 600 mm begrenzt.
Bild 2.1 Kornverteilung der unterschiedlichen Lockergesteine
Neben der Korngröße spielt auch die Kornform im Hinblick auf die Vortriebsarbeiten in Verbindung mit der Lagerungsdichte und einer möglicherweise vorhandenen mineralischen Bindung eine entscheidende Rolle. Plattige horizontal ausgerichtete Fein-, Mittel- und Grobkörnungen verhalten sich im Hinblick auf den Vortrieb anders als ungeregelte Haufwerke. Aber auch die Verteilung der Einzelkörner im Haufwerk beeinflusst neben der Lagerungsdichte das mechanische Verhalten und damit den Einfluss auf die Vortriebsarbeiten. Dicht gelagerte Böden setzen im Bereich der Ortsbrust und am Tunnelmantel dem Vortrieb einen größeren Widerstand entgegen als locker gelagerte Böden. Gleiches gilt für die Konsistenz der bindigen Böden. Sind diese halbfest bis fest, so setzen sie dem Vortrieb einen höheren Widerstand entgegen als wenn sie weich und steif sind. Die Konsistenz der bindigen Böden ist gemäß Bild 2.2 wassergehaltabhängig.
Niedrigere Wassergehalte kennzeichnen im Allgemeinen...