3 Pathologische Zungenbilder
3.1 Syndrome der Chinesischen Medizin
3.1.1 Reine Ausgangspathologien und Mischformen
Der Begriff „Syndrom“ wurde als Übersetzung des chinesischen Bian-Zheng ?? erstmalig im Lehrbuch von Claus C. Schnorrenberger im Jahr 1978 eingeführt. Die beiden chinesischen Schriftzeichen Bian-Zheng ?? (??) verdeutlichen das Differenzieren und Analysieren als Verb, die in ihrer deutschen Übersetzung nicht etwa „Muster“ (engl. pattern) bedeuten, sondern den aktiven Prozess einer unterscheidenden, analysierenden, medizinischen Diagnose, also eine Tätigkeit, beschreiben. Unter einem Syndrom in der allgemeinen Definition (griech. sýndromos: begleitend, zusammentreffend) versteht man in der Medizin und Psychologie das gleichzeitige Vorliegen verschiedener Krankheitszeichen, sog. Symptome. Die Kenntnis dieser Symptome eines jeden Syndroms der Chinesischen Medizin erleichtert somit das diagnostische Differenzieren und Einordnen der Symptomvielfalt.
In der Praxis der Traditionellen Chinesischen Medizin ist durch die Zungendiagnostik selten das reine Syndrom zu finden. Häufiger finden sich kombinierte Syndrome, die es jeweils quantitativ zu erfassen gilt, um dann die geeignete Therapie mit Akupunktur, Kräutern und Chinesischer Diätetik auszuwählen. Es ist jedoch von großem Wert, die Eigenschaften und Besonderheit eines Zungenbildes zu jedem Syndrom vor Augen zu haben, um ein Syndrom überhaupt erst einmal zu verstehen und mit diesem Wissen eine möglichst genaue Diagnostik und damit die geeignete Therapie vornehmen zu können.
Dringend davon abzuraten ist, allein vom Zungenbild bzw. -status des Patienten auf das zu behandelnde Syndrom zu schließen. Vielmehr müssen immer auch der Pulsbefund sowie die vom Patienten geschilderten Symptome als auch die aktuelle Jahreszeit und die klimatischen Verhältnisse bei der Auswahl der Therapie berücksichtigt werden.
Die folgenden Zungenaufnahmen stellen das entsprechende Syndrom in einer möglichst exemplarischen Form dar. Die angefügten Mind-Maps geben einen Überblick über die möglichen Interpretationen der phänomenologischen Zungenbeschreibungen. So lässt sich aus der Zungenbeschreibung ein differenzialdiagnostischer Überblick herstellen.
Folgende Abkürzungen werden in den Mind-Maps verwendet:
S = Symptome
LS = Leitsymptome
U = Ursache
A = Anmerkung
Zu jedem Syndrom gehört ein typisches Leitsymptom.
Zu allgemeineren Zuständen, wie der Yang- oder Qi-Leere, ein oder mehrere Symptome.
Bei den Patientenfällen wird die Zunge beschrieben und jede Beschreibung einem Syndrom zugeordnet. So können aus dem Zungen- und Pulsbefund sowie auf dem Beschwerdebild des Patienten, d.h. der geschilderten Symptomatik, die entsprechenden Syndrome hergeleitet werden.
3.1.2 Zuordnung der Syndrome zu den Wandlungsphasen
In ? Abb. 3.1 sind die Syndrome den einzelnen Wandlungsphasen zugeordnet, so wie sie dann auch in den folgenden Kapiteln einzeln dargestellt werden.
Abb. 3.1 Zuordnung der Syndrome zu den Wandlungsphasen.
3.1.3 Übersicht allgemeine Leitsymptome
Zu jedem Syndrom gehören allgemeine und spezielle Syndrome. Zu den allgemeinen Leitsymptome eines jeden Syndroms gehören folgende Punkte.
3.1.3.1 Herz-Syndrome
Gemeinsame Symptome aller Herz-Syndrome (= Leitsymptome):
3.1.3.2 Milz-Syndrome
Gemeinsame Symptome aller Milz-Syndrome (= Leitsymptome):
3.1.3.3 Lungen-Syndrome
Gemeinsames Symptom aller Lungen-Syndrome (= Leitsymptom):
3.1.3.4 Nieren-Syndrome
Gemeinsame Symptome aller Nieren-Syndrome (= Leitsymptome):
3.1.3.5 Leber-Syndrome
Gemeinsame Symptome aller Leber-Syndrome (= Leitsymptome):
Schwindel
gespannter Puls
Reizbarkeit
3.2 Herz-Syndrome ?
3.2.1 Herz-Qi-Leere (Xin-Qi-Xu ? ? ?)
? Abb. 3.2
Abb. 3.2 Frau, 44 Jahre: Schwäche und Amenorrhö.
Zunge. Hell, dick oder zart.
Zungenkörper. Hell; Zunge insgesamt „deformiert“, d.h. aus der Form geraten und zarte, zerbrechliche Erscheinung (= Qi-Leere).
Zungenbelag. Dünn, weiß (zum Unteren Erwärmer hin dicker werdend).
Zungenspitze. Eingezogen, leicht gerötet.
? Abb. 3.3
? Abb. 3.4
Abb. 3.4 Frau, 57 Jahre: leichte bis mittlere Herzinsuffizienz.
Zunge. Hell, dick oder zart.
Zungenkörper. Hell, dicker.
Zungenbelag. Weiß.
Zungenspitze. Gerötet, deutliche Warze mit Einkerbung der Zungenspitze, kleine Risse im Bereich des Oberen Erwärmers.
? Abb. 3.5
3.2.1.1 Allgemeines
Ursachen.
höheres Lebensalter (Abschwächung des Qi der Speicherorgane)
ursprünglich andere Erkrankungen können in einen Herz-Qi-Mangel münden
zu starke Schweißverluste („Der Schweiß ist der Rest des Blutes“, Schwitzen = Herzschwäche)
Pathologie. Das Herz-Qi ist nicht ausreichend, daher keine Antriebskraft: Qi und Blut können nicht normal zirkulieren.
Allgemeine Symptome. Herzklopfen, Kurzatmigkeit, starke Schweißausbrüche, v.a. nach körperlicher Anstrengung.
Spezielle Symptome. Gesichtsblässe, Schwäche und Kraftlosigkeit. Leichte Depression,...