Rassismus und Antisemitismus sind die destruktiven Widerbilder der Aufklärung und zugleich Aspekte der Zivilisation. Die europäischen Kolonialmächte des 18. und 19. Jahrhunderts entdeckten bislang unbekannte Kulturen und deren Menschen, ohne sie als gleichwertige Individuen anzuerkennen. Die Stunde der Kolonialisierung war gekommen und damit die Einteilung in Herrenmenschen und Sklaven. Die Archetypenlehre des Schweizer Tiefenpsychologen und ehemaligen Freud-Schülers Carl Gustav Jung verspricht Wege zu eröffnen, die dem verunsicherten Subjekt seinen seelischen Halt sichern. Allzu oft erweist sich solches als Irrweg, da die gesellschaftlichen und biographischen Bedingungen außer Acht bleiben. Jenseits von Selbsterfahrung, die in endlosen Reflexionsschleifen auf die traumgleichen Impressionen der Innerlichkeit gerichtet ist und mittels unentwegter Tiefenschürfung in das kollektive Unbewusste, lassen sich die Zwänge der Außenwelt nicht auflösen, die sich in Beruf und selbst bis in das Privatleben hinein, bemerkbar machen. Das, was Apologeten und Anhänger der Jungschen Lehre als Möglichkeit zur Emanzipation verheißen, erweist sich bei näherem Hinsehen als ihr Gegenteil. Oftmals verbleibt nur die Selbstentfremdung des Subjekts in einer archetypischen und mystischen Gegenwelt. Es gilt zu bedenken, daß Jungs Archetypenlehre und alle, die sich auf diese berufen, einer bildhaften Sichtweise anhängen, die aufgrund ihres Erkenntnisgegenstandes zu einem Ausblenden der realen und gesellschaftlichen Realitäten einlädt. Jungs Archetypenlehre ist allen Selbsterlösungsverheißungen zum Trotz, ein zutiefst autoritärer psychologischer Entwurf, der das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft aus der Wirkmächtigkeit archetypischer Instanzen erklären möchte, die als Symbole angeblich höherer, menschheitsgeschichtlicher und prähistorischer Gewalten in die psychischen und sozialen Prozesse von Individuen eingreifen. Ihre Stellung ist die einer unerschütterlichen Autorität unter die sich der Mensch zu beugen hat. Im Angesicht des Nationalsozialismus versuchte Jung diesen in seiner Lesart als unausweichlichen, rassischen Emanzipationsprozess der germanischen Seele zu rechtfertigen.
Manfred J. Foerster studierte Psychologie, Erziehungswissenschaft, Soziologie und Philosophie in Aachen und Mainz und promovierte in Heidelberg über die Analytische Psychologie Carl Gustav Jungs. Der Autor leitete über 20 Jahre die Beratungs- und Fortbildungsstelle für ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter/innen im hessischen Strafvollzug. Für diese Tätigkeit ist er mit dem Förderpreis der Fritz-Bauer Stiftung und mit dem 'Wilhelm Fay Gedächtnispreis der Stadt Frankfurt/Main' ausgezeichnet worden. Er ist als Lehrbeauftragter im Fachbereich Erziehungswissenschaft an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz tätig, mit den Schwerpunkten: Frühkindliche Bindungserfahrungen und Sozialisation, Ursachen und Auswirkungen von Persönlichkeitsstörungen sowie Persönlichkeitsprofile von Gewalt- und Sexualdeliktern. Darüberhinaus ist er seit über 10 Jahren als Supervisor im 'Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe- Landesverband Rheinland Pfalz e.V.' tätig. Die in diesem Buch behandelten Themen sind im Rahmen einer Vorlesungsreihe des Autors an der Johannes Gutenberg- Universität Mainz gehalten worden. Wichtigste Veröffentlichungen: Individuation und Objektbeziehung Eine Auseinandersetzung mit der Analytischen Psychologie Carl Gustav Jungs (Aachen 2000); Bindungstheorie und Persönlichkeitsstörungen bei Klienten der Straffälligenhilfe, in: DVJJ 2002/ Heft 3; Lasten der Vergangenheit Traditionslinien zum Nationalsozialismus (London 2006); Zur Psychopathologie des Rassismus und Antisemitismus (Aachen 2009); Übertragung-Persönlichkeitsstörungen und das Dilemma des Helfers, in: Bewährungshilfe Soziales- Strafrecht- Kriminalpolitik 2003/ Heft 1); Zum Umgang mit Sexual- und Gewaltdelinquenten in der Straffälligenhilfe aus Sicht der Objektbeziehungs- und Bindungstheorie, in: Bewährungshilfe Soziales- Strafrecht- Kriminalpolitik/ 2003/ Heft 3; Frühe Traumatisierungen und Delinquenz- der Täter als Opfer seiner Biographie. Zur Wirklichkeit früher Traumatisierungen im Kontext der Straffälligenhilfe (Ursachen- Auswirkungen- Perspektiven) in: Neue Praxis, 2005/Heft 4; Die antisoziale Persönlichkeit im Strafvollzug dargestellt an der Person des Hannibal Lecter aus dem Film Das Schweigen der Lämmer, in: Forum Strafvollzug, 2013/ Heft 3; Bildungsbürger Nationaler Mythos und Untertan Betrachtungen zur Kultur des Bürgertums (Aachen 2009).
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