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Zur Sprachidentität der Mapuche. Die Bedeutung von Mapudungun im 21. Jahrhundert in Chile

AutorChristina Drechsel
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl77 Seiten
ISBN9783656921264
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Romanistik - Lateinamerikanische Sprachen, Literatur, Landeskunde, Universität Passau, Sprache: Deutsch, Abstract: Mapudunguwelaymi am? - Sprichst du vielleicht überhaupt kein Mapudungun mehr? Die Mapuche in Chile sind mit mehr als 1,5 Millionen Menschen eines der größten indigenen Völker Amerikas und konnten bis in das 21. Jahrhundert Teile ihres historischen Erbes der indigenen Kultur bewahren. Gesetze wie zum Beispiel das Ley Indígena versichern dem Volk die Erhaltung ihrer Kultur, zu der unter anderem ihre eigene indigene Sprache Mapu-dungun gehört. Die Selbstverständlichkeit, Mapuche in ihrer Muttersprache Mapudungun kommunizieren zu sehen, ist gegenwärtig allerdings rar: eine Großzahl dieser indigenen Einwohner Chiles ist bilingual aufgewachsen und beherrscht Spanisch meist deutlich besser als Mapudungun. Trotz ergriffener Maßnahmen der chilenischen Regierung fehlt es Mapu-dungun an ausreichendem Schutz bzw. Werbung, sodass auch die jüngeren Generationen innerhalb des Eingeborenenvolkes die Mühe auf sich nehmen, ihre Sprachkompetenz über das Spanische hinaus zu erweitern. Mapudungun ist und bleibt eine bedrohte Sprache innerhalb Lateinamerikas, dennoch soll in dieser Arbeit eingehender untersucht werden, inwiefern dies innerhalb der Mapuche-Gemeinschaft auch dementsprechend wahrgenommen wird. Hierfür dienen u.a. Ein-zelinterviews mit Mapuche, darüber hinaus werden auch soziale Plattformen wie Facebook oder Twitter herangezogen, in denen vor allem Jugendliche unterwegs sind.

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Leseprobe

2 Geschichte und Sprachidentität des Araukanischen Volkes


 

2.1. Historischer Bezugsrahmen


 

2.1.1. Von der präkolumbianischen Zeit bis hin zur Invasion der Inka


 

Das Volk der Mapuche (mapu „Erde“, che „Menschen“) und sein Ursprung ist mythenreich und bis heute stark umstritten. Die Wurzeln der Mapuche sind laut Mythen eng mit den Elementen der Natur verwoben und gehen auf die Gefangennahme des Menschen durch Meer, Wasser und Berge zurück.[1] Während die Überlebenden nach dem Kampf zwischen Gut und Böse ein Volk bildeten, verwandelten sich gemäß der Saga die übrigen Menschen zu Felsen und Stein. Schenkt man der historischen Erklärung von Luis Durand[2] Glauben, stammen die Mapuche, wie die Gesamtheit der Nomadenstämme Südamerikas, ursprünglich aus dem Gebiet des Amazonas-Regenwaldes und des Gran Chaco[3]. Die Fortführung von in der Pampa üblichen Brauchtümern bei den Mapuche, ebenso wie diverse Namen und Bezeichnungen, führen Ricardo Latcham und Francisco Antonio Encina, Pioniere der Ethnographie Mapuche, auf eine Zeit in der argentinischen Pampa als nomadische Jäger zurück. Später fanden diese über die Anden ihren Weg in das Valle de Cautín. Der Migrationsthese von Latcham stehen diverse Kritiker entgegen. Letztere präsentieren ihre eigene Hypothese und stützen sich dabei auf archäologische Funde datiert auf 500 bis 600 v. Chr. Im heutigen Territorium Chiles sollen sich bereits in frühgeschichtlicher Zeit Menschen niedergelassen haben, die sich durch Jagd und Sammeln ihr Überleben sicherten. Als Grundlage dienten den Eingeborenen vor allem Beeren, Früchte, Weichtiere, aber auch Fische und sonstige Meerestiere. Zwar besaßen diese Siedlergruppen keinen festen Wohnsitz, laut einer Gruppe von Autoren können sie jedoch als Urväter der ersten Mapuche-Siedlungen betrachtet werden (vgl. Bengoa 2000, S. 15 ff).

 

 Über die Jahre hinweg hielten die Mapuche Unterwerfungsversuchen verschiedener Mächte stand. Noch vor der spanischen Eroberung drangen im Jahr 1460 die aus Cuzco stammenden Inka von den zentralen Anden immer weiter in den Süden hervor, mit der Absicht, ihr Territorium Tawantin zu vergrößern. Zwar gelang es den Inkas bis 1485 die nördliche Hälfte Chiles bis hin zum Fluss Maule zu erobern, eine Bekämpfung der im Süden angesiedelten Mapuche misslang jedoch. Nachdem die Inka westlich des Flusses Maipó bis hin zum Maule volle Kontrolle über das heutige Chile ausübten, stießen sie ab dem 35. Breitengrad auf kriegerische Jäger, die ihnen südlich des Flusses Bío-Bío Widerstand leisteten. Dies zwang die Inkas schließlich zum Rückzug. Zwar scheiterte die Invasion, der Kontakt mit dem Inka-Reich hinterließ dennoch Spuren, nämlich in der Sprache der aucas.[4] So fanden beispielweise folgende Wörter ihren Weg in das Vokabular von Mapudungun: pataka „Hundert“, warangka „Tausend“, challwa „Fisch“ und kutama „Börse“ (vgl. Fernandez-Garay 2005, S. 15). Darstellung 1 zeigt weitere Beispiele von Lehnwörtern, die Ranquel[5], eine Variante von Mapudungun, aus der Quechua-Sprache entnahm. Insgesamt hielt sich das Ausmaß des kulturellen und linguistischen Einflusses der Inkas jedoch in Grenzen und war bis auf wenige Lehnwörter aus Quechua nicht allzu tiefgründig.

 

 

Darstellung 1: Lehnwörter Quechua-Ranquel (Haspelmath/Tadmor 2009, S.1044)

 

2.1.2. Die spanische Eroberung


 

Die zweite große Invasion Chiles und der Araukanie ließ nicht lange auf sich warten: 1541 beauftragte der spanische Konquistador Perus, Francisco Pizarro, Pedro de Valdivia mit der Erschließung des südlichen Gebietes des Inka-Reiches. Im Februar 1541 gründete Valdivia 40 Jahre nach der Entdeckung durch Kolumbus die heutige Hauptstadt Santiago de Chile. Weitere neun Jahre später begann er, die spanische Herrschaft über die ehemals von den Inka beherrschten Gebiete über den Fluss Bío-Bío hinaus auszudehnen. Mit diesem Manöver zog er jedoch den Unmut der Eingeborenen auf sich. Mapuche nördlich des Bío-Bío mussten sich den spanischen Eroberern beugen und sich in das Encomienda-System[6] einfügen. Um eine fluktuierende Wirtschaft und den Reichtum der Spanier und ihres Königreiches zu garantieren, war die damalige Weltmacht auf Ressourcen angewiesen. Hierfür bat sich der Bergbau und die Goldwäsche an – Arbeiten, die von den Indio-Gruppen ausgeführt wurden. Unter dem Banner der Evangelisierung der Eingeborenen, mussten sich die Mapuche den sogenannten Encomenderos, ihren Herren, unterstellen und den Arbeitsanweisungen folgen. Am 26. Mai 1608 legitimierte König Philipp III. schließlich offiziell die Sklaverei von Männern über 10 ½ Jahren sowie Frauen über 9 ½ Jahren in Araukanien. Die südlich des Flusses Maule lebenden Mapuche-Völker hingegen wehrten sich gegen ein ähnlich drohendes Schicksal und widersetzten sich der Besetzung ihrer Gebiete. Durch ihre hohe Bevölkerungszahl[7] und die Naturumstände in ihrem Gebiet gelang es den Mapuche ohne weiteres, Widerstand gegen die spanischen Konquistadoren zu leisten. Das Modifizieren ihrer Kriegstaktiken und Waffen sowie der Einsatz von Pferden spielten ihnen im Laufe der Conquista (1550-1656) einige Vorteile zu (vgl. Delgado 2010, S. 545 f).

 

 Unter der militärischen Führung der Mapuche Lautaro[8] und später Pelantaro, verzeichneten die Araukaner beachtliche Siege gegen die Spanier, insbesondere in der Schlacht von Curalaba (1598). Sergio Villalobos, ein chilenischer Historiker, definiert die Periode zwischen 1598 und 1622 als „Triumph Araukaniens“ und schreibt „La heroica voluntad de luchar se alimentaba, después de tantas décadas, de un odio enorme contra los españoles por los abusos y tropelías y por la idea de sacudir para siempre el trabajo de las encomiendas” (Villalobos 1985, S.12). Die Jahre 1623 bis 1656 waren geprägt von einem Rückgang des Kriegszustandes. In dieser Zeit kam auch der Vertrag von Quilín zu Stande, ein formales Abkommen zwischen Spaniern und Mapuche. Darin erkannte Spanien die Unabhängigkeit der Mapuche an und diese gewährten im Gegenzug Missionaren den Zutritt zu ihrem Gebiet. Der Fluss Bío-Bío galt von diesem Zeitpunkt an faktisch als Grenze des spanischen Königreiches zum Mapuchegebiet. Zwischen 1655 und 1656 erhielt dieser Zustand jedoch einen Rückschlag, indem die Eingeborenen infolge des inkompetenten Handelns der spanischen Gouverneure Acuña und Cabrera zum Gegenschlag ausholten. Das Resultat: die Zerstörung aller spanischen Niederlassungen in Araukanien, die Zerstörung der gesamten Siedlungen bis zum Fluss Maule, das Verlassen von Chillán und die Aneignung spanischer Waffen zur Eindämmung der kolonialen Bewegung. Ein Jahr später, 1657, begann schließlich die Periode des Friedens, die 160 Jahre lang bis ins Jahr 1883 anhielt (vgl. Bazán Alvaréz 2011, S. 147f).

 

2.1.3. Von Verschriftlichung, Bilinguismus und Substitution


 

Im südamerikanischen Raum stellt Mapudungun eine der ersten Sprachen dar, die studiert und näher analysiert wurde. Bereits 1606 befasste sich der Jesuit Luis de Valdivia[9], auch bekannt als Urvater des Mapudungun, mit dieser isolierten Sprache Araukaniens und publizierte das erste Werk über ihre Grammatik und Lexikographie, „Arte y gramática general de la lengua que corre en todo el Reyno de Chile“. Kapitel 1 widmet Valdivia der Aussprache und Orthographie und geht näher auf einen den Spaniern noch unbekannten Vokal – zwischen den Vokalen (e) und (u) – ein. Anschließend folgen für das Mapudungun typische Konsonante, die weder im Spanischen noch Lateinischen vorhanden sind. Weitere Kapitel handeln von der Konjugation von Verben, den Modi oder etwa Passiv und Aktiv. Den Abschluss der Sektion des Buches zu Mapudungun bildet ein alphabetisch geordnetes Vokabelverzeichnis von 80 Seiten, gefüllt mit Wörtern in Mapudungun und entsprechender spanischer Übersetzung (vgl. Valdivia 1606). Durch die Jesuiten-Missionare wurde somit erstmals eine Schriftform von Mapudungun eingeführt. Die Schreibweise der Texte wurde weitestgehend an das Alphabet des Spanischen angelehnt, während bei dem phonetischen Alphabet auf griechisch-lateinische Symbole zurückgegriffen wurde.

 

 Zur Zeit der kolonialen Eroberung wurden nicht nur die nach Chile entsandten Missionare mit dem Multilinguismus Spanisch-Mapudungun konfrontiert, sondern allen voran die Eingeborenen selbst. Ziel der Kolonialisierung war es, die Sprache und katholische Religion der Konquistadoren nach Südamerika zu bringen. Bei Ankunft der Spanier auf dem amerikanischen Doppelkontinent waren die Eingeborenen, u.a. auch die Mapuche, den Europäern zahlenmäßig deutlich überlegen, weshalb vorrangig die Sprachen Náhuatl, Maya, Quechua, Guaraní und Mapudungun gesprochen wurden. Im Rahmen ihrer Sprachenpolitik förderte die spanische Krone sogar bis Ende des 17. Jahrhunderts den Gebrauch der indigenen Sprachen. Dies änderte sich jedoch bald und angesichts einer vollständigen Evangelisierung der Eingeborenen wurden die nativen Sprachen bald als primitiv und geringwertig verurteilt. Das semantische und strukturelle Niveau der indigenen Sprache wurde in Frage gestellt und schließlich durch...

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