Einleitung
Früher dachte man, dass Menschen nur sehr selten von Zwangsstörungen betroffen würden. Heute schätzt man, dass zwischen einem und drei Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens unter Zwangsstörungen – oder kurz, Zwängen – leiden. Damit nimmt die Zwangsstörung den vierten Platz in der Rangfolge der häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland ein. Darüber hinaus ist die Zahl der diagnostizierten Zwangsstörungen bei Kindern in den letzten Jahrzehnten dramatisch gestiegen.
Woher kommt dieser augenscheinliche Anstieg von Zwangsstörungen? Zum Teil ist er darauf zurückzuführen, dass wir Fortschritte in der Diagnostik gemacht haben. Ein weiterer Grund dafür, dass Zwangsstörungen mehr in die Öffentlichkeit dringen, ist die steigende Bereitschaft in der Bevölkerung, Probleme zuzugeben. Aber auch andere Faktoren können eine Rolle spielen, etwa der mit unserer modernen Lebensweise verbundene Stress. Vielleicht hat auch die Werbung damit zu tun, wie wir gleich erläutern werden.
Wenn sich beispielsweise Ihr Flug um ein paar Stunden verzögert, stehen Sie vor der Herausforderung, die Zeit irgendwie totzuschlagen. Vielleicht haben Sie vorgesorgt und haben ein Buch, ein Magazin oder einen Film im Gepäck, um sich Wartezeiten zu verkürzen. Aber was machen Sie, wenn Sie damit durch sind?
Es könnte sein, dass Sie so verzweifelt sind, dass Sie einen dieser Kataloge mit cleveren Geräten, Erfindungen und Geschenken durchblättern, die überall herumliegen, wo Leute scheinbar endlose Wartezeiten verbringen müssen. Greifen Sie sich das nächste Mal einen dieser Kataloge und schauen Sie sich die Angebote für Reinigungs- und Desinfektionsgeräte an. Viele dieser Gerätschaften arbeiten mit UV-Licht und werden als praktische Hilfsmittel angepriesen, die man überallhin mitnehmen und mit denen man alle möglichen Oberflächen desinfizieren kann – seien es Besuchertheken, Tastaturen, Handys, Geländer, Toilettensitze, Zahnbürsten, Tischflächen, Türgriffe und gar die Armlehnen im Flugzeug. Man fährt angeblich einfach mit einem solchen Desinfektionsstab darüber und tötet damit in etwa zehn Sekunden 99,9 Prozent aller Bakterien, Viren und Schimmelbakterien ab – einschließlich E. Coli, SARS und Salmonellen.
Stellen Sie sich eine Welt vor, in der jeder einen solchen Desinfektionsstab mit sich herumträgt. Stellen Sie sich vor, wie Millionen Menschen ihre gesamte Umwelt ableuchten, um eventuell verborgene schädliche Mikroben zu vernichten. Würde die Welt dadurch sicherer, sauberer oder geringer durch Gifte belastet? Und wenn wir dazu noch Desinfektionssprays, mikrobakterielle Handreiniger und Atemschutzmasken verwenden würden? Vielleicht hätten wir ein paar Erkältungen oder grippale Infekte weniger. Auf der anderen Seite belegen Studien, dass eine keimfreie Umgebung dazu führt, dass unser Immunsystem nicht die notwendigen Antikörper entwickelt, um uns gegen Krankheiten zu schützen. Vielleicht ist es deshalb gar nicht so erstrebenswert, alles um uns herum zu desinfizieren.
Trotzdem fühlt man sich immer ein wenig unwohl, wenn man zu viel über Krankheitserreger, Mikroben und Bakterien liest – besonders wenn man in einem Flugzeug sitzt, ein bisschen schwitzt, den Mundgeruch des Sitznachbarn riecht und von überall her Husten, Niesen und andere unerquickliche Geräusche hört. Wir wollen damit keineswegs behaupten, dass die mit Reisen verbundenen Unannehmlichkeiten Zwangsstörungen verursachen oder dass Werbung Zwangsstörungen verschlimmert. Aber die werbewirksame Darstellung von Schmutz und Bakterien fördert vor allem den Verkauf zahlreicher entsprechender Produkte und ist Wasser auf die Mühlen von Zwängen geplagter Menschen.
Über dieses Buch
Im Mittelpunkt dieses Buches stehen Zwangsstörungen. Wir wollen Ihnen mit diesem Buch helfen, Zwangsstörungen zu verstehen, und Ihnen Wege aufzeigen, wie Sie Unterstützung finden und Ihre Situation verbessern können. Wir sagen Ihnen auch, wie Sie einem unter Zwangsstörungen leidenden Kind oder Ihnen nahestehenden Menschen helfen können. Wir beschreiben die Symptome anderer Erkrankungen, unter anderem Ängste und Depressionen, die parallel zu Zwangsstörungen auftreten können. Und schließlich grenzen wir Zwangsstörungen gegen verwandte Störungen ab. Dabei weisen wir immer darauf hin, wann Sie erwägen sollten, sich von einem Therapeuten helfen zu lassen. Wir klären Sie darüber auf, wie Sie die richtige Person finden, die Sie auf dem Weg der Besserung begleitet.
Wir beschäftigen uns in diesem Buch mit den wichtigsten Behandlungsmethoden, die bei Zwangsstörungen Erfolg versprechend angewandt werden, darunter die Kognitive Verhaltenstherapie, die Exposition mit Reaktionsmanagement und die medikamentöse Therapie. Alle Informationen diesbezüglich basieren auf aktuellen wissenschaftlichen Forschungen.
Eine wichtige Botschaft an unsere Leser
Das ist unser fünftes Buch in der … für Dummies-Reihe. Wie bei den anderen Büchern ist uns vor allem daran gelegen, Sie aktuell und genau über Zwangsstörungen zu informieren und in die Lage zu versetzen, mit Ihren Symptomen möglichst gut zurechtzukommen.
Wir wollen aber auch Ihr Interesse wecken und Sie ein wenig unterhalten, und haben deshalb versucht, hier und da eine Prise Humor einzustreuen. Manchmal müssen wir darüber lachen, was wir schreiben. Wir hoffen, dass es Ihnen genauso geht. Wir sind uns dabei aber stets der Tatsache bewusst, dass Zwangsstörungen eine ernste und quälende Erkrankung sind. Wir möchten nur, dass Sie auch mal lachen.
Konventionen in diesem Buch
Wir werden unsere Ausführungen immer wieder durch Fallbeispiele veranschaulichen. Diese Beispiele basieren auf Symptomen, Gedanken und Gefühlen realer von Zwangsstörungen betroffener Menschen. Die einzelnen Fallgeschichten setzen sich jedoch aus den Erfahrungen mehrerer Betroffener zusammen und sind nicht einzelnen Personen zuzuordnen. Bestimmte Einzelheiten haben wir verändert oder weggelassen, damit die Privatsphäre und Vertraulichkeit gewahrt bleibt.
Darüber hinaus halten wir uns an die folgenden Konventionen:
- Fett gedruckte Passagen markieren die Handlungsanweisungen nummerierter Anweisungen und die Schlüsselwörter in Listen.
- Wenn wir Abkürzungen verwenden, erklären wir Ihnen beim ersten Auftauchen in einem Kapitel, was sie bedeuten. Sollten wir das einmal vergessen haben, beschweren Sie sich bitte bei den Lektoren – das ist nun wirklich deren Verantwortung!
- Webadressen erscheinen immer in
monofont
. - Beim Satz des Buches kann es passieren, dass Webadressen in die folgende Zeile umbrochen werden müssen. Sie können davon ausgehen, dass wir keine zusätzlichen Zeichen (etwa Trennstriche) eingefügt haben, um diesen Umbruch kenntlich zu machen. Geben Sie einfach genau das in die Adresszeile Ihres Browsers ein, was Sie im Buch sehen, als wäre der Umbruch gar nicht da.
Was Sie nicht lesen müssen
Dieses Buch steckt voller Informationen, die es alle wert sind, gelesen (und an Familie und Freunde weiterempfohlen) zu werden. Trotzdem müssen Sie nicht jedes Wort, jeden Satz oder jedes Kapitel lesen, um davon profitieren zu können. Schauen Sie sich das Inhaltsverzeichnis oder den Index am Ende des Buches an und entscheiden Sie, was Sie wissen wollen. Die Kapitel sind unabhängig voneinander und können in jeder beliebigen Reihenfolge gelesen werden. Gelegentlich sagen wir Ihnen, in welchen Kapiteln oder Abschnitten Sie mehr Informationen zu einem bestimmten Aspekt finden, aber Sie müssen dieser Empfehlung nicht folgen.
Die über das Buch verteilten grau unterlegten Kästen bieten Ihnen aus unserer Sicht interessante Informationen an. Sie können diese Kästen links liegen lassen, wenn Sie gerade nicht viel Zeit haben. Genauso können Sie mit den technischen Informationen verfahren, die neben dem Techniker-Symbol zu finden sind. Dort werden bestimmte Zusammenhänge eingehender erläutert. Fühlen Sie sich bitte nicht gezwungen, diese Passagen alle zu lesen.
Törichte Annahmen
Wenn Sie diesen Abschnitt lesen, nehmen wir an, dass Sie dieses Buch in Ihren Händen halten (das war eine messerscharfe Schlussfolgerung). Vielleicht interessieren Sie sich für Zwangsstörungen, weil Sie entsprechende Symptome bei sich glauben beobachtet zu haben. Oder Sie befürchten, dass jemand, der Ihnen am Herzen liegt, unter Zwangsstörungen leidet. Vielleicht sind Sie aber auch neugierig, mehr über diese interessante Erkrankung zu erfahren, unter Umständen, weil Sie in einem Film oder im Fernsehen darauf gestoßen sind.
Wir könnten uns auch vorstellen, dass Sie im Gesundheitswesen arbeiten und mehr über spezifische Behandlungsoptionen herausfinden wollen oder auf der Suche nach Büchern sind, die für Ihre Klienten interessant sein könnten. Oder Sie wollen sich im Rahmen eines Studiums oder Aufbaustudiums ein klareres Bild von diesem komplexen Problem verschaffen.
Welchen Grund Sie auch immer haben mögen, dieses Buch in die Hand zu nehmen, wir versprechen...