Sei es nun, dass das Benzin schon wieder teurer geworden ist, dass es auch am fünften Urlaubstag im angeblich immer sonnigen Süden regnet, oder dass des Morgens einfach die herrlich warme Bettdecke das Aufstehen schier unmöglich macht. In allen diesen Fällen entringt sich der Brust eine Anklage und wird dem Himmel entgegen geschleudert: Warum ist die Welt so wie sie ist?
Man denkt bei sich, dass sie ja nun weiß Gott auch anders sein könnte. Aber der Himmel antwortet nicht. Er erzittert nicht in seinen Grundfesten und lässt dem Benzin ungerührt seinen höheren Preis, tut nichts gegen den Regen und hilft uns schon gar nicht im täglichen Kampf mit dem Bett.
Obwohl sich dieser Vorgang üblicherweise in Gedanken abspielt, ist die Frage berechtigt, was denn das mit Denken zu tun hat. Einerseits erscheinen die geschilderten Situationen trivial, viel zu alltäglich, um die Bezeichnung "Denken" zu tragen. Andererseits beschränkt sich aber das, was für Denken gehalten wird, im Allgemeinen oft auf solche oder ähnliche Situationen. Der Unterschied zum weniger alltäglichen Denken besteht nicht darin, wie es zu dieser Frage kommt, sondern darin, wie ernst sie genommen wird. Im einen Fall wird die Frage zwar gestellt, aber, weil der Himmel keine Antwort gibt, wird nicht weiter gesucht. Im anderen Fall wird auf das Schweigen des Himmels damit reagiert, selbst eine Antwort zu suchen. Die Frage kann damit zum Gegenstand einer Untersuchung über die Welt werden.
Einstein kommentierte das so: "Wenn ich mich frage, woher es kommt, dass gerade ich die Relativitätstheorie aufgestellt habe, so scheint das an folgendem Unterschied zu liegen: Der normale Erwachsene denkt über Raum-Zeit-Probleme kaum nach. Das hat er seiner Meinung nach schon als Kind getan. Ich hingegen habe mich geistig derart langsam entwickelt, dass ich erst als Erwachsener damit anfing, mich über Raum und Zeit zu wundern. Naturgemäß bin ich dann tiefer in die Problematik eingedrungen, als die normal veranlagten Kinder." An diesem Beispiel zeigt sich, dass es gerade die alltäglichsten Fragen sind, die zu großen geistigen Würfen führen.
Nehmen wir also die Frage ernst, warum die Welt so ist, und untersuchen sie so, als ob "Welt" etwas wäre, das wir noch nicht kennen.
Zunächst ist festzustellen, dass die Frage von verschiedenen Voraussetzungen ausgeht. Die erste davon ist, dass es mich - der ich die Frage stelle - gibt, denn sonst könnte ich die Frage nicht stellen. Die zweite Voraussetzung ist, dass es die Welt gibt. Die dritte, dass diese Welt zu aktiven Handlungen in der Lage ist, denn sie tut etwas, das ich zu ertragen habe. Üblicherweise ist spätestens damit das Nachdenken über die Welt beendet. Darunter wird ein Strich gezogen, unter dem als Resümee‚ steht, dass die Welt an den Widrigkeiten des Lebens schuld sei.
Damit wäre aber nichts erreicht, denn es wird nichts über die gemachten Voraussetzungen ausgesagt.
Wie also ist diese "Welt" beschaffen? Was ist denn das überhaupt?
Zunächst ist es all das, was man sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen kann. In der Schule war zu lernen, dass die Erde eine Kugel, und diese ein winziger Teil des Kosmos sei. Alles das wird unter dem Begriff "Welt" zusammengefasst. Wie aber sollte dieser Kosmos, oder ein Teil von ihm, an der morgendlichen Bettschwere schuld sein? Bei weiterem Nachdenken ist es also nicht möglich, sich damit zufriedenzugeben und es wird deutlich, dass das, was der Einzelne unter dem Begriff "Welt" versteht, ein kaum durchschaubares Beziehungsgeflecht ist, das er verantwortlich macht für die Dinge, die ihn ärgern und ihm das Leben schwer oder auch angenehm machen. Es könnte auch gar nicht anders sein, denn nur durch das, was ihm geschieht, kann der Einzelne die "Welt" erfahren. Ja sogar sich selbst kann er nur durch diese, ihn umgebende Welt wahrnehmen.
Was müsste man von sich selbst glauben, wenn beim Spaziergang kein Kies unter den Füßen knirschte, kein Bild einer Landschaft in das Auge fallen würde? Wenn also die Sinne nicht vorhanden wären, oder wenn nichts da wäre, was sie erfassen könnten? Nichts würde man glauben! Denn woher wüsste man, dass es kalt und warm gibt, wenn ebenso wenig kalter Wind auf dem Gesicht zu spüren wäre, wie die warmen Strahlen der Sonne? Woher könnte man wissen, dass es Licht gibt, ohne sehen zu können? Woher wäre zu wissen, dass es überhaupt etwas gibt, wenn man nicht sehen, fühlen, schmecken, riechen könnte? Vor allem aber: was könnte man wissen? Die Antwort ist nicht schwer zu finden: Nichts!
Wäre ein solcher Zustand überhaupt möglich, so würde ein lebendes Individuum ohne Bewusstsein durch das Nichts treiben. Denn ohne Reibung an der Umwelt könnte es kein Nachdenken über sich und die Welt entwickeln. Das wäre auch gar nicht notwendig, denn es könnte sich weder stoßen noch stürzen. Es würde auch durch nichts beunruhigt, weder durch höhere Benzinpreise, noch durch Regen, und es hätte auch nicht unter Bettschwere zu leiden.
Wer seine Tage im hektischen Gezappel, ruhelos wie sein eigener böser Geist verbringt, der mag eine solche Vorstellung von endloser Ruhe ganz sympathisch finden. Aber dann fände er den Tod selbst sympathisch. Denn Leben als Treibgut im stillen Ozean des Nichts ist nicht nur aus physiologischen, sondern auch aus psychischen Gründen unmöglich.
Leben braucht Reize, sonst stirbt es!
Die in der Philosophie ebenso oft gestellte, wie unsinnige Frage, ob es die Welt überhaupt gibt, ist also - zumindest aus der Sicht des Menschen- unbedingt zu bejahen. Denn wenn er davon ausgeht, dass er etwas sagen kann, dann muss es auch die Welt geben, über die er etwas aussagt. Zwar kann man durchaus mit logischen Spielchen die eigene Existenz in eine Nicht-Existenz umdefinieren, aber damit wäre jede Möglichkeit beendet, über das nachzudenken, was einem als Welt erscheint. Der größte Skandal in der Geschichte der Philosophie ist wohl, dass eine große Anzahl derjenigen, die sich selbst zur geistigen Elite zählen, darüber diskutieren, ob es die Welt gibt, während das, was ihnen das Leben ermöglicht, ringsum zerstört wird, wie Karl Popper völlig zu Recht bemerkt.
Fühlen und Denken, ja das SEIN selbst existiert im eigentlichen Sinne des Wortes nur deshalb, weil es etwas darum herum gibt, das üblicherweise "Welt" genannt wird. Das menschliche Sein wird bestimmt, durch das, was den Menschen umgibt. Jeder Mensch ist aber von etwas anderem umgeben. Bei einer Befragung, die nicht an der Oberfläche stehen bleibt, würde man auch feststellen, dass es Unterschiede darin gibt, was als Welt empfunden wird.
Ein Cocktail aus Empfindungen und Sinneseindrücken wird vom Individuum als Grundlage genommen, um dem, was ihm gegenüber geschieht, zu begegnen. Der Ausdruck "lernen" bezeichnet genau diesen Vorgang. Man lernt also bestimmt Dinge und formt sich daraus ein Bild über die Welt, um reagieren zu können.
Obwohl klar zu sein scheint, dass es eine Welt gibt, sieht es dennoch so aus, als ob das, was mit diesem Begriff bezeichnet wird, nicht so allgemeingültig ist, wie es der Name "Welt" vorgaukelt. Es ist auch nicht die Aufgabe des Lebens, allgemein gültige Begriffe zu finden, sondern vielmehr angemessen auf die jeweilige Umwelt zu reagieren. Dadurch ist einerseits erklärlich, woher die Verschiedenheit dieser Weltempfindung stammt. Andererseits bedeutet das aber, dass diese Weltempfindung nur eine Hilfskonstruktion ist. Denn es geht ja nur um die richtige Reaktion, nicht um das vollkommene Bild der Welt, so wie sie ist. Und um zu angemessenen Reaktionen zu kommen, reicht es aus, Zeichen einzelner Segmente aus dieser Welt zu empfangen und zu interpretieren.
Stellen wir uns nun einen hypothetischen außerirdischen Reporter vor. Er kommt von so weit her, dass er nichts über unsere Welt weiß. Da er selbst vollkommen anders ist, kann er sich nur über Aussagen ein Bild darüber machen. Also versucht er über Befragung der Dinge, die er auf der Erde findet, herauszubekommen, was die Welt ist. Nehmen wir weiter an, dass ihm Menschen auf den ersten Blick als die intelligentesten Bewohner der Erde erscheinen würden. Deshalb fängt er bei einzelnen Menschen zu fragen an und trifft dabei zufällig in Mitteleuropa auf eine Großmutter mit ihrem kleinen Enkel.
Als erstes stellt er fest,...