Inhaltsangabe:Einleitung: Die Tarifpolitik steht unweigerlich vor einem bedeutungsvollen Wandel. So hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit seinen Urteilen vom 27. Januar 2010 und 23. Juni 2010 dazu entschlossen, den seit über fünfzig Jahren geltenden, aber seit jeher rechtlich umstrittenen Grundsatz der Tarifeinheit „ein Betrieb – ein Tarifvertrag“ aufzugeben (BAG, Pressemitteilung Nr. 9/10; BAG, Pressemitteilung Nr. 46/10; Völker / Herold 2011: 3f). Damit können in einem Betrieb oder Unternehmen nun unterschiedliche Tarifverträge für die in verschiedenen Gewerkschaften organisierten Arbeitnehmer parallel zur Anwendung kommen. Dies hat zur Folge, dass vor allem Spartengewerkschaften, die einzelne Berufsgruppen vertreten, in ihrer Position gestärkt werden. Denn diese können nun künftig auch dort eigene Tarifverträge durch einen Arbeitskampf erzwingen, wo eine Großgewerkschaft bereits einen Tarifvertrag für die ganze Belegschaft abgeschlossen hat (Völker / Herold 2011: 5). In Folge wurde eine lebhafte Diskussion hervorgerufen. Im Mittelpunkt dieser Diskussion steht dabei neben dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur geänderten Rechtsprechung der Tarifeinheit (BAG, Pressemitteilung Nr. 9/10; BAG, Pressemitteilung Nr. 46/10) die am gleichen Tag nach Bekanntgabe des Urteils veröffentlichte gemeinsame Initiative der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) mit ihrer Forderung nach einer mit Eingriffen in das Streikrecht verbundenen gesetzlichen Verankerung der Tarifeinheit innerhalb des Tarifvertragsgesetzes (Initiative BDA/DGB 2010). Ihr Vorhaben begründen diese vor allem damit, dass nach der Kehrtwende des Bundesarbeitsgerichts zum Grundsatz der Tarifeinheit mit einer erheblichen Zersplitterung der Tariflandschaft sowie einer drastischen Zunahme von Arbeitskämpfen zu rechnen sei (Initiative BDA/DGB 2010). Unterstützung für die gemeinsame Initiative von BDA und DGB gab es vor allem seitens Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU), Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und der SPD-Fraktion (Siems / von Borstel 2011; Sturm 2010). Spartengewerkschaften, wie etwa der Marburger Bund (MB), die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) oder die Gewerkschaft der Flugkapitäne, Vereinigung Cockpit (VC), aber auch mehrere renommierte Arbeits- und Staatsrechtler (Däubler 2010; Reichold 2010; Rieble 2010) reagierten auf die gemeinsame Initiative von BDA und DGB dagegen mit offener, [...]
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