Inhaltsangabe:Einleitung: Seit mehr als drei Jahrzehnten engagieren sich behinderte Menschen und ihre Interessensvertreter, um die Diskrepanz zwischen dem Selbstverständnis sowie den Bedürfnissen behinderter Menschen und dem gesellschaftlichen Umgang mit Behinderung aufzuzeigen. Bis Anfang der 1980er Jahre dominierte die Auffassung, Behinderung sei -äquivalent zu Krankheit und Gesundheit - als Antagonismus der Normalität zu begreifen. Das eingangs angeführte Gedicht soll in diesem Zusammenhang jedoch verdeutlichen, dass sowohl Behinderung, als auch Normalität eine Frage der Perspektive und der Definition sind. Problematisch ist, dass sich das Normalitätskonzept über einen langen Zeitraum in der sozialen und physischen Umwelt manifestieren konnte. Nach dem aktuellen Verständnis von Behinderung werden daher die Begriffe „Beeinträchtigung“ und „Behinderung“ unterschieden, wobei Menschen mit seelischen, körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen erst durch gesellschaftliche Umstände zu „behinderten Menschen“ werden. Eine der größten gesellschaftlich produzierten Barrieren stellt für funktional eingeschränkte Menschen die bauliche und verkehrliche Struktur dar, da diese ihre Mobilität bzw. ihren individuellen „Möglichkeitsraum“ einschränkt. Mobilität ist jedoch eine wichtige Voraussetzung für die Teilnahme am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben und wird als eine der konstitutiven Faktoren unserer Gesellschaft rezipiert. Die Flexibilisierung von Arbeitszeiten und –bedingungen sowie sozialer Lebensverhältnisse, die gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur, ein wachsendes Freizeitbudget sowie die Verteilung der Grunddaseinsfunktionen auf räumlich getrennte Bereiche haben zu einer enormen Steigerung der gewünschten oder erzwungenen räumlichen Mobilität geführt. Es ist beispielsweise kaum mehr vorstellbar, die täglichen Wege mit den Transportmitteln von 1900 erledigen zu müssen. Dafür ist es notwendig, dass sich jeder Mensch weitestgehend unabhängig und ohne besondere Erschwernis in der gebauten Umwelt fortbewegen und orientieren kann. Diese Forderung spiegelt sich in einem Ansatz wider, der in den letzten Jahren verstärkt auch in Europa verfolgt wird und u.a. darauf zielt, die Zugänglichkeit (engl. accessibility) der Städte zu verbessern. Dieser Ansatz löst die Sonderbereiche „Stadtplanung für behinderte Menschen“ bzw. das „alten- und behindertengerechte Bauen“ ab, die – wenn überhaupt – meist erst verspätet in der Planung berücksichtigt [...]
Katja Friebel, Diplom-Geographin, Studium der Geographie, Stadtplanung und Geoinformatik an der HU und TU Berlin sowie an der Université de Provence (Frankreich) mit Abschluss 2007. Arbeits- und Interessensschwerpunkte: Stadt- und Sozialgeographie, GIS.
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