Immer mehr Menschen in Deutschland werden wegen chronischer Erschöpfung arbeitsunfähig geschrieben. Für das Leiden wurde vor nunmehr fast 40 Jahren der Begriff „Burnout-Syndrom“ geprägt. Heute gilt Burnout vor allem als Massenphänomen in der Arbeitswelt. Auf den folgende Seiten wird der Begriff „Burnout“ erklärt und darüber hinaus auf seine Ursachen und Folgen eingegangen.
Begriffsklärung
Das sogenannte Burnout-Syndrom beschreibt einen anhaltenden Zustand körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung. Die ersten Studien zum Burnout wurden in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts von dem deutschstämmigen Psychoanalytiker Herbert Freudenberger in den USA und Kanada durchgeführt (vgl. Maslach, Jackson & Leiter, 1996), der diesen Begriff auch prägte. Anfangs wurde Burnout vor allem mit Arbeitsbelastungen in Berufen der Human Services (z. B. Ärzte, Pflegepersonal, Sozialpädagogen etc.) in Verbindung gebracht. Später dehnten sich die Untersuchungen auch auf andere Dienstleistungsberufe aus. Inzwischen finden sich Burnout Betroffene in nahezu allen Berufsgruppen.
Eine allgemeingültige, einheitliche Definition von Burnout fehlt bislang in der Wissenschaft. In Anlehnung an Jakob (2006) und Maslach & Leiter (2001) lässt sich Burnout als anhaltende, auf die Arbeit bezogene negative psychische Verfassung beschreiben, die zuerst durch chronische Erschöpfung und Erholungsunfähigkeit gekennzeichnet ist. Nach der ICD-10 wird Burnout nicht als eigenes Krankheitsbild gelistet, sondern nur in die Diagnosegruppe „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ eingeordnet. Es handelt sich beim ‚Burnout‘ somit um keine Erkrankung im klassischen Sinne, sondern um eine sich prozesshaft entwickelnde Beanspruchungsreaktion, die sich z. B. in anhaltender Emotionsarmut, reduzierter Arbeitsmotivation und Arbeitsleistung sowie einem zynischen und abgestumpften Verhalten anderen Menschen gegenüber auswirkt und mit einem Zustand totaler Erschöpfung einhergeht (vgl. Uhle & Treier, 2011).
Unabhängig davon, ob man nun den Begriff Burnout verwenden möchte oder darauf verzichtet, geht es für Unternehmen um die Frage, wie sich angesichts alarmierender Zahlen von Seiten der Krankenkassen die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter dauerhaft aufrecht erhalten lässt und welche Warnsignale mit einem drohenden Burnout verbunden sind. Obwohl jeder Mensch Burnout auf eine individuelle Art und Weise zum Ausdruck bringt, finden sich dennoch einige charakteristische Symptome. Burnout-Betroffene fallen durch hastiges und ungeduldiges Verhalten auf. Sie ziehen sich zunehmend zurück und reagieren mit Gereiztheit. Häufig kommt noch ein Suchtverhalten (Rauchen, Alkohol- und/oder Medikamentenkonsum) sowie Schlafmangel bzw. Schlafentzug hinzu. Aufgrund der zunehmenden Desorientierung und dem Verlust von Organisationsfähigkeit, verlieren Burnout-Betroffene den Überblick, können Termine und Absprachen nicht mehr einhalten, was wiederum zu Unzufriedenheit, Versagensgefühlen, Frustration und Hilflosigkeit führt. Einige Wissenschaftler stellen heraus, dass es sich beim Burnout um einen langsamen und schleichenden Entwicklungsprozess handelt und deshalb häufig für die Betroffenen, Kollegen und Vorgesetzten unbemerkt bleiben kann (vgl. Jakob 2006). Im folgenden Kapitel werden die Ursachen von Burnout beschrieben.
Ursachenforschung
Die Forschung streitet sich immer noch über die möglichen Ursachen des Burnout-Syndroms. Somit existieren verschiedene Erklärungsmodelle für das Entstehen psychischer Belastungen im Berufsleben (vgl. Riegel / Schlichtmann 2011):
Wandel der Arbeitsstrukturen: Dr. Anja Gerlmaier vom Institut für Arbeit und Qualifikation an der Uni Duisburg-Essen beschreibt die sich seit Mitte der 80er-Jahre vollziehenden tief greifenden Umbruchprozesse in unserer Arbeitswelt. In vielen Unternehmen wurden Personalabbauprogramme und Rationalisierungsstrategien durchgeführt, um die Wettbewerbsfähigkeit angesichts einer globalisierten Ökonomie zu sichern. Die Schattenseiten dieser Maßnahmen zeigen zeigen in Form wachsender Arbeitsverdichtung und Arbeitsplatzunsicherheit (vgl. Gerlmeier/Latniak 2010, Zink 2010). Dies geht mit einer kontinuierlichen Steigerung von Stress- und Erschöpfungserleben unter den Beschäftigten einher (vgl. Gerlmeier & Latniak, 2010). Auch Zink (2010) erörtert die gesundheitlich bedenklichen Folgen einer zunehmenden Dynamik der Märkte:
Auch die neueren Konzepte der Gruppen-, Team- und Projektarbeit (vgl. Zink 2010) bergen Risikofaktoren. Sie fördern zwar die Identifikation mit der Arbeitsaufgabe und einer sozialen Einheit. Allerdings sehen einige Wissenschaftler im Zusammenbruch der Gemeinschaft am Arbeitsplatz eine wesentliche Ursache für die Entwicklung psychischer Erkrankungen, denn ein eingespieltes Team von vertrauten Kolleginnen und Kollegen kann Arbeitsstress teilweise abfedern. Ein gutes Sozialklima ist somit eine Ressource gegen Burnout. In vielen Betrieben ist jedoch der ständige Wechsel der Normalfall. Für rasch wechselnde Aufgaben werden immer neue „Teams“ aus wechselnden Personen gebildet. Die modernen „Team-Player“ sind geradezu aufgefordert, von bisherigen Kooperationen abzurücken (Hien 2008). Der Verlust von kollegialem Austausch, dauernde Konkurrenz zwischen „Einzelkämpfern“ und die steigende Tendenz zur Isolation begünstigen Burnout.
Aufgabenbezogene Ursachen: Hohe Arbeitsbelastung, Termindruck, geringe Gestaltungsspielräume, die Verdichtung der Arbeitsaufgaben, zunehmende Komplexität beispielsweise durch den technischen Fortschritt sowie gestiegene interaktive Anforderungen (z. B. im Dienstleistungssektor) bei gleichzeitigem Fehlen von Erholungsphasen werden für die Zunahme von Burnout-Erkrankungen verantwortlich gemacht (vgl. Zink 2010). Ebenfalls belastend wirken ständig wechselnde bzw. neue Aufgaben sowie das gleichzeitige Erledigen verschiedener Aufgaben in Form des sogenannten „Multitaskings“ (vgl. Lohmann-Haislach et al. 2012). Unter arbeitswissenschaftlichen Gesichtspunkten sind diese Entwicklungen nicht grundsätzlich schädlich, da die Bearbeitung vielschichtiger und neuer Aufgaben durchaus auch persönlichkeits- und lernfördernde Aspekte beinhaltet. Probleme ergeben sich aber dann, wenn die Arbeitsinhalte mit einer konstant hohen Arbeitsintensität, mangelnder Qualifikation und/oder häufiger Unterbrechungen verbunden sind (vgl. BAuA 2011).
Aufweichen der Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben: Weitere Erklärungsfaktoren richten sich auf Faktoren, die die soziale Einbettung von Mitarbeitern gefährden und somit gleichzeitig auch belastend wirken. Die Rede ist hier von einem zunehmenden Aufweichen der Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem aufgrund der ständigen Erreichbarkeit, wechselnde Arbeitgeber, Arbeitsbefristungen und alternierende Arbeitszeiten. „Informations- und Kommunikationstechnologien führen zu einer Arbeitsmöglichkeit „at any place and any time“. Die damit nicht selten verbundene permanente Erreichbarkeit führt allerdings in der Konsequenz auch zur Auflösung der Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben.“ (Zink 2010, 4).
Arbeitsplatzbezogene Faktoren: Riegel und Schlichtmann (2011) führen arbeitsplatzbezogene Ursachen wie Gratifikationskrisen, fehlende Wertschätzung und psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz an. Hohe körperliche und psychische Belastungen im Beruf, verbunden mit geringer Wertschätzung, Entscheidungs- und Handlungsspielraum, kann die Entstehung von Burnout begünstigen (vgl. Schweitzer 2011).
Individuelle Konstitution: Auch bestimmte Persönlichkeitszüge wie ein sehr hoher Leistungsanspruch, Ehrgeiz, eine verminderte Fähigkeit zur Stressbewältigung, eine geringe Frustrationstoleranz und der Wunsch nach Lob und Anerkennung zur Selbstwertsteigerung begünstigt die Entwicklung einer psychischen Überlastungsstörung (vgl. Schröder 2011).
Die 2011 durchgeführte Repräsentativumfrage der DGB-Index Gute Arbeit GmbH liefert aktuelle Zahlen zum Ausmaß von Arbeitsbelastungen (vgl. DGB-Index Gute Arbeit GmbH 2012): Mehr als die Hälfte der befragten Beschäftigten geben an, dass sie ihre Arbeit sehr häufig oder oft gehetzt und unter Zeitdruck erledigen müssen. Stress wird somit zum täglichen Begleiter. Die Arbeitsintensivierung und Leistungsverdichtung nimmt nach Angabe von 63 Prozent der Befragten kontinuierlich zu. Viele Beschäftigte sind auch in ihrer Freizeit für betriebliche Belange erreichbar (27 Prozent), wodurch die zeitlichen und die räumlichen Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben aufweichen und teilweise vollständig aufgehoben werden. Ein weiteres Ergebnis war, dass jeder siebte Beschäftigte in Deutschland sehr häufig Arbeitsaufgaben außerhalb der Arbeitszeit erledigt. Die Gründe dafür finden sich u .a. im Erwartungsdruck von Vorgesetzten, der Angst um den Arbeitsplatz oder der Hoffnung auf bessere Aufstiegschancen. Insgesamt fällt es 34 Prozent der Beschäftigten schwer, nach der Arbeit abzuschalten. 20 Prozent der Beschäftigten leisten 10 und mehr Überstunden pro Woche, für 32 Prozent beträgt die geleistete Wochenarbeitszeit 45 und mehr Stunden. Nur bei 30 Prozent der deutschen Arbeitnehmer entspricht die vertraglich vereinbarte Zahl der Arbeitsstunden den tatsächlich geleisteten. Bedenklich ist das Ergebnis, dass dort, wo Überstunden gemacht wird, die Arbeitshetze besonders groß ist. Lang anhaltender und/oder nicht bewältigter Arbeitsstress mangels...