Schamanische Heilung und Schutz
Der Schamanismus entstand vor über 40 000 Jahren in der äußersten rechten Ecke unserer Landkarte, ganz weit oben in Sibirien. Dieses Gebiet ist geradezu prädestiniert für die Entwicklung paranormaler Fähigkeiten. Dazu muss man sich vorstellen, dass es dort ein halbes Jahr lang ziemlich dunkel ist, Eis und Schnee bedecken das Land die meiste Zeit über. Die Menschen, die hier leben, können nicht mal schnell ein paar Straßen weiter gehen, um einen Arzt oder eine Apotheke aufzusuchen, wenn sie krank sind. Auch in anderer Hinsicht, was beispielsweise die sie umgebende Natur und die Ernährung betrifft, sind sie mehr als eingeschränkt. Sie wurden von diesen schwierigen Umständen geradezu dazu gedrängt oder gar gezwungen, besondere Methoden zu entwickeln, mit denen Kranke geheilt, Schwache geschützt und Unglückliche psychisch aufgebaut werden konn- ten. So bildeten sich kleine Gruppen von besonders begabten Personen, Männern wie Frauen, die die Fähigkeit besaßen und weiterentwickelten, in Trance in das Kör- perinnere hineinzusehen, um festzustellen, was die Ursache für eine Gesundheitsstörung sein konnte. Waren es Geister, negative Emotionen von anderen Stammesmitgliedern oder parasitäre Eindringlinge, die den Kranken quälten? Je nach Diagnose nahmen sie Kontakt mit den Natur- und Tiergeistern auf und fragten sie, ob der Patient sie etwa mit einer Handlung verärgert hatte und ob sie ihre Hilfe zur Heilung anbieten konnten. Noch heute leben im dortigen Gebiet Schamanen, die nach den altüberlieferten Zeremonien arbeiten, um Schaden von ihren Patienten abzuwenden und sie zu schützen.
Manche werden sich fragen, weshalb sich auch bei uns, hier und heute, Menschen für eine schamanische Behandlung interessieren und weshalb diese Art der Behandlung so gefragt ist. Daher ist es mir ein besonderes Anliegen, an mein zentrales Thema »Schamanische Heilung« anzuknüpfen, zu dem ich bereits ein gleichnamiges Buch veröffentlicht habe. Heilung und Schutz gehören aus meiner Sicht und nach meinen praktischen Erfahrungen eng zusammen. Krank wird man nur durch zwei Dinge: durch interne Faktoren wie die Gene und durch äußere Einwirkungen wie Stress, Keime, ungünstige Lebensweise, Gewalt sowie energetische und mentale Angriffe von anderen Personen. Ein Mensch, der sich energetisch angegriffen weiß, ist auch dann nicht gesund, wenn die Schulmedizin keinen genauen Befund erheben kann. Daher gehört es für mich zu einer Behandlung immer dazu, dem Betreffenden ein schützendes Feld mitzugeben, in dessen Rahmen er wirklich gesund werden kann. Wie ich das entdeckte, will ich hier kurz schildern.
Ein energetischer Angriff auf das Herz
Es ist tatsächlich so, dass ein Schamane beim Blick in den Organismus seines Patienten etwas sehen kann, das sich medizinisch nicht erklären lässt. Bei den Inuit sind das ihrer Kultur entsprechende Symbole – Geistwesen, Speere, angriffslustige oder verstimmte Tierwesen –, die alle Hinweise auf eine Erkrankung oder einen Angriff geben können. Die dortigen Schamanen wissen um die Bedeutung dieser Zeichen und richten ihre Rituale und Zeremonien danach aus.
Als ich selbst das erste Mal so etwas erlebte, fühlte ich mich noch sehr unsicher und zweifelnd, denn auf eine solche Erfahrung war ich nicht vorbereitet. Damals arbeitete ich viel mit einer schamanischen Technik, die Body Check genannt wird. Verständlicher ausgedrückt bedeutet das, einen Röntgenblick in den Körper hineinzuwerfen. Man berührt dabei die Person am Arm und begibt sich in Trance auf eine schamanische Reise in ihren Körper hinein, um die inneren Organe, das Muskel- und Skelettsystem zu beurteilen. Das funktionierte bei mir sehr gut. Dadurch konnte ich zuverlässige Informationen und Ratschläge weitergeben und den Betreffenden eventuell eine ärztliche Behandlung empfehlen, wenn die Zeichen dafür sprachen.
Eines Tages entdeckte ich zum ersten Mal etwas, das nichts mit einem Organ zu tun hatte. Eine Dame, die unter merkwürdigen Herzbeschwerden litt, war zum Body Check in die Praxis gekommen. Das Erste, was ich sah, waren Diphtherienarben auf ihrem Herzen, also einen medizinischen Befund. Sie bestätigte mir auch, diese Erkrankung als Kind gehabt zu haben. So weit war noch alles im Rahmen, aber dann nahm ich eine korpulente, weißhaarige Frau wahr, die auf dem Herzen meiner Patientin hin und her lief und eifrig mit einer Nadel an verschiedenen Stellen ins Fleisch stach. Das gehörte nun wirklich nicht hierher. Ich konzentrierte mich stärker und wiederholte die Reise mehrmals, aber das Bild blieb, obwohl es offensichtlich nicht in die menschliche Anatomie gehörte. Also vermutete ich den Fehler bei mir und meiner mangelnden Konzentration. Anscheinend waren irgendwelche Bilder, die ich einmal in den Medien gesehen oder geträumt hatte, aus meinem Sehhirn ins Bewusstsein gedrungen. Da half es leider nur, die Sitzung zu vertagen. Eine Woche später war die Dame wieder in München, und ich hatte die erneute Gelegenheit, in ihren Körper hineinzusehen.
Meine Enttäuschung war groß, denn wiederum bot sich mir derselbe Anblick. Doch diesmal hatte ich die starke Empfindung, dass die Frau mit der Nadel die Mutter der Patientin sein könnte, die ihre Tochter mit verletzenden Bemerkungen quälte und abwertete. Als ich ihr das Gesehene schilderte, fing sie an zu weinen und sagte, das sei schon ihr Leben lang so. Was auch immer sie tat, es war vergeblich, denn ihre Mutter zog stets den älteren Bruder vor und erkannte sie, ihren Beruf und ihre Arbeiten nicht an. Im Gegenteil, sie verletzte sie mit hässlichen Aussagen und Kommentaren. Dazu muss man sagen, die Patientin arbeitete als Universitätsprofessorin und hatte große wissenschaftliche Erfolge.
Hier war in der Tat etwas anderes als »nur« eine Diagnose gefragt, ich musste noch ein Zusätzliches tun, um dieses Bild im Zellgedächtnis zum Verschwinden zu bringen. Da ich wusste, dass es unsinnig ist, dem häufigen Wunsch der Patienten zu folgen und eine Belastung einfach »wegzumachen«, suchte ich in meinem schamanischen Repertoire nach einer Lösung. Und schließlich konnte ich mit einem gemurmelten Zauberspruch die Verletzungen der Mutter am Herzen meiner Klientin in eine andere, eine positive Energie umwandeln, sodass die Belastung verschwand. Die Patientin spürte augenblicklich einen belebenden Wärmeschub und fühlte sich wie befreit. Und sie wurde anschließend tatsächlich gesund, innerhalb der nächsten Wochen besserten sich ihre Beschwerden. Auch konnte sie weitere abwertende Äußerungen ihrer Mutter an sich abgleiten lassen, ohne dabei einen seelischen Schmerz zu empfinden.
Der Beginn eines neuen Weges
Dies war ein Schlüsselerlebnis, das meine Auffassung von Gesundheit und Krankheit und auch meine schamanische Arbeit entscheidend beeinflusste. Diese Frau litt nämlich offensichtlich weniger unter organisch bedingten Herzschmerzen als unter den seelischen Schmerzen, die ihre Mutter ihr seit Jahrzehnten zufügte. Vielleicht war es aber auch so, dass ihr durch Diphtherie vorgeschädigtes Herz unter den Sticheleien der Mutter besonders stark gelitten hatte.
Für mich aber war klar, dass sich hier ein neuer Kosmos im Körper des Menschen auftat! Es war anscheinend möglich, dass die Zellen sich bestimmte Erlebnisse merken konnten und eine Art Gedächtnis hatten. Und Wohlbefinden und Heilung traten nicht nur ein, wenn dem Körper geholfen wurde, sondern vor allem dann, wenn das Zellgedächtnis von den psychischen Erlebnissen befreit wurde, die es belastet hatten.
Unter dem Eindruck dieser Erfahrung konnte ich im Verlauf einiger Jahre meine ganz besondere Art schamanischer Heilbehandlung entwickeln, die ich auch heute noch praktiziere.1 So erlebte ich an vielen Patienten, dass eine leidvolle Prägung im Zellgedächtnis nicht jedes Mal auf verdrängte Erlebnisse hindeutete. Nein, es schien mit diesen belastenden Erfahrungen vielmehr so zu sein wie mit einer körperlichen Narbe, die zum Beispiel von einer Blinddarmoperation herrührte: Das Geschehen war schon lange verarbeitet und vergessen, aber die Narbe konnte man noch Jahrzehnte später mehr oder weniger stark sehen. Und ebenso wie manche Operationsnarben ein Störfeld im Körper auslösen, lösen auch manche psychischen Narben Unbehagen oder Gesundheitsstörungen aus, selbst wenn der Anlass schon weit zurücklag.
Mein neues Konzept wurde von einigen Schulmedizinern aufgegriffen, die daran interessiert waren, hinter die feinstofflichen Ursachen von unterschiedlichen Erkrankungen bei ihren Patienten oder bei sich selbst zu kommen. Sie baten mich, einige Personen, bei denen ihre medizinische Behandlung nicht anschlug, schamanisch zu durchleuchten, um auf diese Art und Weise herauszufinden, weshalb sie nicht weiterkamen und welche anderen Gründe hinter den Beschwerden steckten. Und so bekam ich viele, viele Male die Chance, unter schulmedizinischer Aufsicht schamanisch zu behandeln. Daher kann ich heute auf lange Jahre eines fruchtbaren Austauschs mit denjenigen unter den Ärzten blicken, die solchen unsichtbaren Dingen gegenüber aufgeschlossen waren. Aufgrund der Erfahrungen, die ich damit machte, habe ich eine große Sicherheit gewonnen und weiß, dass sich Schulmedizin und naturheilkundliche oder eben speziell schamanische Therapien und Methoden sehr gut ergänzen können. Den Kranken kommt das sehr zugute, und als Therapeut kann man nur daraus lernen. Es gibt so viele Auslöser, die die Gesundheit eines Menschen beeinträchtigen können. Und um sie soll es im nächsten Kapitel...