Die moderne Biomedizin ist ein Wissenschaftsfeld, dass wie bereits die Darlegung der naturwissenschaftlichen Zusammenhänge im Bereich der Gentechnologie und der Embryonenforschung angedeutet hat, eine Vielzahl an ethischen Fragestellungen aufwirft.
Die Zielsetzungen der verschiedenartigen biotechnologischen Verfahren sind zwar grob umrissen, doch ist deren Realisierbarkeit immer noch fragwürdig. Wie der Theologe und Philosoph Dietmar Mieth anmerkt, wächst überall wo unser Können und Wissen zunimmt auch unsere Einsicht in das Nichtwissen und Nichtmachbare.[43]
Die Betrachtung des menschlichen Lebens aus logisch naturwissenschaftlicher Sicht lässt leicht die Versuchung aufkommen, den entstehenden Embryo in frühem Entwicklungsstadium in materialistischer Weise als eine Ansammlung von Zellen zu definieren. Betrachtet man das Verhältnis welches ein Embryo gegenüber den Medizinern einnimmt stellt man fest, dass die Mediziner den Embryo als Objekt in ihrer Hand haben, und dieser der Verfügungsgewalt anderer Menschen ausgesetzt ist. [44]Zwangsläufig stellt sich aus einer ethischen und moralisch begründeten Sichtweise die Frage nach dem Zeitpunkt des Beginns menschlichen Lebens und seiner uneingeschränkten Schutzwürdigkeit aufgrund der Würde der Person.
Eine Begründung des immensen Konfliktpotentials der modernen Biomedizin liegt in den unterschiedlichen Interessen und Zielsetzungen der einzelnen Beteiligten an der Debatte begründet, die auf deren verschiedenen Perspektiven basieren. Die Medizin und Biotechnologie hat ein naturwissenschaftliches Forschungsinteresse, erkrankte Personen wiederum setzen Hoffnungen in den Fortschritt der wissenschaftlichen Forschung, die zu einer Verbesserung der persönlichen Lebenssituation führen könnte. Strikt theologisch argumentierende Menschen wie der Theologe Ulrich Eibach könnten eine schon beim Embryo existierende Beseelung des Menschen proklamieren und darauf verweisen, dass jeder Mensch eine Gottesebenbildlichkeit besitzt.[45] Da sich nach Römer 8,19ff zu urteilen die Gottesebenbildlichkeit jedes Menschen nach einer Vollendung sehnt und diese aber zu Lebzeiten auf Erden selbst für Menschen dessen Leben von Leiden mitbestimmt ist nur fragmentarisch realisierbar ist[46] müsste zwangsläufig das Prinzip der Gottesebenbildlichkeit in einer vereinfachten christlichen Sicht auch auf den Embryo angewendet werden. Begreift man den Gegenstand der Ethik als den der Frage nach er Richtigkeit menschlichen Handelns, das einem praktischen Sollen genügt und zugleich eine allgemeine Verbindlichkeit zum Ausdruck bringt[47]), ist es unabdingbar, das Beziehungsgeflecht des Embryos zum Menschen als Einzelperson und zur Gesamtgesellschaft zu beleuchten.
Es stellt sich zwangsläufig die zentrale Frage nach dem Status des Embryos als Mensch sowie nach der der ihm zuteil werdenden Würde der Person. Bedenkt man die Tatsache, dass es dem Menschen erst im Jahr 1827 gelang, die weibliche Eizelle zu entdecken und die Verschmelzung des männlichen Samens mit der weiblichen Eizelle erst im Jahr 1875 beobachtet werden konnte,
lässt sich nachvollziehen, dass die ethischen Fragestellungen nach dem Status des Embryos im Verlauf der Wissenschaftsgeschichte erst vergleichsweise kurzfristig aktuell geworden sind.[48]
Erst seitdem die Biotechnologie in den vergangenen Jahren immense Forschungsfortschritte aufweisen konnte stellt sich die rechtliche und moralische Frage nach dem Umgang mit der modernen Biomedizin akut. Lange Zeit wurden die Forschungsgegenstände der Biomedizin bloß als Zukunftsvision betrachtet und von manchen Menschen sogar in die Rubrik der Utopien eingeordnet. Da sich seit einigen Jahren aber auch die Rechtswissenschaften mit der Thematik der modernen Biomedizin befassen, und dringend allgemeingültige gesetzliche Vorschriften erforderlich sind, hat auch der ethische Diskurs zu dieser Thematik an Intensität gewonnen und auch zu einer Darstellung durch die Volksmedien geführt.
Noch vor Jahrzehnten waren Verfahren wie die Präimplantationsdiagnostik, die künstliche Befruchtung durch In-Vitro-Fertilisation, das Klonen oder auch Gentherapie undenkbar. Die biologische Entwicklung des Menschen war von der Zeugung über die Geburt bis hin zum Tod des Menschen fast ausschließlich durch die Gesetzmäßigkeiten der Natur vorgegeben. Durch die wissenschaftlichen Errungenschaften der vergangenen Jahre hat sich diese natürliche Ordnung grundlegend verändert und der Mensch erhält durch die zunehmende Technisierung und den immensen Zuwachs an Wissen in unserer Gesellschaft vermehrt die Möglichkeit, in den natürlichen Kreislauf des Lebens einzugreifen. Da sich die althergebrachte und in Kultur und Normen manifestierte Grenze zwischen Natur und Technik mehr und mehr verschiebt, sind zwangsläufig juristische Regelungen und den Umständen angepasste allgemeingültige moralische Normen erforderlich, die den Bereich der Biotechnologie umfassen. Es stellt sich die Frage, was überhaupt ursprüngliche Natur ist oder ob vieles was mit dem Wort Natur gemeint ist bereits durch frühere Kulturen des Menschen beeinflusst wurden. [49]
Der wohl eindeutigste Klärungsbedarf besteht in der embryonenverbrauchenden Forschung, bei der Embryonen als reine Objekte behandelt werden, und diesen unter anderem zum Zweck der Gewinnung von Stammzellen ihre Existenz und somit all ihre weitere Entwicklungsmöglichkeiten genommen wird. Die Ambitionen der Forscher durch die Kultivierung von Stammzellenlinien die Forschung im Bereich des therapeutischen Klonens weiterzuentwickeln und schließlich einmal zu der Fähigkeit zu gelangen, Eigengewebe zu züchten und Organe im Labor heranreifen zu lassen ist eindeutig auf den Nutzen erkrankter Menschen ausgerichtet, die ebenfalls ein Recht auf möglichst umfangreiche medizinische Versorgung besitzen. Allerdings können Teile der Forschung einen Charakter des Selbstzweck an sich entwickeln oder aber übereifrige Forscher versuchen ihre selbstfixierten utopischen Vorstellungen zu realisieren. Obwohl oder gerade weil der Beweggrund der Forschung die Förderung der Gesundheit der Gesellschaft und einzelner Menschen ist, ist es notwendig, den Status des Embryo als Mensch zu untersuchen, dessen Würde als Person näher zu charakterisieren und dessen mögliches uneingeschränktes Lebensrecht zu definieren. Zur Bestimmung der Würde der Person des Embryo sind verschiedene philosophische, moralische und nicht zuletzt theologische Argumente anzuführen, so dass schließlich die Rechte des Embryo eine näher zu erfassende Gestalt erhalten.
Auch die Präimplantationsdiagnostik und die In-Vitro-Fertilisation als an die Embryonenforschung im engeren Sinne angrenzenden Teildisziplinen bergen ein ethisches und moralisches Konfliktpotential welches mit dem Begriff der Würde der Person in Verbindung steht. Die Präimplantationsdiagnostik sowie die Entnahme von Fruchtwasser zum Zwecke der Untersuchung des Genoms dienen als Verfahrensweisen primär der Diagnose von Schädigungen der Gensequenz des Embryos.
Oftmals werden diese Diagnosetechniken angewendet um aufgrund eines negativen Befundes in der Genstruktur die Möglichkeit eines Nichteinsetzens eines gezeugten Embryos in die Gebärmutter oder das Abtreiben eines heranwachsenden Kindes zu erörtern. Auch in diesem Fall entscheiden die werdenden Eltern in Kooperation mit Medizinern über den Fortbestand des Embryos beziehungsweise des heranwachsenden Kindes. Erneut ist eine Betrachtung des werdenden Menschen als reines Objekt gegeben, wobei zu erörtern ist, ob nicht auch Eltern im Hinblick auf ihre Verantwortung für das Kind und nicht zuletzt für ihre eigene Person, oder aber Wissenschaftler mit der Zielsetzung eine möglichst optimale medizinische Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, ein Recht und Interesse besitzen, über den Fortbestand eine Embryos zu entscheiden.
Entsprechend zeigt sich deutlich, dass all die genannten Themenfelder eng mit der Definition des Menschen von Gesundheit und dem Umgang mit Krankheit verbunden sind, so dass beinahe die Illusion erzeugt wird, Krankheit sei generell besiegbar und als Ware zu kaufen.[50] Im weiteren Sinne ist auch die Anwendung des reproduktiven Klonens durch den Wunsch motiviert, einen Menschen zu zeugen, der bestimmte als positiv bewertete Eigenschaften aufweist und somit unerwünschte Erbfaktoren zu eliminieren. Dementsprechend stellt sich auch hier die ethische Frage nach dem Umgang mit Merkmalen wie Krankheiten oder Schwächen[51], die teilweise bloß durch den Vergleich mit idealisierten Menschen innerhalb der Gesellschaft die negative Bewertung zugesprochen bekommen.
Um das Konfliktpotential in der Biotechnologie auch in deren Beweggründen zu analysieren, ist es notwendig, auch die Frage nach der Motivation der Forschung und Anwendung zu stellen, sowie zu hinterfragen, ob nicht bereits in diesen Zielsetzungen in Wahrheit ein Teil der Ursache des Konfliktes begründet ist, die auch auf das mögliches Ziel jegliche Form von Krankheit zu eliminieren angewendet bezogen werden muss.
Ein weiteres Inhaltsfeld der Debatte um die Biomedizin sind deren unabsehbare Risiken für die gesamte Gesellschaft durch unkontrollierte Folgen der Anwendung. Es ist...