Die der Diskussion des nordamerikanischen Freihandelsabkommens vorausgehende Beschäftigung mit der reinen Außenhandelstheorie soll den Leser mit den grundlegenden Gedanken der theoretischen Modelle vertraut machen. Weit entfernt vom Anspruch einer umfassenden, kritischen Analyse der angeführten Modelle wird vielmehr das Ziel verfolgt, ein Grundverständnis von der Funktion und Sinnhaftigkeit des Außen- und Freihandels zu erzeugen.
Dabei sind die Modellannahmen der reinen Theorie nicht vorbehaltlos auf das reale Wirtschaftsgeschehen im nordamerikanischen Handelsraum zu übertragen, da den Überlegungen vereinfachende Annahmen und idealtypische Ausgangsbedingungen zugrunde liegen.[2]
Einleitend soll der Frage nachgegangen werden, welche Motive Staaten in ihrem Streben nach Wohlfahrtsgewinn dazu veranlassen, Außenhandel zu betreiben?
Der Import von Gütern wie z.B. Agrarprodukten oder Rohstoffen kann aufgrund klimatischer oder geologischer Gegebenheiten, die die Herstellung im Inland unmöglich machen, nötig sein. Aber auch Industrieprodukte können wegen niedrigen technischen Wissens und geringen industriellen Entwicklungsstandes nicht verfügbar sein.
Außenhandel kann aber auch durch Preisdivergenzen zwischen derselben im In- und Ausland angebotenen Ware hervorgerufen werden. Der Import von Waren aus dem Ausland erscheint aber nur dann als lohnend, wenn der Preisvorteil nicht durch Transportkosten und Zölle aufgehoben wird.
Unabhängig von Preisüberlegungen kann Außenhandel auch in dem Wunsch nach Produktdifferenzierung begründet sein. So führt dies zu intraindustriellem Handel, wenn Waren derselben Gütergruppe, bedingt durch unterschiedliche Konsumentenpräferenzen, exportiert und importiert werden.[3]
Des Weiteren sei Adam Smith als renommierter Vertreter der klassischen Außenhandelstheorie angeführt, der durch den Ansatz der absoluten Kostenvorteile nachwies, dass Länder vom Handel miteinander profitieren, wenn sie absolute Vorteile bei der Produktion der gehandelten Güter besitzen.
Durch die Spezialisierung auf die Fertigung der Ware, in der das jeweilige Land die höhere Arbeitsproduktivität aufweist und den Tausch gegen andere benötigte Güter im Ausland, ergibt sich ein Konsumzugewinn für alle beteiligten Länder.[4]
Das Prinzip der absoluten Kostenvorteile stößt allerdings an seine Grenzen, wenn der Versuch unternommen wird, zu erklären, welche Vorteilhaftigkeit für ein Land im Außenhandel liegt, das jedes benötigte Produkt kostengünstiger als andere Länder herzustellen vermag.
Dass Außenhandel jedoch auch für solche Staaten sinnvoll erscheint, soll im folgenden Kapitel nachgewiesen werden.
David Ricardo stellte Anfang des 19. Jahrhunderts mit seinem Modell der komparativen Kostenvorteile einen Ansatz vor, der das Zustandekommen von Außenhandel auch bei Abwesenheit absoluter Kostenvorteile erklären konnte.
Ricardo wies nach, dass auch ein Land welches sämtliche Produkte effizienter als das Ausland produzieren kann, von internationalem Handel profitiert. Entscheidend ist die Produktionsspezialisierung auf Güter, in denen das jeweilige Land komparative Vorteile aufweist.[5] Da nur begrenzte Ressourcen zu Verfügung stehen, ist die Produktion von Waren, welche im Vergleich mit dem Ausland komparative Nachteile mit sich bringen, zu minimieren und der Bedarf durch Importe zu decken.[6] Gemessen werden kann der komparative Vorteile in der Produktion eines Gutes anhand der Opportunitätskosten, die durch den Verzicht auf die Herstellung anderer Waren entstehen. Ein fiktives Beispiel in Anlehnung an Ricardos berühmten Vergleich der Produktion von Wein und Tuch in England und Portugal soll dies verdeutlichen.
Abb. 1: Produktionskosten in Arbeitseinheiten
Quelle: Weeber, 2011, S. 80 (verändert).
Auch wenn Land B absolut gesehen in der Produktion beider Güter Vorteile besitzt, lohnt sich aufgrund der komparativen Kostenunterschiede der Import von Mais.
Abb. 2: Berechnung der komparativen Kosten
Quelle: Weeber, 2011, S. 80 (verändert).
Indem die Produktionskosten für ein Gut in Einheiten des jeweils anderen Gutes dargestellt werden, kann aufgezeigt werden, dass Land B einen Kostenvorteil in der Fertigung von Autoradios und Land A in der Produktion von Mais aufweist.[7]
Da sich Ricardo in seinen Überlegungen auf den Produktionsfaktor Arbeit beschränkt, führt er das Entstehen von komparativen Kostenvorteilen lediglich auf die unterschiedliche Arbeitsproduktivität der Länder bei der Fertigung bestimmter Waren zurück. Auch wenn der Beitrag Ricardos zur Weiterentwicklung der Außenhandelstheorie nicht hoch genug einzuschätzen ist, mehren sich doch kritische Stimmen, die die Vernachlässigung von Faktoren wie z. B. der Arbeitslosigkeit oder des technischen Fortschritts beklagen.[8]
Ricardo geht von vollständiger Mobilität des Faktors Arbeit im Inland aus und vernachlässigt bei der Produktionsumstellung auf vorteilhafte Güter einen eventuell abweichenden Arbeitskräftebedarf sowie ein mögliches Unvermögen oder eine mangelnde Bereitschaft der Arbeitskräfte, die neue Situation anzunehmen.
Die Behandlung des Heckscher- Ohlin- Modells als „Herzstück der Außenhandelstheorie“[9] ist unerlässlich, um die theoretischen Grundlagen des Handels zwischen den USA und Mexiko als klassische Vertreter einer Nord- Süd- Kooperation zwischen einem Industrie- und einem Schwellenland zu verdeutlichen. Die wesentlichen Kernaussagen des Heckscher- Ohlin- Modells sollen durch die Erläuterung des Faktorproportionen- sowie des Faktorpreis-ausgleichstheorems wiedergegeben werden. Auf eine Darstellung der weiterführenden Überlegungen von Rybcynski und Stolper- Samuelson wird in dieser Arbeit verzichtet.
Nachdem sich das vorige Kapitel mit komparativen Kostenvorteilen beschäftigt hat, soll nun nachvollzogen werden, dass Kostendivergenzen neben unterschiedlich ausgeprägter Arbeitsproduktivität auch in einer ungleichen Ausstattung mit Produktionsfaktoren begründet sein können.
Eli F. Heckscher und Bertil Ohlin verfolgen mit ihrem Modell die Theorie, dass ein Land vorrangig jene Güter produziert und exportiert, die seiner natürlichen Faktorausstattung entsprechen und ihm damit Kostenvorteile gegenüber anderen Ländern einbringen. Das Heckscher- Ohlin- Theorem geht davon aus, dass die Ausstattung der Länder mit den Faktoren Arbeit, Boden und Kapital variiert und voneinander abweichende Güterpreise auf diese Unterschiede zurückzuführen sind.[10] Entscheidend ist festzuhalten, dass lediglich der relative Reichtum an Faktoren betrachtet wird und absolute Größen keine Beachtung finden.[11] Ebenso wie von Ricardo die Differenzen in den Arbeitsproduktivitätsrelationen in den Vordergrund gestellt wurden, konzentrieren sich Heckscher und Ohlin nun auf die Unterschiede in den Faktorproportionen. Stellt man exemplarisch einem Land A, das in hohem Maße über den Faktor Arbeit verfügt, ein Land B gegenüber, welches reichlich mit Kapital ausgestattet ist, so erscheint es sinnvoll, dass Land A sich auf die Herstellung des arbeitsintensiven Gutes 1 (Kinderspielzeug) spezialisiert, wohingegen Land B die Produktion eines kapitalintensiven Gutes 2 (Medizintechnik) bevorzugen wird. Land A kann relativ mehr von Gut 1 produzieren und Land B hat im Gegenzug einen relativen Vorsprung in der Herstellung des Gutes 2.[12]
Ein Export der Güter nach Deckung der Inlandsnachfrage hätte einen Wohlstandszuwachs für alle Beteiligten zur Folge sofern von der theoretischen Annahme ausgegangen wird, dass nur geringfügige Transportkosten, Tauschwirtschaft und Freihandel vorherrschen.[13] Folgt man diesem Gedankenmodell, so findet sich darin eine Begründung, weshalb Entwicklungsländer überwiegend boden- und arbeitsintensive Güter ausführen und Industrieländer sich hingegen auf den Export kapitalintensiver Waren konzentrieren.[14] Dass diese Aussage jedoch nur mit Einschränkungen gelten kann, hat Wassily Leontief durch eine Studie der US- Importe und Exporte nachgewiesen. Demzufolge haben die USA als Industriestaat überwiegend arbeitsintensive Hochtechnologie- Güter exportiert, die zur Erstellung hochqualifizierte Arbeit erfordert. Das „Leontief- Paradoxon“ stellte damit fest, dass eine qualitative Unterscheidung des Faktors Arbeit vorzunehmen ist, um die Aussagekraft des Faktorproportionentheorems nicht zu...