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Nutzung räumlichen Wissens nach sprachlichem und handlungsbasiertem Raumerwerb

AutorKarsten Rohr
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl114 Seiten
ISBN9783638537735
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis36,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Psychologie - Allgemeines, Note: 1,0, Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg (Institut für Kognitionsforschung), Sprache: Deutsch, Abstract: Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Sie beobachten einen Bekannten, der hochkonzentriert vor dem Bildschirm seines Computers sitzt, die Maus mit seiner rechten Hand fest umklammert hält und mit der linken die Tastatur bedient. Sie stellen sich hinter ihrem Bekannten auf, schauen ihm über die Schulter und sehen links vom Bildschirm einen Stapel leerer Coladosen. Vor dem Dosenstapel steht ein prall gefüllter, gelber Plastikaschenbecher in Griffweite ihres Bekannten, an dessen Vorderseite die blaue Silhouette eines Kamels prangt. Sie blicken auf den Bildschirm und erkennen den Grund, warum ihr Bekannter ihre Anwesenheit bisher ignoriert hat. Er ist in ein Spiel vertieft, was zum Ziel hat, andere Mitspieler durch ein ganzes Arsenal an (virtuellen) Hieb-, Stich- und Schusswaffen zum (natürlich virtuellen) Ableben zu bewegen; kurz: ein sogenannter 'Egoshooter'. Obschon Sie Gewalt in Videospielen nicht gutheißen, beobachten sie den Spielverlauf einige Zeit. Dabei fällt ihnen auf, dass ihr Bekannter jedes Mal, wenn sein virtuelles Alter Ego eine Zeit lang vor einer Hausecke stehen bleibt, seinen Oberkörper von links nach rechts bewegt und seltsam anmutende Kopfdrehungen vollführt. Auf ihre Frage, warum er sich so vor dem Bildschirm abmühe, antwortet er - nachdem er kurz über ihre Anwesenheit erschrickt -: 'Ich muss um die Hausecke schauen, ob dort ein Scharfschütze ist.' [...]

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Leseprobe

3           Methode


3.1         Erstellung des Versuchsdrehbuchs und Vorversuche


Um standardisierte Abläufe für alle Versuchspersonen zu ermöglichen, wurde vor der Durchführung der ersten Experimente ein Versuchsdrehbuch (siehe Anhang A u. B) erstellt, welches sowohl die Anweisungen des als auch Hinweise für den Versuchsleiter enthielt. Da der hier behandelte Versuch (Explokom) in engem Zusammenhang mit dem Vorgängerexperiment (Expimag) steht und dessen Grundzüge aufgrund der notwendigen Vergleichbarkeit der Resultate beibehalten werden sollten, konnte die Struktur bzw. der Ablauf im Wesentlichen gleich bleiben. Ein neues Versuchsdrehbuch musste jedoch erstellt werden, da sich dieses Experiment im Testmodus vom Vorausgehenden unterschied (realer, körperlicher Perspektivenwechsel).

Das Vorgängerexperiment ließ bereits ausreichende Rückschlüsse auf besondere Problemstellungen bei der Versuchsdurchführung zu, daher wurde die Anzahl der Probanden auf zwei begrenzt, wobei die Daten der zweiten Versuchsperson bereits in die Auswertung übernommen werden konnten, da keinerlei Änderungen am Experimentalablauf oder Versuchsaufbau vorgenommen werden mussten.

3.2         Versuchspersonen


Am Versuch nahmen 44 Probanden (29 männlich, 15 weiblich) im Alter von 20 bis 29 Jahren teil, allesamt Studierende der Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg. Unter den ihnen befanden sich 4 Linkshänder/innen. Keine der Versuchspersonen hatte Vorkenntnisse über den Versuchsablauf und/oder die Absichten des Versuches. Bei der Einladung zur Versuchsteilnahme wurde lediglich von einem Experiment gesprochen, welches sich mit dem Thema ‚Raumgedächtnis’ beschäftigt. Die Versuchspersonen nahmen auf freiwilliger Basis am Experiment teil, sie erhielten keinerlei Vergütung.

3.3         Apparate und Materialien


Als Experimentalraum wurde ein Büroraum der Helmut-Schmidt-Universität genutzt. Obschon im eigentlichen Sinne nicht als Experimentalraum oder Labor geplant, konnten Störungen oder Ablenkungen der Versuchspersonen durch entsprechende Maßnahmen des Versuchsleiters vermieden werden (Beschilderung, Abmelden des Telefons, etc.).

In dem Raum befand sich die ‚Arena’ (siehe Abb. 11), eine Konstruktion mit kreisförmiger Grundfläche (Durchmesser 250 cm), umgeben von einer 20 cm hohen Wand aus Sperrholz. Entlang dieser Wand waren acht 25 cm hohe, hölzerne, rechteckige Podeste in gleichmäßigen Abständen mit einem Winkel bezüglich des Kreismittelpunktes von 45° angeordnet. Auf diesen Podesten waren Pappschilder befestigt, auf denen der Name desjenigen Gegenstandes vermerkt war, den sich die Probanden an dieser Position vorstellen sollten.[9]

 

Abbildung 11: Die ‚Arena’ (maßstabsgetreue Darstellung). Die gestrichelten Linien kennzeichnen die Verwendung des Zeigestocks in dem sensomotorischen Lernmodus. Die Probanden saßen in der Lernphase mit ‚Blickrichtung’ zum Podest 1. Der schraffierte Bereich kennzeichnet den Quadranten des Podests 1, mit einer Größe von 45° bezüglich des Mittelpunkts des Versuchsaufbaus. Auf den Podesten befanden sich folgende Gegenstände: Engel, Flöte, Kerze, Rose, Schere, Tasse, Wecker, Zeitung.

Die Teilnehmer saßen exakt in der Mitte der kreisförmigen Grundflächen auf einem vierbeinigen Hocker, d.h., ihr Abstand zu jedem Podest betrug ca. 110 cm. Zum Ertasten der Raumposition der Objekte in dem sensomotorischen Lernmodus stand ihnen ein Fiberglasstock (Zeigestock) mit der Länge von 130 cm zu Verfügung.

Zur Versuchssteuerung, d.h. zur Verwaltung der Items bzw. der Daten, zur Strukturierung des Versuchsablaufs und Speicherung der Antworten / Entscheidungszeiten, wurde ein PC (AMD Athlon 2200+; 256 MB RAM) mit einem MS-Windows 2000 Betriebssystem und dem Versuchssteuerungsprogramm E-Prime (Version 1.1) verwendet.

Die Eingabe der Probanden erfolgte über eine Standardtastatur (PS2), bei welcher alle Tasten, mit Ausnahme derer, die für die Eingabe erforderlich waren, entfernt wurden, um Fehlpositionierungen der Finger auf der Tastatur zu vermeiden. Die Eingaben erfolgten über die Tasten 1 bis 9 des Nummernblocks. Die Taste 5 wurde mit einem selbsthaftenden Stück Sandpapier beklebt (im Folgenden Sandpapiertaste), um ihre zentrale Funktion hervorzuheben und sicherzustellen, dass die Versuchspersonen diese eindeutig identi-fizieren und Fehleingaben in der Tastaturübungs- und Testphase vermieden werden konnten. Alle weiteren Tasten des Nummernblocks werden im Folgenden als Richtungs-tasten bezeichnet.

Die Probanden erhielten während des Experiments die Anweisungen und Rückmeldungen der Korrektheit ihrer Antworten über handelsübliche Stereokopfhörer (PC line-out: Standard Audio-Controller). Zur Sicherstellung des Sichtentzuges während des gesamten Experiments (mit Ausnahme der Instruktionsphase) erhielten die Versuchspersonen eine mehrfach mit Aluminiumfolie und Pappe beklebte Staubschutzbrille, die sie vor Betreten des Experimentalraums aufsetzten und bis zum Ende des Versuchs trugen.

3.4         Versuchsablauf


Das Experiment war in vier Phasen gegliedert (siehe Abb. 12), wobei sich die Erste – die Instruktionsphase – im Gegensatz zu den Nachfolgenden nicht im Experimentalraum, sondern in einem ca. zwanzig Meter entfernten Übungs- und Klausurraum abspielte, da die Versuchspersonen den Experimentalraum nicht sehen sollten und dies während des gesamten Versuchs auch nicht taten. Nach dieser kurzen Einweisung wurden die Probanden vom Versuchsleiter zum Experimentalraum und zu seinem Platz in der Mitte der ‚Arena’ geführt, woran sich die Lernphase anschloss, getrennt nach dem Lernmodus Sprache oder Handlung. Nach dem Lernen der Raumanordnung erfolgte eine Übungsphase, in der die Teilnehmer mit der Bedienung des Geräts vertraut gemacht wurden. Nachfolgend wurden in der eigentlichen Testphase die Richtungsurteile über die Objektlokationen (im Folgenden ‚Richtungsurteile’) vom Probanden durchgeführt. Der gesamte Versuch dauerte jeweils ca. 50 Minuten.

 

Abbildung 12: Darstellung des gesamten Versuchsablaufs.

Durch die Nutzung des bereits erwähnten Versuchsdrehbuchs und der Verwendung eines E-Prime-Skripts für die Steuerung und Kontrolle der Übungs- und Testphase konnte gewährleistet werden, dass alle Versuchspersonen – natürlich mit Ausnahme der experimentellen Variation – identische Versuchsbedingungen durchliefen, und damit eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse gegeben war. Die Anweisungen, welche die Probanden sowohl in der Instruktions- als auch vor allen anderen Phasen erhielten, ermöglichten es, dass alle Versuchspersonen das Experiment ohne Nachfragen durchführen konnten. Die einzelnen Phasen des Versuchs werden im Folgenden genauer betrachtet.

3.4.1        Instruktionsphase


Nach der Begrüßung durch den Versuchsleiter wurden die Probanden zur Einweisung in den Vorbereitungsraum geführt und zuallererst aufgefordert, sich die Einverständniserklärung (siehe Anhang C) durchzulesen und zu unterzeichnen. Danach wurden sie auf den jederzeit möglichen Abbruch des Experiments bei Unwohlsein oder Unsicherheit hingewiesen, die sich evtl. aus dem andauernden Sichtentzug ergeben könnte.

Nachfolgend wurden die Probanden vom Versuchsleiter in den Ablauf des Experiments eingewiesen, d. h., ihnen wurde erläutert, dass sie an einem ca. fünfzig- bis sechzigminütigen Versuch zum Thema ‚Raumgedächtnis’ teilnähmen, bei dem eine Anordnung von Objekten im Raum gelernt und dieses Wissen anschließend angewandt werden solle. Den Versuchspersonen wurde in diesem Zusammenhang die Verwendung der Schutzbrille zur Vermeidung von visuellen Informationen erklärt, woran sich eine Beschreibung anschloss, wie sie die Anordnung der Objekte ohne Sicht erlernen sollten. Dies erfolgte jeweils getrennt für die beiden Lernmodi (sprachliche Beschreibung versus ertasten mittels eines Stockes). Daraufhin wurden dem Probanden die acht Objekte mit dem Hinweis präsentiert, dass es sinnvoll wäre, sich die Gegenstände genau anzusehen, um sich in der Lernphase besser vorstellen zu können, von diesen Gegenständen umgeben zu sein.

Nachdem die Versuchspersonen die Gegenstände ihrer Meinung nach ausreichend lang betrachtet hatten, wurden sie vom Versuchsleiter vor den eigentlichen Versuchsraum geführt und aufgefordert, die Sichtschutzbrille aufzusetzen, woraufhin der Versuchsleiter den vollständigen Sichtentzug prüfte, die Probanden in die Mitte des Versuchsaufbaus führte und sie auf dem Hocker platzierte. Nach einer Einweisung in den Versuchsraum (siehe Anhang A u. B) erfolgte der Erwerb des Raumwissens in der Lernphase.

3.4.2        Lernphase


Die Lernphase beinhaltete die experimentelle Variation innerhalb des Versuchs, da hierbei zwischen den beiden Lernmodi Sprache und Handlung unterschieden wurde (vgl. Abb. 9a, S. 46). Beide Bedingungen waren jedoch vom grundsätzlichen Ablauf identisch.

3.4.2.1       Lernmodus Sprache

Die Probanden, die die Anordnung der Objekte in der sprachlichen Modalität erlernen sollten, erhielten zuerst die Aufgabe, selbstbezogene Richtungsangaben (vorne, vorne-rechts, rechts,...

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