Grundsätzlich gilt nach § 651 BGB[1] als Reiseveranstalter, „wer mindestens zwei gleichwertige Hauptreiseleistungen miteinander kombiniert und zu einem Gesamtpreis verkauft“.[2] Die Aufgabe eines jeden Reiseveranstalters liegt folglich in der Kombination der Dienste unterschiedlicher Leistungsträger (Transport, Unterkunft, Verpflegung und andere Sonderleistungen) zu einem Gesamtpaket und dessen Vermarktung zu einem Gesamtpreis. Traditionell läuft diese Vermarktung über Reisekataloge und Reisebüros. Somit gilt rechtlich auch dasjenige Unternehmen als Reiseveranstalter, das durch sein Auftreten in der Öffentlichkeit (beispielsweise durch das Auflegen von Reisekatalogen) als ein solcher in Erscheinung tritt.[3]
Hierbei wird in den folgenden Ausführungen von Großveranstaltern und Generalisten[4] ausgegangen, die sich mit einem umfassenden, sowohl breiten als auch tiefen Angebotsprogramm aus unterschiedlichen „Zielgebieten, Zielorten, Verkehrsmitteln und Unterkunftsarten“[5] an eine äußerst weit gefasste, regional nicht eingeschränkte Zielgruppe wenden.
Wird in der vorliegenden Arbeit von einem traditionellen Pauschalreiseveranstalter gesprochen, so ist ein Unternehmen zu verstehen, welches Pauschalreisen in ihrem klassischen Sinne anbietet, so wie sie im Folgenden definiert werden. Der traditionelle Pauschalreiseveranstalter ist strikt von Anbietern der anschließend erläuterten Bausteinvarianten zu trennen.
Je nach Organisationsform der Reise unterscheidet man zwischen Individual- und Pauschalreisen. Wird die Reise über einen Veranstalter organisiert, handelt es sich um eine Pauschalreise.[6] Eine Pauschalreise stellt immer ein Leistungsbündel dar; es sei denn, es wird lediglich eine Einzelleistung bei einem als Reiseveranstalter auftretenden Unternehmen gebucht (Teilpauschalreise).[7] In der Regel besteht eine Pauschalreise folglich „aus mehreren, sich ergänzenden Dienstleistungen meist fremder Unternehmen (Leistungsträger), die zusammen mit der Organisationsleistung des Reiseveranstalters und der Verteilungsleistung der Vertriebsorgane dem Käufer das ‚Problem’ der Organisation und Abwicklung seiner Urlaubsreise weitgehend abnehmen“.[8]
Das Entstehen der Pauschalreise in Deutschland in den 50er Jahren ist nicht monokausal erklärbar. Zum einen erschien einer Vielzahl der Bürger die Organisation einer Reise, insbesondere ins fremdsprachige Ausland, als zu komplex. Zum anderen ist es dem Reiseveranstalter durch den Einkauf großer Kontingente möglich, günstige Preise anzubieten. Des Weiteren „bietet das 1979 eingeführte und 1994 novellierte Reiserecht für Pauschalreisen einen weitgehenden Konsumentenschutz, der für selbst organisierte Reisen nicht besteht.“[9]
In Abgrenzung zu der im Folgenden vorgestellten Bausteinreise ist an dieser Stelle der Aspekt zu betonen, dass der Reiseveranstalter bei der traditionellen Pauschalreise die Bündelung der Einzelleistungen selbst vornimmt. Das vom Veranstalter vorgefertigte Paket wird zum Verkauf angeboten, indem es „vom Anbieter in den Markt gedrückt“[10] wird („Push-Logik“[11]).
Im Gegensatz zur Pauschalreise wird mit der Bausteinreise kein im Voraus gebündeltes Leistungspaket erworben, sondern das Urlaubspaket aus einzelnen Komponenten selbst zusammengeschnürt. „Der Kunde ‚zieht’ das von ihm gewünschte Angebot aus dem Markt heraus“[12] („Pull-Logik“[13]). Bausteinreisen sind in unterschiedlichen Varianten zu finden. Im Folgenden werden die verschiedenen Erscheinungsformen und deren Besonderheiten erläutert.
Wird im Laufe der Arbeit von Bausteintourismus gesprochen, sind die hier vorgestellten Ausprägungsformen allgemein als Gegenpart der vorkonfektionierten Pauschalreisen zu verstehen. Bei der Betrachtung einer bestimmten Variante der Bausteinbuchung wird darauf explizit hingewiesen.
Wird eine Bausteinreise in Form einer Individualreise durchgeführt, ist diese strikt von der Organisationsform der Veranstalterreise zu trennen. Der Kunde kombiniert per Katalog oder im Internet ein ganz persönliches Reisepaket ohne sich auf einen einzigen Reiseveranstalter oder Anbieter zu konzentrieren. Die Organisationsleistung liegt komplett in der Hand des Kunden. Meist wird keine Hilfe durch Reisemittler in Anspruch genommen, sondern direkt bei den einzelnen Leistungsträgern gebucht. Es werden separate Buchungen vorgenommen, separate Reiseunterlagen gedruckt und separate Rechnungen bezahlt. Da es sich in diesem Fall nicht um eine Reiseveranstaltung handelt, fällt der individuell reisende Kunde nicht unter den Veranstalterschutz.
Traditionelle Bausteinanbieter wie Dertour oder Airtours, aber auch das Fly&More-Programm der TUI, bieten keine vorgefertigten Pauschalpakete, sondern individuell kombinierbare Reisebausteine an. Ihr Vertrieb erfolgt hauptsächlich über Kataloge und Reisebüros. Neben dem stationären Vertrieb sind deren Bausteinprodukte auch im Internet zu buchen. Im Falle dieser Form der Bausteinreise werden „individuell zusammengestellte Teil-Leistungen bei einem Anbieter gebucht“.[14] Die Preise sind transparent und werden für jeden gebuchten Baustein einzeln ausgewiesen.[15] Durch die separate Preisauszeichnung wird dem Kunden ermöglicht, bei Bedarf nur eine einzelne Leistung (beispielsweise einen Flug-Einzelplatz oder Nur-Hotel) beim – sonst Pakete schnürenden – Reiseveranstalter zu buchen. Allerdings gilt es hier eine Einschränkung vorzunehmen: Einige Anbieter von Bausteinprodukten bieten bestimmte Reisekomponenten nur in Kombination mit weiteren Leistungen und ausdrücklich nicht als Einzelleistung an. Bei den Bausteinveranstaltern Dertour und Airtours gelten die im Katalog ausgeschriebenen Bausteinflüge beispielsweise nur in Verbindung mit einem Landprogramm aus dem entsprechenden Katalog. Auch im Eigenanreiseprogramm des Veranstalters 1-2-FLY ist eine Nur-Flug-Buchung ausgeschlossen, während andere Leistungen einzeln buchbar sind.
Weiterhin ist zu beachten, welche allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Buchung von Bausteinprodukten beim entsprechenden Veranstalter gelten. Diese unterscheiden sich von denen einer traditionellen Pauschalreise vor allem bezüglich der Transferleistungen sowie der Betreuungsleistung durch örtliche Reiseleiter.
Nun gilt es zu klären, in welchen Fällen sich ein Bausteinreisender auf den Konsumentenschutz des Pauschalreiserechts berufen kann. Wird via Katalog eindeutig bei einem als Reiseveranstalter auftretenden Unternehmen gebucht, so gilt das Reiserecht nach § 651 a II BGB[16] auch dann, wenn nur eine einzelne Reiseleistung gebucht wird. Gleiches trifft auf eine Buchung im Internet zu, die auf der Homepage des Veranstalters aus dessen Bausteinangebot getätigt wird. Wichtig ist hierbei die Tatsache, dass alle Bestandteile der Reise über den gleichen Reiseveranstalter gebucht werden. „Solche Urlaubsangebote [sind] ihrer Art nach ‚vorfabriziert’ und daher [bezüglich ihres rechtlichen Aspekts] den Pauschalreisen zuzuordnen.“[17] An dieser Stelle wird noch einmal betont, dass die Buchung einer einzelnen Reiseleistung nur dann die Voraussetzungen für das Inkrafttreten des Veranstalterschutzes erfüllen kann, wenn diese bei einem als Reiseveranstalter auftretenden Unternehmen getätigt wird. Handelt es sich um eine so genannte ‚Schein-Pauschalreise’ in Form eines ‚unechten Charterfluges’, ist der Verbraucherschutz nicht zu gewähren.[18]
Eine Bausteinbuchung, bei der Komponenten unterschiedlicher Anbieter kombiniert werden, ist von diesem Fall klar abzugrenzen. Der Kunde wählt „Reiseleistungen verschiedener Anbieter aus, die im Voraus durch diese keinerlei Verbindung erfahren hatten.“[19] Das Verfahren des Dynamic Bundling wird definiert als die „in Echtzeit erfolgte, kundengerechte Auswahl und Bündelung von Reisekomponenten aus unterschiedlichen Quellen. Buchung und Fulfilment erfolgen in separaten Schritten nach den Regeln des Mittlergeschäfts.“[20] Unter dem neuen Namen ‚Dynamic Bundling’ ist nichts anderes als das „klassische Individualpaket“[21] zu verstehen, das „seit jeher das Brot- und Butter-Geschäft vieler Reisebüros“[22] darstellt. Wird ein solches Leistungsbündel über einen Reisevermittler, egal ob im Reisebüro oder über ein Internetportal, in...