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Hochbegabte Schülerinnen und Schüler. Möglichkeiten der Identifikation und Förderung

AutorLucia Esther Momo Rita Müller
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl117 Seiten
ISBN9783638579148
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Pädagogik - Schulwesen, Bildungs- u. Schulpolitik, Note: 1,0, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 100 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Arbeit richtet sich in erster Linie an (zukünftige) Lehrkräfte, da Hochbegabung im schulischen Umfeld den Schwerpunkt der Betrachtungen und Analyse darstellt. Darüber hinaus sollen Eltern hochbegabter Kinder auf Möglichkeiten der Identifikation und Förderung aufmerksam gemacht werden. Der Anteil hochbegabter Kinder und Jugendlicher liegt in Deutschland bei 2-3 Prozent pro Jahrgang. Geht man von einer Klassenstärke von 25 bis 30 Kindern aus, so folgt, dass rechnerisch gesehen in ungefähr jeder zweiten Schulklasse ein hochbegabtes Kind sitzt. Hochbegabung ist demnach ein durchaus präsentes Phänomen in den Schulen, mit dem es sich auseinander zu setzen lohnt. Ziel dieser Arbeit ist zuächst, jene Fragen zu klären, die sich im Zusammenhang mit dem oftmals unreflektiert verwendeten Begriff der Hochbegabung ergeben. Neben einer Begriffsbestimmung und der Systematisierung unterschiedlicher Hochbegabungsdefinitionen sollen ausgewählte Modelle der Hochbegabung vorgestellt werden. Im Anschluss wird dargelegt, welche Eigenschaften typisch für das Verhalten hochbegabter Kinder und Jugendlicher sind. In der Tat unterscheiden sich intellektuell hochbegabte Schülerinnen und Schüler in einer Reihe von Merkmalen von ihren durchschnittlich begabten Altersgenossen. Hieraus können sich verschiedene Schwierigkeiten schulischer, persönlicher und sozialer Art ergeben. Es wird daher auf mögliche Problemfelder, wie schulische Unterforderung und Minderleistung, eingegangen. In den folgenden Abschnitten dieser Arbeit werden Möglichkeiten der Identifikation und Förderung hochbegabter Schülerinnen und Schüler angesprochen. Neben der Bedeutung und Notwendigkeit von Diagnose werden Überlegungen zu deren Zeitpunkt und möglichen Fehlern dargelegt. Schließlich sollen verschiedene Verfahren zur Identifikation Hochbegabter vorgestellt und bewertet werden. Im anschließenden Kapitel zur Hochbegabtenförderung soll zunächst geklärt werden, weshalb hochbegabte Kinder und Jugendliche überhaupt einer Förderung bedürfen. Nach einigen allgemeinen Überlegungen die Förderung betreffend, sollen mögliche Förderformen für hochbegabte Schülerinnen und Schüler dargelegt und bewertet werden. Ziel ist eine Darstellung dessen, was bereits möglich ist, vielerorts aber schlichtweg mangels Information oder Engagement nicht umgesetzt wird. Ingesamt soll dazu beigetragen werden, hochbegabte Kinder und Jugendliche besser verstehen, erkennen und fördern zu können

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Leseprobe

III. Merkmale im Verhalten hochbegabter Kinder und Jugend- licher und mögliche Problemfelder


 

Intellektuell hochbegabte Kinder und Jugendliche unterscheiden sich in einer Reihe von Merkmalen von ihren durchschnittlich begabten Altersgenossen. Hieraus können sich Probleme in zwei Bereichen ergeben. Zum einen interne Probleme durch eine fehlende Synchronisation der motorischen und seelischen mit der kognitiven Entwicklung und zum anderen externe Probleme durch Erwartungen der Mitmenschen, die sich nur am Alter des Kindes orientieren (vgl. Fels 1999, S. 70). Bei stetiger schulischer Unterforderung besteht darüber hinaus die Gefahr der schulischen Minderleistung.

 

1. Merkmale hochbegabter Kinder und Jugendlicher


 

Die im Folgenden erläuterten Charakteristika (vgl. hierzu Fels 1999, S. 72; BMBF 2003, S. 23 ff.; Fischer et. al. 2005, S. 5 ff.) dürfen zwar als wissenschaftlich fundiert betrachtet werden, doch soll daran erinnert werden, dass bei kaum einem hochbegabten Kind oder Jugendlichen alle Eigenschaften gleichzeitig auftreten. Denn Hochbegabte sind keine homogene Gruppe, sondern können sehr unterschiedliche Profile zeigen.

 

Zu den Merkmalen des Lernens und Denkens hochbegabter Kinder und Jugendlicher zählt eine schnelle Auffassungsgabe, überdurchschnittliche Intelligenz und ein gutes Gedächtnis. Sie lesen zumeist viel, intensiv und mit breitem Interesse. Dabei bevorzugen sie Bücher, die deutlich über ihre Alterstufe hinausgehen. Aus diesem Grund besitzen viele Hochbegabte einen ungewöhnlichen Wortschatz für ihr Alter. Bereits im Kindesalter verfügen sie über eine ausdrucksvolle, ausgearbeitete und flüssige Sprache. In einzelnen Bereichen haben sie aufgrund der ausgeprägten Fähigkeit, sich Fakten schnell merken zu können, zudem ein enormes Detailwissen. Bei schwierigen Aufgaben gelingt es ihnen leicht, die zugrunde liegenden Prinzipien zu durchschauen. Sie bearbeiten daher bevorzugt abstrakte und komplexe Inhalte oder Problemstellungen und zeichnen sich durch kreatives Problemlösen aus. Da hochbegabte Kinder und Jugendliche viele Details oder Nebengedanken in die Überlegungen mit einbeziehen, laufen sie jedoch Gefahr, dabei Struktur und Überblick zu verlieren. Ihre Arbeitsweise wird häufig als penibel, fast perfektionistisch, beschrieben. Dem eigenen Tempo oder Ergebnis stehen sie eher kritisch gegenüber, denn sie setzen sich hohe Leistungsziele und wollen Aufgaben mit einem Minimum an Anleitung lösen.

 

In der Schule wirken hochbegabte Kinder und Jugendliche oftmals geistig abwesend oder drängen auf ständige eigene Wortmeldungen. Sie hinterfragen bevorzugt Sinnzusammenhänge. Mit Erklärungen wie „das ist halt so“ oder „das machen wir später“ zeigen sie sich deutlich unzufrieden. Trotz richtiger Lösungen ist es ihnen öfter nicht möglich, die eigenen Denkwege anzugeben. Bei Routineaufgaben haben sie viele Flüchtigkeitsfehler und arbeiten mitunter sehr langsam. Hochbegabte verhalten sich bei Langeweile teilweise störend und aufmerksamkeitsheischend. Auf Lärm reagieren sie relativ empfindlich.

 

Das Sozialverhalten hochbegabter Kinder und Jugendlicher ist zumeist durch eine Orientierung an Älteren oder Erwachsenen geprägt. Sie besitzen eine gute Kommunikationsfähigkeit und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Die Meinungen von Autoritäten wie Lehrern oder anderen Erwachsenen akzeptieren sie erst nach kritischer Prüfung und mischen sich oftmals wertend in Konflikte ein. Gegenüber politischen und sozialen Problemen verfügen sie über großes Einfühlungsvermögen und Aufgeschlossenheit. Gerne beschäftigen sie sich mit Begriffen wie Recht und Unrecht, Gut und Böse. Sie neigen zu Individualismus und dazu, schnell über Situationen bestimmen zu wollen. Generell beschäftigen sich hochbegabte Kinder und Jugendliche gerne mit sich und sind eher zurückgezogen. Aus diesem Grund ist ihre Akzeptanz bei Gleichaltrigen oftmals polarisiert.

 

2. Mögliche Problemfelder


 

Aus den zuvor beschriebenen Merkmalen kann eine Reihe von Entwicklungsproblemen resultieren, die im persönlichen, sozialen oder auch schulischen Bereich angesiedelt sind. Selbstverständlich stößt nicht jedes hochbegabte Kind auf diese Probleme, doch sie treten bei Hochbegabten gehäuft auf. Es ist daher wichtig, den Zusammenhang der zwischen möglichen Problemfeldern und Hochbegabung zu kennen um entsprechend gegenwirken zu können.

 

2.1. Dyssynchronien


 

Die Entwicklungsaufgaben des Kindesalters lassen sich in mehrere Persönlichkeitsaspekte aufteilen, die den Bereichen Kognition, Emotion, Motorik, Affekt und Sozialverhalten zugeordnet werden können (vgl. Fels 1999, S. 76). Normalerweise verläuft bei Kindern die Kompetenzentfaltung in allen Bereichen etwa gleich schnell, so dass sich Anforderungen und bereits entwickelte Fähigkeiten weitgehend entsprechen. Da intellektuell hochbegabte Kinder jedoch eine beschleunigte kognitive Entwicklung aufweisen, kann es geschehen, dass ihre motorischen, emotionalen, sozialen oder affektiven Fähigkeiten den intellektuellen nicht entsprechen. Dies kann zu verschiedenen Belastungen in der Entwicklung der Kinder führen. Die Diskrepanz zwischen einer vorzeitigen intellektuellen Entwicklung und anderen Persönlichkeitsbereichen wird als Dyssynchronie (Terrasier 1985) oder Asynchronie (Silverman 1993) bezeichnet.

 

So können beispielsweise Probleme auftreten, die sich auf eine ungleiche Entwicklung von Motorik und intellektueller Entwicklung zurückführen lassen (vgl. Silverman 1995, S. 639) Die betreffenden Kinder nehmen sich Leistungen vor, die sie mit ihrer altersüblichen Feinmotorik noch nicht erbringen können (vgl. Fels 1999, S. 77). Ein Beispiel ist das Erlernen des Schreibens. Die weit vorauseilende Denkgeschwindigkeit führt vielfach zu schnellen und damit frustrierenden Schreibleistungen. Die Alternative ist, dass sich die Kinder zu sorgfältigem Schreiben und einem gebremstem Gedankenfluss zwingen (vgl. Terrasier 1985, S. 269). Diese Erfahrung kann frustrierend sein.

 

Aufgrund ihres intellektuellen Fortschritts gegenüber Gleichaltrigen nehmen viele hochbegabte Kinder Informationen auf, die sie emotional im Grunde noch gar nicht verarbeiten können. Sie lesen Bücher über Themen wie Krankheit, Tod oder Krieg, können die angsterzeugenden und altersunangemessenen Inhalte aber nicht bewältigen. Angst und Furcht sind die Folge (vgl. Fels 1999, S. 77).

 

Häufig entstehen auch Probleme infolge der Interaktion des Kindes mit seiner Umwelt. Viele Eltern oder Lehrkräfte reagieren beispielsweise irritiert, wenn die gezeigten emotionalen und sozialen Verhaltensweisen hochbegabter Kinder nicht den üblichen, niedrigeren Alterserwartungen entsprechen oder nicht das halten, was die geistigen Leistungen zu versprechen scheinen (vgl. Fels 1999, S. 78). Aus der intellektuellen Kompetenz wird fälschlicherweise auf die sozial-emotionale Kompetenz geschlossen oder umgekehrt. Auf diese Weise werden falsche Erwartungen gebildet und Bedürfnisse übersehen.

 

Sowohl Eltern als auch Lehrer sollten sich daher der Problematik ungleich entwickelter Fähigkeiten bewusst sein. So können sie den betreffenden Kindern mit erklärenden Hinweisen zur Seite stehen. Desweiteren bietet es sich an, bei heiklen Themen wie „Warum gibt es Kriege?“ oder „Was ist Sterben?“ nach kindgerechten Aufmachungen Ausschau zu halten.

 

2.2. Soziale Konflikte


 

Neben nicht alterskonformen Fähigkeiten können sich im sozialen Bereich weitere Probleme durch die Diskrepanz von Merkmalen oder Fähigkeiten Hochbegabter und den Erwartungen der Peers ergeben (vgl. Fels 1999, S. 78). Typische Probleme wie soziale Isolation, Einsamkeit und Entfremdung werden demnach nicht unmittelbar durch außergewöhnliche intellektuelle Fähigkeiten, sondern vielmehr durch die Reaktionen der sozialen Umwelt hierauf hervorgerufen (vgl. Gross 1993, S. 480).

 

Ein Vergleich der zuvor beschriebenen Merkmale und Fähigkeiten Hochbegabter mit den Erwartungen der Peers zeigt mögliche Probleme deutlich auf (vgl. hierzu Clark 1992, S. Fels 1999, S. 79).[15] So führen die ausgeprägten verbalen Fähigkeiten, der komplexe Wortschatz sowie Satzbau hochbegabter Kinder und Jugendlicher häufig dazu, dass sie Diskussionen dominieren, unverstanden bleiben und von den Peers als Besserwisser wahrgenommen werden. Da sie zudem gerne organisieren, kritisch denken und eine hohe Kreativität besitzen, erscheinen sie vielfach dominant, zu kritisch oder gar intolerant und stören durch ihre ungewöhnlichen Ideen die üblichen Abläufe. Viele hochbegabte Kinder und Jugendliche arbeiten gerne unabhängig und weisen so die Peers zurück. Weil sie zudem intellektuelle der motorischen Aktivität vorziehen, fällt es ihnen relativ schwer Spielpartner im eigenen Alter zu finden. Hochbegabte besitzen außerdem eine schnelle Auffassungsgabe, daher sind sie häufig ungeduldig mit anderen, die Sachverhalte nicht ebenso schnell begreifen können.

 

Es ist daher wichtig, hochbegabte Kinder und Jugendliche auf Fähigkeiten aufmerksam zu machen, die Gleichaltrige gegebenenfalls nicht haben, für sie aber selbstverständlich sind. Desweiteren ist es nötig, das Umfeld Hochbegabter entsprechend zu informieren, damit Mitschülerinnen oder Mitschülern das Verhalten besser verstehen können. Nur so kann es gelingen, hochbegabte Kinder...

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