Ausschlaggebend für die Beantwortung der Frage, ob in einem Wirtschaftssektor ein natürliches Monopol vorliegt, ist in erster Linie die Kostensituation. Nach der klassischen Definition liegt ein natürliches Monopol dann vor, wenn ein einzelner Anbieter die Produktion einer bestimmten Outputmenge kostengünstiger betreiben kann, als mehrere Anbieter dies gleichzeitig tun könnten, d.h. dass natürliche Monopole durch Subadditivität gekennzeichnet sind.[8]
Ein weiteres konstituierendes Merkmal der (nicht unbedingt natürlichen) Monopole ist die Irreversibilität von getätigten Investitionen in wesentlichen Einrichtungen[9]. Die angeschafften Einrichtungen stellen mangels anderweitig wirtschaftlich vertretbarer Verwendung und nur beschränkter Liquidierbarkeit versunkene Investitionen dar. Diese marktspezifische Irreversibilität wirkt als Markteintrittsbarriere dar, da potentielle Wettbewerber angesichts des antizipierten Verlustrisikos von einer Investition absehen.
Die Kombination von Subadditivität und marktspezifischer Irreversibilität führt zur Marktresistenz etablierter Anbieter, d.h. dass - ohne Zugang zu diesen Einrichtungen (Bottleneck, essential facility) - potentielle Wettbewerber auf den vor- und nachgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette dauerhaft behindert werden (Behinderungsmissbrauch), auf den Markt zu treten.[10]
In diesem Zusammenhang werden zunächst die wesentlichen technisch-ökonomischen Besonderheiten des Gutes Strom herausgearbeitet, die die Existenz natürlicher (bzw. resistenter) Monopole begünstigen.
Strom ist das Resultat der Umwandlung von Energieträgern (Energieerzeugung) und dessen Transport im Netz (Energieübertragung und -verteilung), und weist technische Besonderheiten auf,[11] die einen erheblichen Einfluss auf den Wettbewerb ausüben. So ist die Energieübertragung nur leitungsgebunden und die Speicherfähigkeit nur in geringem Umfang möglich.[12] Darüber hinaus gilt die Stromproduktion als saisonal sowie tages- und jahreszeitlich volatil.[13] Die Nichtspeicherbarkeit sowie die Volatilität der Stromproduktion erschweren die zeitgerechte Übereinstimmung von Stromangebot- und Nachfrage bzw. Versorgungssicherheit. Die gewährleistete Versorgungssicherheit bedeutet, dass eine ausreichende Übertragungsmöglichkeit durch die Netze zur Verfügung gestellt werden muss, um die Bedürfnisse der Konsumenten zeitgleich, unterbrechungsfrei und vollständig befriedigen zu können. Dabei sollte darauf hingewiesen werden, dass im Rahmen der Stromdurchleitung Energieverluste[14] entstehen und dass für die Nutzung fremder Netze Netznutzungsgebühren anfallen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Netze eine wichtige Koordinationsfunktion zwischen den Stromverbrauchern und Stromanbietern übernehmen, und somit eine unabdingbare Voraussetzung für den Zugang auf den Strommarkt darstellen.
Schließlich ist das Gut Strom von fundamentaler Wichtigkeit für jeden Haushalt. Moderne Volkswirtschaften können nicht auf Strom verzichten, d.h. dass er kaum substituierbar und daher preislich unelastisch ist. Die Unelastizität der Endverbrauchernachfrage eröffnet den Stromanbietern Handlungsspielräume, ihre Kunden durch erhöhte Preise auszubeuten (Ausbeutungsmissbrauch).[15]
Nachdem die wesentlichen technisch-ökonomischen Begünstigungsfaktoren für natürliche Monopole im Stromsektor dargestellt wurden, setzt sich dieses Kapitel mit der Lokalisierung des monopolistischen Bottleneck entlang der sektorspezifischen Wertschöpfungskette auseinander.
Wie in Abbildung 2 ersichtlich wird, besteht der Stromsektor aus vier Stufen der Wertschöpfung.
Abbildung 2: Die Wertschöpfungskette im Stromsektor
Quelle: Brunekreeft u. Keller, 2003, S. 148.
Auf der ersten Stufe geschieht nichts anderes als die eigentliche Umwandlung der Energieträger in Elektrizität. Bei der Erzeugung von Strom werden Brennstoffe als Inputs eingesetzt. Diese machen den größten Anteil der variablen Kosten (VK) aus.[16] Kumkar zeigt, dass die durchschnittlichen variablen Kosten (DVK) in Abhängigkeit von der Auslastung grundsätzlich (bei gegebener Varianz der Auslastung) einen u-förmigen Verlauf aufweisen.[17] Dies wiederum bedeutet, dass die steigenden Skalenerträge (Größenvorteile) in dem Tiefpunkt der DVK – Kurve ihren maximalen Wirkungsgrad erreicht haben. Der u-förmige DVK – Verlauf spricht also dafür, dass es ökonomisch sinnvoll wäre, wenn mehrere Erzeuger die Marktnachfrage bedienen würden, indem sie zu jeweils minimalen DVK anbieten. Wiederum würde sich in diesem Fall aber das Problem der Duplizierung der Fixkosten zur Diskussion stellen.
Die Fixkosten (FK) sind allerdings unter Berücksichtigung des technologischen Fortschritts und der relativ erheblichen Größe des deutschen Strommarktes von geringer Bedeutung.[18] Weiterhin soll durch die Etablierung der Strombörse EEX in Leipzig die Handelbarkeit von Strom zusätzlich zunehmen, sodass für den Betrieb und Bau von Netzen keine festen Abnehmer notwendig sind. Zusammenfassend lasst sich also sagen, dass die Elektrizitätserzeugung auch für kleinere Kraftwerke rentabel sein kann und die Existenz von Größenvorteilen auf der Erzeugungsstufe ausgeschlossen ist.[19]
Die nächsten beiden Stufen dienen der Durchleitung von Strom. Während die Übertragungsstufe den Strom über Höchst- und Hochspannungsnetze an die Entnahmepunkte der Verteilnetze leitet, gibt die Verteilungsstufe diesen über Niedrigspannungsnetze an die Endverbraucher weiter. Die VK der Stromübertragung und -verteilung (Stromstransport) werden im Grunde durch die transportabhängigen Energieverluste verursacht. So lassen sich hier durchaus Größenvorteile erreichen, indem ein Optimum des Netto-Transportvolumens zwischen Entnahme- und Einspeisepunkten im Verbundnetz angestrebt wird. Dieses Bestreben geht mit dem Ziel der wirtschaftlichen Koordination zwischen den ans Netz angeschalteten Anlagen und der schwankenden Stromnachfrage (Kapitel 2.1) einher.[20]
Ökonomisch betrachtet stellen die Investitionen in die Transportnetze aufgrund ihrer marktspezifischen Verwendungsmöglichkeiten versunkene Kosten (marktspezifische Irreversibilität) dar, deren Komplexität einen parallelen Leitungsbau in der Praxis sinnlos macht (Subadditivität).[21] Infolge dessen wird der Netzbereich im Allgemeinen als natürliches Monopol bezeichnet, der zudem aufgrund der drohenden versunkenen Kosten zu Marktresistenz führt.
Die Versorgungsstufe hat eine rein wirtschaftliche Funktion. Zentrale Aufgabe der Versorgung ist es, den im Rahmen von Lieferverträgen angeschafften Strom von den Kraftwerken an die Kunden weiter zu reichen. Zum Angebotsspektrum der auf dieser Stufe tätigen EVU (Energieversorgungsunternehmen) gehören zusätzlich Mess-, Abrechnungs- und sonstige Dienstleistungen.[22] Die große Anzahl an Versorgungsbetreibern in Deutschland ist der empirische Beweis für einen wirksamen Wettbewerb auf dieser Stufe.
Wie in Abbildung 2 dargestellt, befinden sich die Übertragungsnetze und die Erzeugung zum größten Teil im Besitz der vier Verbundunternehmen[23], während die regionalen und kommunalen Versorger überwiegend die Verteilungs- und die Versorgungsstufen beherrschen. Problematisch hierbei ist, dass die Verbundunternehmen wettbewerbsfähige und monopolistische Bereiche auf sich vereinen. Das bedeutet also, dass die tatsächliche Struktur der Wertschöpfungskette des deutschen Stromsektors von einem hohen Maß an vertikaler Integration geprägt ist. [24]
Resümierend lässt sich feststellen, dass sich der monopolistische Engpassbereich auf den Netzbereich beschränkt. Wiederum sollen die Erzeugung und Versorgung von Strom wettbewerblich organisiert werden.[25] Schmidtchen u. Bier 1997 bezeichnen den Netzbereich als „wettbewerblicher Ausnahmebereich“[26].
Neben Ausbeutung der Nachfrager durch erhöhte Strompreise, stellt sich im Rahmen der Marktöffnung die Frage der Behinderung von Wettbewerbern. Die herrschende Marktresistenz auf der Transportstufe erschwert aufgrund drohender irreversibler Verluste wesentlich den Markteintritt bzw. –austritt. Dies stellt wiederum das eingangs erwähnte Diskriminierungsproblem von Wettewerbern...