3. Pro und Contra CSR - Vom Shareholder-Value zum Stakeholder-Value
Nachdem im vorherigen Kapitel die grundlegenden Begriffe zum Thema der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen definiert und erläutert wurden, geht dieses Kapitel der Frage nach, welche Gründe Unternehmen dazu veranlassen, sich dem Thema CSR zu widmen und welche Argumente es gibt, die dagegen sprechen. In den folgenden Abschnitten wird außerdem erläutert, auf welche Weise in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden hat. Denn während in der Vergangenheit der Fokus der Unternehmensführung zumeist allein auf der Maximierung des Aktienkurses und den Interessen der Shareholder lag, werden in der Gegenwart zunehmend verschiedene Anspruchsgruppen bei Unternehmensentscheidungen berücksichtigt (vgl. Quazi / O’Brien 2000, S. 34).
3.1 Ethische Begründung von CSR
Befürworter des CSR-Konzepts führen oft an, dass Unternehmen ein Teil der Gesellschaft sind und daher eine moralische Verpflichtung haben, verantwortlich zu handeln und zur gesellschaftlichen Wohlfahrt beizutragen (vgl. Porter/Kramer 2006, S. 2f ; Quazi / O’Brien 2000, S. 34). Vertreter dieser Sichtweise argumentieren außerdem, dass Unternehmen in vielfacher Weise von der Gesellschaft profitieren und im Gegenzug dazu verpflichtet sind, sich gesellschaftlich zu engagieren. Als Beispiel wird oft angeführt, dass die Gesellschaft Schulen für die Ausbildung der Arbeiter bereitstellt, ein funktionierendes Rechtssystem samt zugehörigem Polizei- und Gerichtswesen unterhält und sich um die Infrastruktur des Landes kümmert und dass die Unternehmen hiervon in großem Maße profitieren (vgl. Bowie 1991, S. 58).
Ein weiteres Argument zugunsten des CSR-Konzepts ist das Argument, dass Macht verpflichtet und dass Unternehmen aufgrund ihrer zunehmenden Gestaltungskraft und Größe dazu verpflichtet sind, verantwortlich zu handeln (vgl. Schmitt 2005, S.1). Denn „some larger multinational companies have greater economical and social power than some governments“ (Garriga / Melé 2004, S. 57) und „the moral use of power requires that power be used responsibly“ (Bowie 1991, S. 58).
Wird CSR mit einem der angeführten Argumente ethisch begründet, wird von den Untenehmen demnach erwartet, dass sie sich gesellschaftlich verantwortlich verhalten, weil dies moralisch richtig und für die Gesellschaft als Ganzes das Beste ist (vgl. Branco /Rodrigues 2006 ; Cetindamar / Husoy 2007).
3.2 Ablehnung von CSR auf Basis der Shareholder-Theorie
Im Jahr 1970 schrieb Milton Friedman, einer der wohl bekanntesten Gegner des CSR-Konzeptes, den oft zitierten Satz „The social responsibility of business is to increase its profits“ (Friedman, 1970). Laut Friedman hat ein Unternehmen in einer freien Marktwirtschaft nur eine einzige gesellschaftliche Verpflichtung und die lautet, innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen so viel Profit wie möglich zu machen (vgl. Friedman 1970). Friedman verlieh damit einer Meinung Ausdruck, der in der Vergangenheit viele Unternehmensmanager zugestimmt haben (vgl. Kolstad 2006, S. 1) und die in der Wissenschaft als neo-klassische Sichtweise in der Shareholder-Theorie zum Ausdruck gebracht wird (vgl. van Marrewijk 2003, S.96 ; Bird et al. 2007). Die Kernpunkte dieser Theorie werden in diesem Kapitel dargelegt.
Der Begriff Shareholder bedeutet im Deutschen Anteilseigner / Aktionär eines Unternehmens. Das Konzept des Shareholder-Value, welches entscheidend von Alfred Rappaport geprägt wurde, konzentriert sich bei der Messung des Unternehmenserfolges auf die Aktienrendite als einzige Messgröße und richtet die gesamte Strategie des Unternehmens auf den Gewinn der Anteilseigner aus (vgl. Demmer 2002 ; Simon 2000). Begründet wird dies folgendermaßen: Heutzutage sind vor allem bei großen Unternehmen die Eigentümer eines Unternehmens selten zugleich auch die Manager. Vielmehr hat es sich durchgesetzt, dass eine große Zahl von Menschen Anteile an einer Firma erwerben und dann von den Managern erwarten, dass diese im Interesse der Aktionäre handeln (vgl. Crane / Matten 2004, S. 184). In der Shareholder-Theorie wird nun argumentiert, dass die Manager eines Unternehmens im Auftrag der Shareholder, also der Anteilseigner eines Unternehmens, handeln und demzufolge dazu verpflichtet sind, deren Interessen zu verfolgen. Im Interesse der Shareholder ist es jedoch, möglichst viel Profit zu machen, weswegen die Manager von Unternehmen rechtswidrig handeln, wenn sie Geld für Zwecke ausgeben, die nicht zu einer Erhöhung des Aktienwertes führen (vgl. Friedman 1970). Profit- bzw. Aktienwertmaximierung kann daher als ein moralischer Imperativ für die Manager eines Unternehmens bezeichnet werden (vgl. Kolstad 2006, S. 2).
Die Shareholder-Theorie spricht sich aus diesem Grunde strikt dagegen aus, dass Unternehmen sich freiwillig gesellschaftlich engagieren und Geld für wohltätige Zwecke oder CSR-Aktivitäten ausgeben sollen. Friedman untermauert diese Haltung zusätzlich durch das Argument, dass es die Rolle des Staates sei, sich um das gesellschaftliche Wohlergehen zu kümmern, der zu diesem Zweck ja auch Steuern erhebt (vgl. Friedman 1970). Jüngere Veröffentlichungen greifen teilweise diese Sichtweise auf und argumentieren, dass das empfindliche gesellschaftliche Gleichgewicht gestört wird, wenn Unternehmen Aufgaben des Staates übernehmen und andere Ziele als die Profitmaximierung verfolgen (vgl. Bowie 1991, S. 58). In der Shareholder-Theorie wird zudem die Ansicht vertreten, dass ein freiwilliges gesellschaftliches Engagement von Unternehmen Kosten mit sich bringt, die entweder den Gewinn der Unternehmenseigner schmälern, die Gehälter der Angestellten senken oder zu einer Verteuerung der hergestellten Produkte und Dienstleistungen führen. Beides führt letztendlich zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und gefährdet dadurch seine Existenz (vgl. Friedman 1970 ; Pinkston / Carroll 1996, S. 1999).
Die eindimensionale Ausrichtung sämtlicher unternehmerischer Aktivitäten am Ziel der Unternehmenswertmaximierung und die alleinige Orientierung an den Interessen der Aktionäre wird heutzutage oft kritisiert und die öffentliche Akzeptanz des Shareholder-Value-Ansatzes ist sehr gering. Vor allem seit diversen Bilanzskandalen Mitte der 1990er Jahre wird dem Shareholder-Value-Ansatz unterstellt, dass er eine „Kurzfrist-Orientierung mit negativen Langfrist-Folgen“ (Glaubitz 2006) sei. Die Kritiker des Ansatzes vertreten die Ansicht, dass die alleinige Ausrichtung der Unternehmensstrategie an der Profitmaximierung nicht dazu geeignet sei, dauerhaften Wertzuwachs zu schaffen. Der Shareholder-Value-Ansatz führe vielmehr zu einer Vernachlässigung von Innovationen, einer Degradierung der Arbeitnehmer als Mittel zum Zweck sowie zu einer nachlassenden Loyalität von Kunden und Lieferanten (vgl. Glaubitz 2006). Zu beachten ist hier jedoch, dass der Shareholder-Value-Ansatz bei seinen Annahmen davon ausgeht, dass es sich bei den Aktionären nicht um kurzfristig denkende Spekulanten, sondern um langfristige Investoren handelt, die an einer langfristigen Unternehmenswertmaximierung interessiert sind und dass auch in der Shareholder-Theorie Investitionen in das gesellschaftliche Umfeld befürwortet werden, wenn das Unternehmen hiervon ebenfalls einen Nutzen hat. Wenn dem Unternehmen jedoch nur Kosten entstehen, dann werden solche gesellschaftlichen Investitionen abgelehnt (vgl. Garriga / Melé 2004, S. 53). Auch Friedman äußert sich hierzu explizit und führt folgendes Beispiel an: „It will be in the long run interest of a corporation that is a major employer in a small community to devote resources to providing amenities to that community or to improving its government. That makes it easier to attract desirable employees, it may reduce the wage bill or lesson losses from pilferage and sabotage or have other worthwhile effects.“ (Friedman 1970). Die Kritik am Shareholder-Value-Ansatz und vor allem seine geringe Akzeptanz in der Bevölkerung haben jedoch zu konzeptionellen Weiterentwicklungen geführt. Zu nennen ist hier insbesondere der Stakeholder-Ansatz, auf den im folgenden Abschnitt eingegangen wird.
3.3 Befürwortung von CSR auf Basis der Stakeholder-Theorie
Als neuere Richtung der amerikanischen Managementlehre hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr die Managementstrategie bzw. die Unternehmenspolitik des Stakeholder-Ansatzes durchgesetzt. Diese wurde vor allem durch Edward Freeman und sein Buch „Strategic management: A Stakeholder approach“ (1984) geprägt und vertritt im Gegensatz zur oben dargelegten Shareholder-Theorie die Ansicht, dass Unternehmen nicht nur die Interessen der Aktionäre verfolgen dürfen, sondern die Aufgabe haben, den Ansprüchen unterschiedlicher Stakeholder gerecht zu werden und diese Ansprüche bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen (vgl. Freeman 1984 ; Quazi / O’Brien 2000).
Ein stake bezeichnet einen Anspruch, eine Erwartung, eine Forderung oder ein Recht (vgl. Thommen 2003, S. 22). Stakeholder sind demnach definiert als Individuen oder Gruppen, die auf den Erfolg des Unternehmens einwirken können oder...