Bevor ich mich dem Helfen als Tätigkeit, der Persönlichkeit des Helfers an sich und anderen „Problembereichen“ des Aufgabenfeldes widme, möchte ich kurz den Terminus „Soziale Arbeit“ und deren Merkmale erläutern sowie die Ziele und Aufgaben des weitreichenden Arbeitsgebietes beleuchten.
„Soziale Arbeit“ umfasst als derzeitig gebräuchlichster Oberbegriff (auch „Arbeit am Sozialen“ (May 2005, S.36)) sozialpädagogisches und sozialarbeiterisches Handeln. „Unter diesen beiden Begriffen wird eine Vielzahl von Einrichtungen und Maßnahmen zusammengefasst, die Menschen helfen sollen, sich in ihre Gesellschaft zu integrieren (SozPäd) und in ihr ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht (SozArb).“ (Müller 2005 b, S.748) Das Ziel soll dabei nicht sein ein Individuum in gesellschaftliche Gegebenheiten einzuzwängen, sondern „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu leisten, den Menschen dort abzuholen, wo er steht und ihn in Hilfeprozesse zu partizipieren. (vgl. Kreft u.a. 2005, S.768) Galuske (2005, S.54) bezeichnet die „Hilfe zur Selbsthilfe“ als „mittlerweile zur Worthülse verkommene Leerformel“ und kritisiert zugleich, dass in der klassischen Methodenliteratur eben doch lediglich eine Anpassung des Subjekts „an etablierte Normalitätsstandards“ gemeint wäre.
In den Kernbereichen der Sozialen Arbeit, der Alten, Gesundheits, Kinder und Jugend sowie die Sozialhilfe, werden helfende, beratende, pflegende, erziehende und bildende Tätigkeiten geleistet. (vgl. Kreft u.a. 2005, S.768)
Für die kommenden Absätze und Kapitel dieser Arbeit möchte ich die Leser darauf hinweisen, dass ich die in der Sozialen Arbeit berufliche wirkenden Personen zur Vereinfachung synonym als „Sozialarbeiter“, „Sozialpädagogen“ oder „Helfer“ (frei von anderen Definitionen) bezeichnen werde. Ferner sei es mir entschuldigt, wenn ich, um eine bessere Lesbarkeit meines Aufsatzes bemüht, auf die weiblichen Bezeichnungsformen eben genannter Personengruppen verzichte. Wenn ich also von dem „Sozialarbeiter“ schreibe, so darf und soll sich ebenfalls die Sozialarbeiterin angesprochen fühlen.
Würde Soziale Arbeit ausschließlich mit deren Ziel einer Hilfs und Unterstützungsleistung bedürftiger Menschen in ihren individuell als problematisch angesehenen Lebenslagen gleichgesetzt werden, so bliebe unschlüssig, inwiefern eine Differenzierung zu anderen helfenden Professionen (z.B. Ärzte, Psychologen) erklärbar wäre und womit der Sozialarbeiter seine Bedeutung im Hilfeprozess rechtfertigen könne. Es bedarf demnach einer weiteren Spezialisierung Sozialer Arbeit, um als eigenständige Profession Anerkennung zu finden. Dies geschieht in der Herauskristallisierung von hauptsächlich vier elementaren Merkmalen, die ich nachfolgend darstellen möchte:
a) Soziale Arbeit ist durch ihre Allzuständigkeit gekennzeichnet. Jede individuelle Problemlage kann sozialpädagogische Interventionen auf den Plan rufen. Allzuständigkeit heißt jedoch nicht, dass „die Legitimation dafür geschaffen wird, sich prinzipiell in alles einzumischen. Dies wäre […] eine Überschätzung der professionellen Interventionsmöglichkeiten. Der einzelne Sozialarbeiter kann nicht Fachmann für alles sein und ist nicht Fachmann für alles.“ (Galuske 2005, S.37) Allzuständigkeit meint, dass nicht jedes Thema Sache Sozialer Arbeit ist, es aber eine enorme Vielfalt von Problembereichen gibt, die durchaus zum Thema werden können.
b) Des Weiteren findet keine Monopolisierung von Tätigkeitsfeldern bzw. keine Abgrenzung von Kompetenzbereichen statt, wie dies in anderen Professionen üblich ist. (vgl. ebd., S.38; Gildemeister 1996, S.443) Bei der Fallbearbeitung ist der Helfer meist nicht alleine zuständig. Dieser wirkt oft gemeinsam mit Ärzten, Psychologen, Psychotherapeuten, Lehrern, Juristen, Sonderpädagogen etc., aber auch mit Laien und ehrenamtlichen Mitarbeitern, also in einem so genannten multiprofessionellen Kontext. „Innerhalb dieser professionellen Arbeitszusammenhänge existiert zumeist ein Statusgefälle, das sich z.B. in ungleicher Bezahlung niederschlägt und das seinen Ausdruck zumeist in differierenden Einflusschancen auf die Gesamtarchitektur der Fallbearbeitung findet. Sozialpädagogische Fachkräfte sind nicht selten am unteren Ende der Statushierarchie angesiedelt, nicht zuletzt auch deshalb, weil ihnen […] ein klarer Fokus der Tätigkeit fehlt.“ (Galuske 2005, S.38)
c) Der dritte Aspekt „ist die Schwierigkeit, Kompetenzansprüche in Bezug auf Probleme durchzusetzen, die solche des täglichen Lebens sind […], so dass es für ein Laienpublikum schwer einsehbar ist, dass es hier besonderer Fähigkeiten oder besonderer >Experten< bedarf.“ (Gildemeister 1996, S.444) Laien, so auch Galuske (vgl. 2005, S.40), verstehen oftmals nicht welches spezifische Können (vgl. Kapitel 2.2.3. dieser Arbeit: Handlungskompetenz) es rechtfertigen soll, die Schwierigkeiten des Alltags anderer zu lösen, sich speziell für dieses Faktum ausbilden zu lassen und letztendlich auch noch ein Gehalt dafür zu beziehen. Doch nicht jedes Problem kann im sozialen Umfeld gelöst werden. Oftmals verfügen Klienten Sozialer Arbeit weder über einen quantitativen (Anzahl möglicher Laienhelfer), noch über einen qualitativen (für den Hilfeprozess wertvollen) Bekanntenkreis, der sich in der Fähigkeit ausdrückt, frei von Subjektivität und Eigennutz produktiv zu sein. Doch auch die Soziale Arbeit, weist in den Bereichen „Alltagsnähe, Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz“ des Lebensumfeldes ihrer Klientel durchaus Schwächen auf, welche als Stärken der Laienhilfe gelten. Sozialarbeiter können hingegen „im besten Fall – Distanz, Rationalität, Horizont, Qualifikation und Information in die Waagschale werfen“. (zit. ebd., S.44) Es ist folglich nicht die Frage ob entweder der Laien oder der professionellen Hilfe in Problemlagen der Vorrang einzuräumen ist, sondern wie sie sich (in einem Sowohlalsauch) sinnvoll ergänzen können.
d) Als vierte Bedingung ist die staatliche Abhängigkeit der Sozialen Arbeit, die in bürokratische Strukturen bzw. Organisationen eingebunden ist, eklatant. Sie „agiert im Rahmen eines weit verzweigten, selbst für Fachleute kaum noch überschaubaren Sozialrechts. Professionelle Hilfe kann nur in Kenntnis und in Bezugnahme auf die sozialstaatlichen Gewährleistungsgarantien offeriert werden.“ (Galuske 2005, S.44) Ferner kann diese Hilfeleistung nur dort stattfinden, wo sie von Bund, Ländern und Gemeinden bezahlt wird. Und in Zeiten des knappen Staatshaushaltes fällt zudem die Bewilligung von Geldern meist geringer aus, als für den Problemlösebedarf vonnöten wäre.
„Das Handeln in der Sozialen Arbeit ist damit zwei entgegengesetzten Sphären gleichzeitig verpflichtet, den pädagogischsozialtherapeutischen Maßnahmen auf der einen Seite und den rechtlichorganisatorischen Bedingungen auf der anderen. Dies wird unter dem Stichwort des >doppelten Mandats< angesprochen und steht einer Autonomisierung der Berufsausübung systematisch entgegen.“ (Gildemeister 1996, S.443)
In der Professionalisierungsdebatte von Sozialer Arbeit (vgl. u.a. Galuske 2005, S.121 ff., Merten 2005, S.660 ff.) bekommen die Methoden eine besondere Bedeutung als Handlungswerkzeug zugeschrieben. Sie gelten als ein Glied der professionellen Handlungskompetenz von Sozialpädagogen. „Methoden Sozialer Arbeit sind systematische Handlungsformen für den zielgerichteten beruflichen Umgang mit sozialen Problemen. Sie speisen sich aus professioneller Ethik, Sozial und Humanwissenschaften und reflektierter Berufserfahrung. […] Methoden enthalten Aussagen über die Ziele, Gegenstände und Mittel des reflektierten Handelns; sie sind zielgerichtet, prozessorientiert und systematisch strukturiert.“ (Krauß 2005, S.580) Die jeweiligen Methoden sind bei einem Hilfeprozess jedoch nicht als starre Handlungsrichtung zu verstehen, auch machen sie allein als technisches sozialarbeiterisches Inventar noch lange keinen guten und handlungskompetenten Sozialarbeiter aus. Wohl aber helfen sie, den Berufsalltag zu strukturieren, sowie zu vereinfachen (und dadurch zu entlasten), ferner unterstützen sie die Bearbeitung und Lösung sozialer Problemlagen. Des Weiteren bewirken sie ein selbstbewusstes und souveränes Auftreten der Helfer in ihrer beruflichen Identität (Handlungssicherheit) und mittels Evaluierung eine Steigerung sozialarbeiterischer Reflexion (die auch den Klienten zu Gute kommt). (vgl. Krauß 2005, S.581 f.) „Aus der Sicht der Klienten erhöht methodisches Handeln der Sozialarbeiter die Kalkulierbarkeit der Interventionen und bietet […] Schutz.“ (Galuske 2005, S.160)
Die Handlungskonzepte und Methoden in der Sozialen Arbeit lassen sich in direkt interventionsbezogene Konzepte und Methoden (z.B. im Einzelfall: Soziale Einzelfallhilfe, Klientenzentrierte Beratung, Mediation; gruppenbezogen: Soziale Gruppenarbeit, Gemeinwesenarbeit, Empowerment, Streetwork, Themenzentrierte Interaktion etc.), in indirekt interventionsbezogene (Supervision und...