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E-Book

Demenz - Der Kampf gegen das Vergessen

AutorChristian Schneider, Cornelia Suchan, Thomas Braun, Valerie Grimm
VerlagScience Factory
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl164 Seiten
ISBN9783656570387
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Wie reagiert man am besten, wenn sich der eigene Vater oder die eigene Mutter nicht mehr an einen erinnert? Wie geht man mit der schmerzlichen Erfahrung einer Demenzerkrankung um - sowohl als Betroffener als auch als Angehöriger. Dieses Buch gibt zunächst einen Überblick über das Erscheinungsbild und den Verlauf einer Demenzerkrankung. Im Anschluss stellen die Autoren Möglichkeiten vor, mit der Krankheit umzugehen und sie im besten Fall positiv zu beeinflussen. Aus dem Inhalt: Alzheimer, neurobiologische Grundlagen, Epidemiologie, Möglichkeiten der Versorgung, Basale Stimulation, Biografiearbeit.

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Leseprobe

Neurobiologische Grundlagen der Demenz von Alzheimer Typ


Die medizinische Forschung bemüht sich seit langem die genauen biologischen Ursachen der Krankheit herauszufinden. Würden diese Ursachen bekannt sein, könnte man wirkungsvolle Behandlungsmethoden entwickeln und möglicherweise sogar eine Heilung der Demenz vom Alzheimer Typ erreichen.[31] In diesem Abschnitt möchte ich einige physikalische und chemische Hirnveränderungen, die schon gefunden werden konnten, beschreiben. Das Gehirn besteht von Außen betrachtet aus Kleinhirn, Schläfen-(Temporal-), Frontal-(Stirn-) und Scheitel-(Parietal-) Lappen. Im Inneren des Hirns liegt das limbische System. Das limbische System besteht wiederum aus einer Vielzahl von Strukturen. Unter anderem finden sich hier die Fornix, Hippocampus, Gyrus cinguli, Amygdala, dem parahippokampalen Gyrus sowie Teile des Thalamus.[32] Das von der Alzheimerkrankheit zuerst befallene Teil des Gehirns, ist der Hippocampus, welcher für die Bildung des Langzeit- und Kurzzeitgedächtnisses eine wichtige Rolle spielt, da diese hier lokalisiert sind. Er stellt sozusagen einen Schaltpunkt dar, der gezielt Informationen an andere Hirnteile weiterleitet. Die Zerstörung des Hippocampus weitet sich im weiteren Krankheitsverlauf auf die Hirnlappen aus. So weisen tieferliegende Anteile des Scheitel-, Schläfen- und Frontallappens Zellveränderungen und später eine zunehmende Schrumpfung (Atrophie) auf.[33] Der Scheitellappen ist zuständig für die Steuerung von Sinnesfunktionen wie Temperatur, Körpergefühl, Berührung, Geschmack und die Wahrnehmung von räumlichen Beziehungen. Die räumliche Desorientierung, unkoordinierten Bewegungen und Störungen der Mustererkennung von Alzheimerkranken ist also auf die Schädigung dieses Hirnareals zurückzuführen. In dieser Region des Gehirns findet ebenfalls das Rechnen und Lesen statt. Der Schläfenlappen erfüllt unter anderen die Funktionen des Hörens, des Sprachverständnisses, der Sprachbildung, des Gedächtnisses und des Gehens. Gemeinsam mit dem limbischen System beeinflusst der Temporallappen, Emotionen wie Angst, Freude oder Ärger. Die Antriebslosigkeit, Persönlichkeitsveränderungen und Verhaltensänderungen von Alzheimerpatienten beruhen auf einer Störung des Frontallappens. Dieses Gehirnareal unterstützt die Kontrolle des Gemüts, Feinmotorik, Zukunftsplanung, sowie Ziel- und Prioritätensetzung. Im limbischen System, welches Verhalten und Gefühle beeinflusst, wird weiterhin die Amygdala (Mandelkerne) durch die DAT stark geschädigt. Die Amygdala ist hauptsächlich an dem Erleben von Gefühlen beteiligt.[34] Andere Hirnabschnitte des Gehirns, die für die Grundfunktionen wie Hören, Sehen, Schmerz- und Berührungswahrnehmung verantwortlich sind, bleiben nach einem Ausbruch der Krankheit relativ lange Zeit erhalten. Die wohl wichtigsten Teile des Hirns, die ebenfalls betroffen sind, stellen die Neuronen (Nervenzellen) dar. Im Hirn finden sich Milliarden solcher Neuronen. Sie „können als die Kommunikationsvermittler zwischen den verschiedenen Hirnanteilen und dem Rest des Körpers gesehen werden.“[35]

Physikalische Auffälligkeiten


Die bei der DAT auftretenden physikalischen Auffälligkeiten beschreiben die abnormalen, feingeweblichen Strukturveränderungen im Gehirn, welche die oben beschriebenen Teile betreffen. Eine der Auffälligkeiten sind Neurofibrilläre Bündel. Hierbei handelt es sich um Verklumpungen normaler Eiweißstäbe[36], die paarweise untereinander verdrillt sind. Sie finden sich in den Nervenzellen und ihren Fortsätzen und ihr Aussehen ist tennisschläger- oder flammenförmig. Die Bildung von Neurofibrillären Bündeln ist im Alter normal. Allerdings sind sie bei Alzheimerkranken hauptsächlich im Hippocampus und zerebralem Cortex konzentriert und ihre Anzahl ist deutlich größer.[37] Der Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der Demenz und der Anzahl Neurofibrillären Bündeln macht es wahrscheinlich, dass diese Bündel direkt mit den Hirnfunktionsstörungen zu tun haben. Einen weiteren Indikator für die Schwere der Krankheit sind neuritische Plaques. Plaques kommen ebenfalls in geringerer Anzahl bei nicht erkrankten Menschen vor und finden sich außerhalb der Nervenzellen. Es handelt sich hierbei um fleckenförmige Eiweißablagerungen des stärkeähnlichen Proteins Amyloid. Man unterscheidet drei Arten von Plaques: Primitive, bei denen relativ wenig, Klassische und Amyloide, bei denen viel Amyloid enthalten ist. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sich um den Amyloidkern absterbende Zellbruchstücke der Nervenzellen befinden. Bei Alzheimerkranken treten sie hauptsächlich in den Hirnregionen auf, die von der Krankheit am stärksten betroffen sind. Ob die geschädigten Hirnregionen die Plaques hervorrufen oder die Plaques die Hirnschädigungen, ist noch nicht geklärt. Es wird vermutet, dass das Amyloid das Immunsystem stört. Die Regionen, die Plaques aufweisen, könnten in dem Fall vom Immunsystem bekämpft werden.[38] Die dritte Auffälligkeit sind Granulovakuoläre Degenerationen (GVD). Sie betreffen die Neuronen im Hippocampus und befinden sich in deren Zytoplasma. Im Plasma bilden sich kleine, flüssigkeitsgefüllte Vakuolen (Hohlräume), die mit dichtem, körnigem Material gefüllt sind. Dadurch weitet sich das Zytoplasma der Neuronen aus und es kommt zu Fehlfunktionen oder Zerstörungen der Hirnzellen. Die GVD sind bezüglich ihrer Verteilung und ihres Vorkommens im Hippocampus eng mit den Neurofibrillären Bündel verbunden. Man nimmt an, dass sie immer gemeinsam auftreten.[39] Hirano-Körperchen sind eine weitere Veränderung des Gehirns bei der Alzheimerschen Krankheit. Sie betreffen ebenfalls vor allem den Hippocampus und lassen sich bei jedem Menschen finden. Ihre Herkunft und Bedeutung für Gedächtnisbeeinträchtigungen ist jedoch noch nicht bekannt. Manche Forscher glauben, dass Hirano-Körperchen Ribosomen[40] einschließen können. Angesichts dessen würde die RNA behindert und so wäre es nicht mehr möglich Erinnerungsspuren zu formen.[41] Neben diesen Veränderungen kommt es bei der DAT zu einer Ablagerung von Amyloid in kleinen Blutgefäßen der Großhirnrinde und der weichen Hirnhäute. Man nennt diese Ablagerungen kongophile Angiopathie[42]. Die Bedeutung ist noch nicht bekannt aber ein Zusammenhang zwischen Alzheimer und den Ablagerungen fasst nicht auszuschließen. Untersuchungen ergaben, dass sie bei etwa 90 Prozent aller Erkrankten zu beobachten sind, während nur etwa 10 Prozent der gesunden Menschen solche Hirnveränderungen aufweisen.[43]

Die fünf genannten Auffälligkeiten stehen auf jedem Fall mit der Alzheimerkrankheit in Verbindung. Die Forschung hat nun die Aufgabe herauszufinden, ob diese Veränderungen Ursache oder Folge der Krankheit sind.

Neurochemische Veränderungen


Die Forschung nach Neurochemischen Veränderungen in Zusammenhang mit der DAT ist noch recht jung. Erste Untersuchungen wurden in den siebziger Jahren vorgenommen.[44] Sie kamen zu der Erkenntnis, dass bei Alzheimerkranken wichtige chemische Stoffe, die das Gehirn zur Speicherung, Verarbeitung und Übertragung von Informationen benötigt, erniedrigte Konzentrationen aufweisen. Die chemischen Überträgerstoffe werden Neurotransmitter genannt. Neuronen gehen mit anderen Neuronen Verbindungen ein, um Botschaften zu transportieren. Dabei schüttet eine Nervenzelle am Ende ihres Axons[45] eine bestimmte Botschaft in Form eines chemischen Stoffes aus, der sich an der hochspezialisierten Berührungsstelle zu einer anderen Nervenzelle, der Synapse, mit einem anderem chemischen Stoff verbindet. Fehlt einer dieser chemischen Überträgerstoffe können Neuronen nicht miteinander kommunizieren. Neuronen ohne Neurotransmitter sind somit unbrauchbar. Werden viele Neuronen zerstört, führt dies zu einer starken Einschränkung der menschlichen Fähigkeiten zu handeln, zu denken und sich zu erinnern. Die Kommunikation zwischen den Hirnanteilen und dem Hirn mit dem Rest des Körpers funktioniert nicht mehr. Neuronen die den gleichen Neurotransmitter benutzen heißen Neurotransmittersysteme. Die Alzheimersche Krankheit schädigt vor allem das cholinerge Neurotransmittersystem, welches wahrscheinlich für das Denken und Gedächtnis zuständig ist. Die Nervenzellen des cholinergen Systems bedienen sich des Neurotransmitters Acetylcholin und den zwei Enzymen, Cholinacetyltransferase und Acetylcholinesterase, um untereinander Botschaften auszutauschen. Bei der DAT kommt es zu einem Verlust dieser Stoffe und dadurch schließlich zu einem Zusammenbruch des kompletten Systems. Dies führt wiederum zu einer verminderten Stimulation des temporalem Cortex und des Hippocampus.[46] Viele der kognitiven und emotionalen Gedächtnis-und Verhaltensänderungen könnten darauf zurückgeführt werden. Von chemischen Veränderungen bzw. einer Abnahme der nötigen Neurotransmitter sind in geringerem Ausmaß auch das serotonerge, das noradrenerge und das somatische System betroffen. Die genauen Funktionen dieser Systeme sind noch nicht genau bekannt. Man nimmt an, dass das serotonerge System die...

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