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E-Book

Madame Blavatsky

Eine Biographie

AutorNatalja Sharandak, Ursula Keller
VerlagInsel Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl380 Seiten
ISBN9783458735274
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Bereits zu Lebzeiten war Helena Petrowna Blavatsky (1831-1891) weltweit berühmt. Sie bereiste die entlegensten Winkel des Globus, gründete eine spirituelle Bewegung, inszenierte sich als Trägerin okkulten Urwissens und galt als »Sphinx des 19. Jahrhunderts«. Nichts weniger als den Schlüssel zur Erklärung aller Welträtsel beanspruchte sie mit ihrer Lehre gefunden zu haben, die sie in ihren Hauptwerken »Isis entschleiert« (1877) und »Die Geheimlehre« (1888) darlegte. Ihre Philosophie bildete die Grundlage für Rudolf Steiners anthroposophische Lehre. Auch auf bedeutende Künstler hatten Blavatskys Ideen großen Einfluss, u. a. auf Hermann Hesse, James Joyce, T. S. Eliot, William Butler Yeats, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Paul Gauguin, Gustav Mahler und Jean Sibelius. Das Leben der 'Madame Blavatsky' ist von zahlreichen Legenden umrankt. Bis heute wird die Begründerin der Theosophie von ihren Verehrern gefeiert, von den Gegnern indes als Betrügerin und Scharlatanin verteufelt. Die erfolgreichen Autorinnen Ursula Keller und Natalja Sharandak haben in Archiven die Briefe, Erinnerungen und Schriften Blavatskys gesichtet und zeichnen das Porträt der Frau, die bisher hinter dem Mythos um ihre Person verborgen blieb.

<p>Ursula Keller hat Slavistik und Germanistik studiert; zahlreiche Forschungsaufenthalte in Ru&szlig;land. Sie lebt als freie Autorin und &Uuml;bersetzerin in Berlin.</p>

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Leseprobe

Vorwort


»Die ganze unverhüllte Wahrheit über mein Leben jemals zu offenbaren, ist unmöglich.«

 

Am 7. September 1875 versammelten sich in New York, in der Wohnung der russischen Weltreisenden Helena Petrowna Blavatsky, Irving Place 46, 17 Personen und beschlossen die Gründung der Theosophischen Gesellschaft. »Die Theosophische Gesellschaft, das bin ich«, sagte H.?P.?B., wie Blavatsky von ihren Anhängern monogrammatisch kurz genannt wurde, später von sich selbst. Sie war Kopf, Seele und ideologische Kraftquelle dieser »neuen universalen Religionsphilosophie«.

Die Theosophische Gesellschaft wollte als Nucleus einer »Universalen Bruderschaft« den Grundstein legen zu einer Zukunft der Menschheit ohne Unterschied von Herkunft, Glaube, Geschlecht oder Hautfarbe. »Gäbe es keine Dogmen«, schrieb Blavatsky im Juli 1878, »dann gäbe es auch keine Protestanten, Katholiken, Buddhisten usw. usf. Alle glaubten an denselben Gott …, alle fühlten sich als Brüder, als Kinder eines Vaters. Den Menschen wäre es zuwider, einander in Kriegen zu vernichten, einander wie die Raubtiere zu peinigen und zu martern.«1 Deshalb sei es notwendig, »alle Religionen, Sekten und Völker durch eine allgemeine Ethik, welche auf ewigen Wahrheiten gründet, miteinander zu versöhnen«.2

Als Reaktion auf den Positivismus und Materialismus der exakten Wissenschaften war die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts von einem besonderen Interesse für religiöse Ideen und esoterische Phänomene geprägt. In der von zahlreichen Zeitgenossen empfundenen geistigen und moralischen Krise jener Jahre sahen viele den Schlüssel zur Errettung aus einer ausweglos scheinenden Situation in der Erleuchtung der Menschheit, man strebte nach geistiger Vervollkommnung und Überwindung des Irdischen. Beim Christentum fanden viele der Suchenden keine befriedigenden Antworten auf ihre Fragen, und so wandten sie sich neuen spirituellen Persönlichkeiten zu, die durch die Einbeziehung mystischer Einsichten aller Weltreligionen mit ihrer Lehre jenes Interesse an okkulten und mystischen Themen befriedigten, welches die Epoche prägte.

Die Theosophie sah sich zum einen in der Nachfolge der historischen Schulen des Neoplatonismus, Gnostizismus und der Mystik und versuchte darüber hinaus, westliche und besonders auch nichtwestliche religiöse Traditionen mit dem in jenen Jahren populären Okkultismus sowie mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu einer neuen Lehre zu verbinden.

Helena Petrowna Blavatsky war eine der ersten Frauen, die als Begründerin einer neuen spirituellen Bewegung die Bühne der Öffentlichkeit betrat. Als schillernde Persönlichkeit gilt Madame Blavatsky, von Rätseln und Gerüchten umgeben, bis heute als »Sphinx des 19. Jahrhunderts«. Ungeachtet der Skandalgeschichten, mit denen die Biographie der Hohepriesterin der Theosophie umgeben ist, überzeugten ihre Antworten auf die Fragen der Zeit nicht nur ihre zahlreichen Anhänger, sondern beeinflussten auch maßgeblich die künstlerische Avantgarde des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Als »Stammmutter der Esoterik« hat sie die in jener Zeit von den Sprach- und Religionswissenschaften eingeleitete Renaissance der östlichen Religionen popularisiert und dazu beigetragen, dass Begriffe wie »Karma«, »Reinkarnation« und »Nirwana« heute zum Allgemeinwissen gehören.

 

Helena Petrowna Blavatsky wurde am 31. Juli 1831 in der im Süden des Russischen Reiches gelegenen Stadt Jekaterinoslaw als erstes Kind des Obersten der Armee des Zaren, Peter von Hahn, und seiner aus einer Familie des russischen Hochadels stammenden Frau Helena geboren. Die Großmutter mütterlicherseits, Helena Pawlowna Fadejewa, eine gebürtige Fürstin Dolgorukowa, war eine anerkannte Naturforscherin, die mit den bedeutenden Wissenschaftlern ihrer Zeit korrespondierte; die frühverstorbene Mutter Blavatskys, Helena Andrejewna von Hahn, ging als eine der ersten professionellen Schriftstellerinnen Russlands in die Literaturgeschichte ein und wurde von der zeitgenössischen Kritik mit George Sand verglichen. Weibliches Selbstbewusstsein und weibliche Autonomie prägten die Persönlichkeit Helena Blavatskys also von frühester Kindheit an.

Mit gerade einmal achtzehn Jahren heiratete Helena den mehr als doppelt so alten Nikifor Blavatsky, den sie bald darauf für immer verließ. Ihr unabhängiger Charakter und ihre Verachtung der öffentlichen Meinung fanden ihren Ausdruck nicht zuletzt in ihren Beziehungen zum »starken Geschlecht«, welche für ihre späteren Widersacher häufig Anlass zu übler Nachrede boten. »Die Frau findet ihr Glück darin, übernatürliche Kräfte zu erlangen«, konstatierte die von den wenigen Objekten ihrer Liebe enttäuschte Blavatsky. »Die Liebe ist lediglich ein böser Traum, eine Fieberphantasie.«3

Nachdem sie sich von ihrem Ehemann getrennt hatte, verließ Blavatsky auch Russland. Die folgenden fast zwei Jahrzehnte ihres Lebenswegs stellte Blavatsky im Nachhinein als ihre esoterischen Lehr- und Wanderjahre dar, die sie durch Europa, Amerika und Asien bis ins Zentrum des okkulten Weltwissens, nach Tibet, geführt hätten, wo sie insgesamt sieben Jahre gelebt habe und als Schülerin geheimnisvoller Meister der Weisheit in einer okkulten absoluten Geheimlehre initiiert worden sei. Tatsächlich jedoch sind diese Jahre der Biographie Blavatskys fast vollständig hinter einem Schleier von Halbwahrheiten und Verklärungen verschwunden, der vermutlich niemals zur Gänze gelüftet werden kann. Blavatskys eigene Angaben über jene Zeit sind widersprüchlich und zugleich voll überzeugender Details, sodass es unmöglich ist, Dichtung und Wahrheit voneinander zu unterscheiden.

Einige Male hielt Helena Blavatsky sich in jenen Jahren für längere Zeit in Russland auf, wo sie als Medium bei spiritistischen Sitzungen Aufsehen erregte und als Unternehmerin zu 10reüssieren suchte. Im Januar 1873 reiste sie von Odessa nach Paris und kehrte nie wieder in ihre Heimat zurück.

Nach ihrer Ankunft in New York im Juli desselben Jahres begann Blavatskys Aufstieg in die Sphären internationaler Berühmtheit. In der »Welthauptstadt des Spiritismus«, dem kleinen Ort Chittenden im Bundesstaat Vermont, begegnete sie dem Colonel a.?D. Henry Steel Olcott, den sie sogleich in ihren Bann zog. Sie sei von ihren Meistern nach Amerika gesandt, »um die Falschheit der spiritistischen Theorie hinsichtlich der Geister aufzudecken«4, erklärte sie ihm. Während der folgenden Jahre waren die »theosophischen Zwillinge« unzertrennlich auf ihrer gemeinsamen Suche nach einer dem herrschenden Materialismus entgegengesetzten Lösung des »Welträtsels«.

Im Jahr der Gründung der Theosophischen Gesellschaft begann Blavatsky mit der Niederschrift des ersten ihrer beiden Hauptwerke. In ihrem Buch Isis entschleiert, das 1877 erschien und, wie auch ihre elf Jahre später veröffentlichte Geheimlehre, nach Angaben der »Schreiberin« dank der Anweisung und Inspiration ihrer geheimnisvollen Meister aus dem Jenseits entstanden sei, unterzog die Blavatsky die materialistisch-positivistische Naturwissenschaft und den religiösen Dogmatismus ihrer Zeit einer fundamentalen Kritik und wurde zur internationalen Bestsellerautorin.

Mit Beginn des Jahres 1879 wurde Indien, das seit der Romantik als »Wiege der Menschheit« galt, die neue Wahlheimat der Theosophen. Im Traumland Indien, dem positiven Gegenbild zum zunehmend säkularisierten Westeuropa, wandten sich Blavatsky und Olcott auf der Suche nach Erleuchtung dem Buddhismus und dem Hinduismus sowie dem Raja-Yoga zu.

Von Indien aus trat die Theosophie ihren Triumphzug durch die Welt an. Die britische Kolonialmacht sah in der Russin und ihrer spirituellen Lehre indes eine Gefahr für die Herrschaft über die »Eingeborenen«. Nicht zuletzt aufgrund der Unterstützung durch die Theosophische Gesellschaft besann die indische Bevölkerung sich zunehmend auf die Werte ihrer 11eigenen Religionen und Kultur, was in der Gründung des Indischen Nationalkongresses 1885 seinen Niederschlag fand.

In Indien intensivierte sich auch die Verbindung mit den geheimnisvollen Meistern, den »Mahatmas«, deren Bevollmächtigte Madame Blavatsky zu sein behauptete. Die Meister hätten ihren Lebensweg geleitet und ihr den Auftrag zur Gründung der Theosophischen Gesellschaft erteilt, deren Mission es sei, die Entwicklung der Menschheit positiv zu beeinflussen. Die Mahatmas traten auch mit auserwählten theosophischen Weggefährten in Kontakt, ein reger Briefwechsel begann, bisweilen erschienen sie ihnen gar. Diese Entwicklung rief nicht nur in der Theosophischen Gesellschaft, sondern mehr noch in der ihr ohnehin in großen Teilen skeptisch gegenüberstehenden Öffentlichkeit Misstrauen hervor. Als russische Spionin, Betrügerin und Hochstaplerin gebrandmarkt, die sich habe bereichern wollen, unter »religiöser Manie« und Geltungssucht leide, musste Blavatsky Indien 1885 verlassen und irrte zwei Jahre durch Europa, bis sie sich schließlich in London niederließ, wo sie sich phönixgleich zu neuen Höhen erhob. Mit der Veröffentlichung ihres Opus magnum Die Geheimlehre wurde die aus dem ihr heiligen Land rechtlos Verbannte zur allseits verehrten Hohepriesterin der Theosophie und starb am 8. Mai 1891 auf dem Höhepunkt ihres Ruhms.

Die Theosophische Gesellschaft aber lebte weiter. Annie Besant trat Blavatskys Vermächtnis an und verstärkte die Ausrichtung der Theosophie auf Indien, insbesondere zum Hinduismus. Die Neuorientierung der Theosophie unter Blavatskys Nachfolgerin gefiel...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Informationen zum Buch oder Autor2
Titel3
Impressum4
Inhalt5
Vorwort7
I In Obhut der Familie (Russland 1831-1850)18
1 Ein eigensinniges junges Ding18
2 Nomadenkindheit21
3 Phantasien, Wunder, Visionen38
4 Eine aufsehenerregende junge Dame. Tiflis.45
II Jahre der Suche (1850-1873)52
1 Verklärte Reisen52
2 Begegnung mit dem Meister62
3 Auf unbekannten Wegen68
4 Rückkehr nach Russland78
5 Jurij86
6 Russland ade98
III In der neuen Welt (Amerika 1873-1878)106
1 Eine russische Aristokratin in New York106
2 Vertrauter, Schüler, Manager: Henry Steel Olcott114
3 »Ich ward von den Meistern gesandt« Die Geburt der Theosophischen Gesellschaft131
4 »Ein höheres und erleuchtetes Ich«. Isis entschleiert142
IV Im Land der Meister (Indien 1879-1885)168
1 Ankunft in Indien168
2 Begegnungen und Wunder177
3 Briefe aus dem Astral185
4 Der Schrein der Meister195
5 Theosophische Begehrlichkeiten205
6 Unter Verdacht214
7 Abschied224
V Hohepriesterin der Theosophie (Europa 1885-1891)233
1 Exil in Würzburg233
2 Erst Freund, dann Feind: Wsewolod Solowjow247
3 Von den Meistern unentdeckt. Fehler in Die Geheimlehre260
4 London, Lansdowne Road 17266
5 Annie284
6 Die letzte Station. London, Avenue Road 19294
Anhang: Dokumente302
1 Blavatskys Brief an den Kommandanten der Gendarmerie von Odessa (1872)302
2 Meine Beichte: Blavatskys Brief an Wsewolod Solowjow (1886)308
Anmerkungen314
Vorwort314
I. In Obhut der Familie314
II. Jahre der Suche316
III. In der neuen Welt320
IV. Im Land der Meister324
V. Hohepriesterin der Theosophie329
Anhang: Dokumente335
Bibliographie336
I. Schriften336
II. Sekundärliteratur337
Personenregister351
Bildteil359

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