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Fließgewässer- und Auenentwicklung

Grundlagen und Erfahrungen

VerlagSpringer-Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl524 Seiten
ISBN9783540268529
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis109,99 EUR

Natürliche Fließgewässerlandschaften sind dynamische Abfluss-, Retentions- und Lebensräume. Früher wurden bei Gewässerausbauten diese wichtigen Funktionen meist nicht ausreichend berücksichtigt. Die Folgen sind zum Teil massive Störungen des Wasserhaushaltes, die sich insbesondere auf die Abflüsse (Hoch- und Niedrigwasser) und die morphologischen Gewässerbettstrukturen auswirken, aber auch den Naturhaushalt der Fließgewässer- und Auenlandschaften verändert haben. Konsequenterweise wurden zunehmend Forderungen zum Schutz, zur Wiederherstellung oder Schaffung naturnäherer Verhältnisse in und an Fließgewässern einschließlich ihrer Auen laut.

Bei der Konzeption dieses Buches wurde eine ganzheitliche Betrachtungsweise gewählt. Die Eigenschaften (Besonderheiten) von natürlichen Fließgewässerlandschaften werden ebenso erläutert, wie die Auswirkungen von menschlichen Einflüssen auf die Fließgewässerentwicklung. Aktuelle Vorgehensweisen im Zusammenhang mit dynamischen Gewässer- und Auenentwicklungen werden nachvollziehbar dargestellt und durch zahlreiche Beispiele aus unterschiedlichen Gewässerlandschaften ergänzt.



Dr. Jürging war Leiter des Referats Landespflege beim Bayerischen Landesamt für Wasserwirtschaft in München.

Prof. Patt ist Leiter des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft der Universität Duisburg-Essen. Als Herausgeber wirkte er beim Hochwasser-Handbuch (Springer-Verlag) mit.

Von den beiden Autoren ist das ebenfalls im Springer-Verlag erschienene Fachbuch 'Naturnaher Wasserbau' erhältlich.

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Leseprobe

4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele (S. 123-124)

Hanns-Jörg Dahl (Kap. 4.1)
Peter Jürging (Kap. 4.2)
Heinz Patt (Kap. 4.2)


Naturnahe Fließgewässer und Auen sind sehr empfindliche Naturräume, die in Mitteleuropa fast vollständig verschwunden sind. Umso bedeutsamer ist es, die verbliebenen naturnahen Gewässerstrecken und Auen besonders zu schützen und bereits beeinflusste Abschnitte so weit wie möglich wieder in Richtung Naturnähe zu entwickeln. Die Realität zeigt, dass diese Ziele oft nicht einfach zu verwirklichen sind. Die vielerorts vorhandenen Nutzungen limitieren den Spielraum in beträchtlichem Ausmaß. Mehr noch, der Druck auf die wenigen intakten Fließgewässerlandschaften bzw. Fließgewässerstrecken scheint in den letzten Jahren noch zu wachsen. Oft fehlt die Einsicht des wirtschaftlich denkenden Menschen, dass derartige Lebensräume aufgrund ihrer Einmaligkeit geschützt werden müssen, damit diese nicht auf Dauer verloren gehen.

Unterschutzstellungen oder Umgestaltungsmaßnahmen sind ungleich schwerer zu begründen, da sie Ziele verfolgen, die zunächst keine monetären Vorteile erkennen lassen, vielleicht sogar Folgekosten verursachen. Von den ersten warnenden Stimmen in Sachen Fließgewässer- und Auenschutz bis zu den ersten Fließgewässer rena turierungen war es ein weiter Weg. Viele Veränderungen in Sachen Gewässerschutz wurden erst auf den Weg gebracht, als die Schäden nicht mehr wegdiskutiert werden konnten. Heute bietet das vorhandene rechtliche Instrumentarium – neben einem weitreichenden Schutz der Fließgewässer- und Auenlandschaften – auch die Möglichkeit, naturferne Abschnitte wieder in Richtung auf mehr Naturnähe zu entwickeln. Problematisch sind meist die auftretenden Konflikte mit vorhandenen oder geplanten Nutzungen. Umso wichtiger ist es, dass Fließgewässer- und Auenentwicklungen ein gesellschaftlich tragbares Konzept verfolgen, in dem auch aufkommende oder vorhandene Konflikte nicht ausgeklammert werden.

4.1 Geschichte

Die Auseinandersetzung des Menschen mit den Fließgewässern ist so alt wie die Kultur. Der Mensch siedelte bevorzugt an Fließgewässern, um die Vorteile des fließenden Wassers zu nutzen (u.a. Bereitstellung von Trink- und Brauchwasser, Abführung von Abwasser, Fischerei, Schutz vor Feinden, Wasserkraft, fruchtbare Aueböden), und nahm die Gefahr von Hochwässern dafür in Kauf bzw. siedelte auf Hochufern, Flussdünen und künstlichen Warften so, dass Schäden durch Hochwässer nicht auftreten konnten bzw. minimiert wurden. Gleichzeitig begann der Mensch, die Fließgewässer nach seinen Erfordernissen zu verändern, wie zum Beispiel ihren Lauf festzulegen, aufzustauen, Wasser abzuleiten und Flächen zu entwässern. Im Folgenden soll die Wandlung der Gesellschaft und der Wasserwirtschaft als Teil der Gesellschaft in ihrer Einstellung zu den Gewässern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschrieben werden. Um eine kurze, aber konsistente Darstellung dieser Entwicklung zu ermöglichen, soll dies hier am Beispiel des Landes Niedersachsen erfolgen. Vergleichbare Entwicklungen hat es auch in anderen Bundesländern gegeben. 4.1.1 Umdenkprozesse In der ersten Hälfte des 20.

Jahrhunderts war die Auffassung von Herder’s (1784 – zitiert in Körner, 2001) noch weit verbreitet, dass die Schöpfung (die Natur) durch menschliche (bäuerliche) Kultur erst vervollkommnet wird. Kulturtechnik bzw. Landeskultur sei die Keimzelle aller Kultur, der selbstverständlich auch die Wasserwirtschaft unterzuordnen war. Die Geschichtsphilosophie von Herder’s wurde vom Nationalsozialismus zur Blut und Boden-Theorie dahingehend pervertiert, dass einer nordischen bäuerlichen, an den Boden gebundenen, daher überlegenen Kulturrasse, südliche und östliche, nicht an den Boden gebundene, daher minderwertige Nomaden- und Händlerrassen gegenüber ständen. Die nordische Herrenrasse habe deshalb den geschichtlichen Auftrag, ihren Kulturkreis auszudehnen. Die von Herder’sche Auffassung wurde auch durch politische Rahmenbedingungen gefördert.

Inhaltsverzeichnis
Vorwort der Herausgeber5
Autoren9
Inhaltsverzeichnis13
1 Einführung und Systematik19
1.1 Geltungsbereich19
1.2 Gliederung des Buches19
1.3 Für wen ist dieses Buch gedacht?21
1.4 Arbeit der Herausgeber21
2 Natürliche Fließgewässer und Auen23
2.1 Ökosystembausteine24
2.1.1 Abflussdynamik24
2.1.2 Feststoffdynamik27
2.1.3 Morphodynamik, Laufentwicklung28
2.1.4 Physikalische und chemische Faktoren32
2.2 Besiedlungsdynamik36
2.2.1 Abflussgeschehen37
2.2.2 Feststoffhaushalt38
2.2.3 Morphologische Strukturen38
2.3 Ökosytemare Zusammenhänge44
2.3.1 Organische Strukturen44
2.3.2 Längs- und Quervernetzung45
2.3.3 Nahrungskette46
2.4 Lebensräume und Lebensgemeinschaften51
2.4.1 Freier Fließwasserkörper52
2.4.2 Sohle54
2.4.3 Ufer56
2.4.4 Aue60
2.4.5 Altgewässer63
3 Mensch und Fließgewässer65
3.1 Frühe Nutzungen65
3.1.1 Alte Wasserkulturen65
3.1.2 Mühlkanäle, Mühlgräben66
3.1.3 Schifffahrt67
3.1.4 Flößerei68
3.1.5 Teiche71
3.1.6 Wässerwiesen und Bewässerungsgräben72
3.1.7 Flussbau und Hochwasserschutz74
3.1.8 Brandenburg, Land der Wasserkultur78
3.1.9 Kulturtechnik contra Natur?79
3.2 Heutige Nutzungen80
3.2.1 Inanspruchnahme von gewässernahen Flächen82
3.2.2 Wasserwirtschaft und Wasserbau84
3.2.3 Bedeutsame Nutzungen92
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue106
3.3.1 Veränderung der Ökosystembausteine106
3.3.2 Veränderung der biotischen Faktorenkomplexe113
3.3.3 Lebensräume und Lebensgemeinschaften115
3.3.4 Fließgewässerunterhaltung129
3.3.5 Auswirkungen von Freizeit- und Erholungsaktivitäten134
3.3.6 Besonderheiten urbaner Fließgewässer136
4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele141
4.1 Geschichte141
4.1.1 Umdenkprozesse142
4.1.2 Vom technischen Ausbau zur Biotopgestaltung (1965–1980)143
4.1.3 Ansätze zur systematischen Renaturierung –das Niedersächsische Fließgewässerschutzsystem (1980–1990)147
4.1.4 Vom Fließgewässerprogramm zur Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (1990–2000)151
4.2 Entwicklungsziele152
4.2.1 Nutzungsorientierte Ziele152
4.2.2 Förderung der Fließgewässerentwicklung154
4.2.3 Naturschutzfachliche Zielkonflikte165
5 Rechtliche Grundlagen171
5.1 EG-Wasserrahmenrichtlinie171
5.1.1 Ziele173
5.1.2 Instrumente174
5.1.3 Stand der Arbeiten in Deutschland179
5.2 Wasserrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung181
5.2.1 Systematik des deutschen Wasserrechts181
5.2.2 Gewässerausbau185
5.2.3 Gewässerunterhaltung196
5.2.4 Festsetzung von Überschwemmungsgebieten200
5.2.5 Beschränkungen der Gewässerbenutzung201
5.3 Naturschutzrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung203
5.3.1 Landschaftsplanung204
5.3.2 Eingriffe in Natur und Landschaft204
5.3.3 Unterschutzstellung von Natur und Landschaft205
5.3.4 Gesetzlicher Biotopschutz207
5.3.5 Besonderer Schutz von Gewässern und Uferzonen207
6 Planung der Fließgewässerentwicklung209
6.1 Planungsinstrumente209
6.1.1 Begriffe211
6.1.2 Planungsstufen212
6.1.3 Gewässerentwicklungsplan223
6.1.4 Hinweise zur Umsetzung der Fließgewässerentwicklungsplanung230
6.1.5 Kontrolle und Fortschreibung232
6.1.6 Landschaftsbild233
6.2 Allgemeine, flächendeckende wasserwirtschaftliche und naturschutzfachliche Planungsgrundlagen235
6.2.1 Gewässertypologie235
6.2.2 Fließgewässerstrukturkartierung248
6.2.3 Fließgewässerlandschaften250
6.2.4 Biotopkartierungen252
6.2.5 Arten- und Biotopschutzprogramme253
6.2.6 Natura 2000254
6.3 Gewässerkategorien und Fragen der Bewertung255
6.3.1 Gewässerkategorien gemäß EG-Wasserrahmenrichtlinie256
6.3.2 Bewertung von Fließgewässern261
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen268
6.4.1 Hydrometrie – Ermittlung von Planungsdaten269
6.4.2 Hydrologie und Wasserwirtschaft270
6.4.3 Feststofftransport und Morphologie275
6.4.4 Wasser-(Fluss)-bauliche Methoden282
6.4.5 Leitlinien des Hochwasserschutzes295
6.4.6 Sport, Freizeit und Erholung302
6.5 Besonderheiten der Planung in urbanen Bereichen306
6.5.1 Stadthydrologie306
6.5.2 Gewässerstrecken in der Stadt311
6.5.3 Hochwasserschutz urbaner Bereiche320
6.5.4 Naherholung323
6.6 Fließgewässerunterhaltung326
6.6.1 Naturschonende Gewässerunterhaltung327
6.6.2 Unterhaltung urbaner Fließgewässer337
6.7 Öffentlichkeitsbeteiligung338
6.7.1 Verpflichtung zur Beteiligung der Öffentlichkeit bei Planfeststellungen339
6.7.2 Information und Anhörung der Öffentlichkeit339
6.7.3 Gewässer-Nachbarschaften, Regionaler Erfahrungsaustausch340
6.7.4 Bachpatenschaften341
6.7.5 Runde Tische342
6.7.6 Information durch Broschüren, Ausstellungen, Tagungen, Führungen, Pressetermine, Internet342
6.8 Finanzierungsmöglichkeiten, Förderprogramme343
6.8.1 Zielsetzung der zu finanzierenden Renaturierungsmaßnahmen344
6.8.2 Mögliche Finanzierungswege346
7 Erfahrungen349
7.1 Die Fulda (Hessen) – Ökologisches Gesamtkonzept für Fulda- und Hauneaue im Landkreis Hersfeld-Rotenburg350
7.1.1 Ausgangssituation und Anlass351
7.1.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte352
7.1.3 Maßnahmenplanungen356
7.1.4 Umsetzung einzelner Maßnahmen358
7.1.5 Entwicklungen und Erfahrungen361
7.2 Die Lippe (Nordrhein-Westfalen) – Gewässerauenprogramme an einem Flachlandfluss363
7.2.1 Ausgangssituation363
7.2.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte365
7.2.3 Planung und Maßnahmen366
7.2.4 Entwicklungen und Erfahrungen371
7.3 Die Niederung der Schwarzen Elster (Brandenburg) –Entwicklungsmaßnahmen im Auebereich des Mittellaufes374
7.3.1 Ausgangssituation und Anlass375
7.3.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte376
7.3.3 Planungen und Maßnahmen378
7.3.4 Entwicklungen und Erfahrungen382
7.4 Die Sieg (Nordrhein-Westfalen) – Entwicklungsmaßnahmen an einem Mittelgebirgsfluss384
7.4.1 Ausgangssituation und Anlass384
7.4.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte386
7.4.3 Maßnahmen387
7.4.4 Entwicklungen und Erfahrungen393
7.5 Die Ahr (Rheinland-Pfalz) – Fließgewässerentwicklung an einem Mittelgebirgsfluss395
7.5.1 Ausgangssituation und Anlass395
7.5.2 Ziele398
7.5.3 Maßnahmen399
7.5.4 Entwicklungen und Erfahrungen406
7.6 Die Wümme (Niedersachsen/Bremen) – Gewässerentwicklungsmaßnahmen an einem Flachlandfluss408
7.6.1 Ausgangssituation und Anlass408
7.6.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte410
7.6.3 Planung und Maßnahmen413
7.6.4 Entwicklungen und Erfahrungen415
7.7 Das Stadtgewässer Emscher (Nordrhein-Westfalen) – Fließgewässerentwicklung in einer Industrieregion418
7.7.1 Ausgangssituation und Anlass418
7.7.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte419
7.7.3 Planung und Maßnahmen421
7.7.4 Entwicklungen und Erfahrungen425
7.8 Weiterentwicklung der Acher-Rench-Korrektion in der mittelbadischen Oberrheinebene (Baden-Württemberg)426
7.8.1 Ausgangssituation und Anlass426
7.8.2 Gewässerentwicklungsplan427
7.8.3 Planung und Maßnahmen427
7.8.4 Entwicklungen und Erfahrungen432
7.9 Die Isar (Bayern) – Ein alpiner Wildfluss434
7.9.1 Ausgangssituation und Anlass435
7.9.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte438
7.9.3 Planung und Maßnahmen439
7.9.4 Entwicklungen und Erfahrungen445
7.10 Die Thur (Schweiz) – Grenzgewässer zwischen den Kantonen Zürich und Thurgau446
7.10.1 Ausgangssituation und Anlass446
7.10.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte447
7.10.3 Planung und Maßnahmen450
7.10.4 Entwicklungen und Erfahrungen454
7.11 Der Wiesenbach (Schweiz) – Eine Bachöffnung im Zusammenhang mit dem Nationalstraßenbau456
7.11.1 Ausgangssituation und Anlass456
7.11.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte457
7.11.3 Planung und Maßnahmen458
7.11.4 Entwicklung und Erfahrungen458
7.12 Alterbach und Söllheimerbach (Salzburg – Österreich)459
7.12.1 Ausgangssituation Hochwasserproblematik und Projektzeitplan459
7.12.2 Zielzustand461
7.12.3 Das Alterbachsystem im Wandel der Zeit461
7.12.4 Maßnahmenplanung464
7.12.5 Monitoring467
7.12.6 Entwicklungen und Erfahrungen469
Abkürzungsverzeichnis473
Glossar475
Literaturverzeichnis495
Farbtafeln519
Sachwortverzeichnis537

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