Um nun einen Einblick in die Theorie der Leistungsmotivationsforschung zu erlangen, ist es notwendig auf einige Modelle einzugehen und die Begrifflichkeiten zu definieren. Dies soll schließlich das Phänomen Leistungsmotivation seiner Bestandteile entkleiden, um es zum Gegenstand einer Untersuchung machen zu können.
Die oft unzureichende Trennschärfe in der Verwendung von Fachtermini führt gerade in der Motivationsforschung immer wieder zu Problemen. So wird es eine Aufgabe sein, die Begriffe Motiv, Motivation und Motivierung voneinander zu unterscheiden, was in der Forschungsgeschichte wie auch in der alltäglichen Verwendung nur zu Ungenüge geschehen ist. Generell gilt Leistung als „das bis heute am intensivsten untersuchte Motiv“ (Heckhausen, 2006, S. 143). Die erste Erwähnung ist 1938 bei Henry A. Murray zu finden, der auf einer Liste von ‚psychogenen’ Bedürfnissen von „n(eed) achievement“ spricht.
Nach Klärung der Fachtermini in Kapitel III.1 soll ein Einstieg in die Forschung zur Leistungsmotivation erfolgen, wobei dem Risikowahlmodell von Atkinson als forschungsleitendes Konstrukt in Kapitel III.2 eine zentrale Rolle beigemessen werden kann.
Durch einen Einblick in Untersuchungen zur Genese der Leistungsmotivation in Kapitel III.3, sollen schließlich Erkenntnisse zur Entwicklung der Leistungsmotivation gefunden werden, die möglicherweise Aufschluss über das Problem der Steuerung der Leistungsmotivation geben können.
Abschließend soll auf den Zusammenhang von Leistungsmotivation und Expertise eingegangen werden, welcher anhand einer neuen Studie zur Leistungsmotivation im Verlauf von Spitzensportkarrieren von Willimczik und Kronsbein (2005) überprüft werden kann. Dies wird Inhalt des Kapitels III.4 sein.
Als erste Einteilung wird zunächst auf die Begriffe Motivation und Motiv und sodann spezifischer auf die Untersuchungsgegenstände Leistungsmotivation und Leistungsmotiv eingegangen. Diese zusammenfassenden Erläuterungen sollen als Explikation des Begriffs der Leistungsmotivation den Grundstock für die in Kapitel III.2 anstehende Auseinandersetzung mit der Forschung und die Grundlage für die nachstehende Studie bilden.
Eine sehr beliebte Umschreibung des Begriffs Motivation lautet, dass es dabei um einen Versuch einer Antwort auf die Frage nach dem ‚Warum?’ oder ‚Warum nicht?’ einer Handlung gehe (Gabler, 1988, S. 51; Eberspächer, 1993, S. 68). DeCharms umschreibt diesen Begriff mit „so etwas wie eine milde Form der Besessenheit“ (DeCharms, 1979, S. 55). Bemerkenswert an dieser Definition ist, dass sie ein Merkmal der Motivation sehr gut zu umschreiben scheint. Man kann nämlich ‚Motivation’ bei anderen Personen als Gegenstand nie unmittelbar wahrnehmen, sondern immer nur über Anzeichen erschließen, gleich einer Krankheit. Motivation ist also vielmehr eine „gedankliche Konstruktion, eine Hilfsgröße (Fachterminus: hypothetisches Konstrukt), die bei uns bestimmte Verhaltensbesonderheiten erklären soll“ (Rheinberg, 2004, S. 14; s. a. Heckhausen, 1989).
Geht man vom Bedeutungsursprung des Wortes aus [lat. movere = bewegen, in Bewegung setzen], so fällt die doppelte Funktion des Wortes auf, einmal der innere, eigenständige Bewegungsaspekt und der äußere, fremdbestimmte Bedeutungsgehalt. Auch heute noch hat der Begriff diese beiden Aspekte, was als intrinsische und extrinsische Motivation bezeichnet wird (Rheinberg, 2004, S. 150f.). ‚Intrinsisch’ betont hier das Handeln aus eigenem Antrieb, und ‚extrinsische Motivation’ die Steuerung des Handelns von außen. Auch diese Positionen weichen in der Forschung oft voneinander ab und werden so wissenschaftlich problematisch. Es existiert z.B. eine jüngste Tendenz intrinsische Motivation als Handeln allein der Tätigkeit, nicht um des Ergebnisses Willen, zu verstehen (Schiefele, 2001; Schiefele & Köller, 2001). Dies wäre somit mit einem von Czikszentmihalyi (1975) entdeckten Phänomen, dem so genannten „Flow-Erleben“ gleichzusetzen, was jedoch nicht den eigentlichen Bedeutungsgehalt von intrinsischer Motivation trifft. Zusammenfassend wird nun eine Definition von Motivation geliefert, die fortan als Grundgerüst gelten soll.
Rheinberg (2004, S. 15) definiert Motivation als „eine aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand“. Zugleich schließt er auch eine aktivierende Ausrichtung weg von einem negativ bewerteten Zielzustand mit ein. Nach dieser Definition sind also alle Handlungen, die ein Ziel haben, motiviertes Verhalten. Nicht motiviertes Verhalten wäre hingegen eine Routinetätigkeit, wie z. B. Frühstücken.
Gabler (1995, S. 64ff.) führt ebenfalls viele Ansätze zur Definition dieses ‚Sammelbegriffs’ an, betont jedoch auch, dass einige davon heute überholt seien. Zunächst verweist er auf den ‚biologisch-psychologischen Ansatz’, der dem Körper das Streben nach einem natürlichen Gleichgewicht zwischen Erregung und Entspannung in Form der ‚Homöostase’ nachsagt. Die ‚ethologisch-instinkttheoretischen Ansätze’ sehen den Instinkt als angeborene Verhaltensform, so auch Lorenz, der Sport als „eine im menschlichen Kulturleben entwickelte ritualisierte Sonderform des Kampfes“ sieht (Lorenz, 1963, S. 387). Freud gilt als Vater der ‚tiefenpsychologisch-triebtheoretischen Ansätze’, die das Verhalten von triebhaften Impulsen gesteuert erachten, was zu ständigen Konflikten zwischen widerstreitenden Tendenzen innerhalb der Person führe, zu so genannten ‚Normkonflikten’, die motivierend wirken würden (Freud, 1915).
In den ‚behavioristisch-lerntheoretischen Ansätzen’ wird motiviertes Verhalten grundsätzlich als Folge von Reiz-Reaktions-Einheiten, so genannten Gewohnheitsreaktionen, beschrieben. ‚Persönlichkeitstheoretische Ansätze’ gehen davon aus, dass aus den Eigenschaften des Menschen zugehörige Dispositionen bestimmt wurden, die es gegeneinander abzugrenzen gilt. Ein Verfechter dieses Ansatzes war unter anderem Murray (1938), der 20 Grundbedürfnisse des Menschen aufstellt und dabei, wie oben erwähnt, erstmals von der Existenz eines Leistungsmotivs spricht.
In den letzten 20 Jahren hat sich allerdings ein Ansatz durchgesetzt, der aufgrund seiner ‚kognitiv-handlungstheoretischen Orientierung’ den Begriff der „kognitiven Wende“ mit sich führt (Rheinberg, 2004, S. 80f.). Hierzu formuliert Gabler (1995, S. 71) die wichtigsten Grundzüge:
Der Mensch ist ein planendes, auf die Zukunft gerichtetes und sich entscheidendes Wesen. Er setzt sich Ziele und handelt, um diese Ziele zu erreichen. Seine Handlungen haben für ihn einen subjektiven Sinn; sie sind zweckrational und durch Bewußtseinsprozesse gekennzeichnet. Da ihm mehr und weniger Handlungsspielräume zur Verfügung stehen, muss er Entscheidungen treffen und die getroffenen Entscheidungen verantworten. Das gelingt ihm, weil er zur Selbstreflexion seines Tuns fähig ist.
Dies führt zur Erweiterung der Definition des Motivationsbegriffs als ein „situationsabhängiges, aktuelles und kurzfristiges Geschehen“ (Eberspächer, 1993, S. 71), was im Gegensatz zum Begriff ‚Motiv’ steht.
Erdmann (1983, S. 15) bezeichnet das Motiv als ein Konstrukt von „relativ stabilen, auf eine allgemeine Zielvorstellung (z.B. Gesellung, Macht, Leistung) ausgerichteten Verhaltensdispositionen“, die das Produkt von Lernprozessen seien. Zudem schreibt er Motiven im Individuum eine hierarchische Struktur zu, je nach persönlicher Wichtigkeit in der spezifischen Situation. McClelland (1965, S. 322) versteht darunter ein „affektiv getöntes, assoziatives Netzwerk“ und betont hiermit die Vielschichtigkeit der Bereitschaft für verschiedene Handlungen. Er schildert die Existenz von mit Handlungen verbundenen Gefühlszuständen positiver und negativer Art, die zu Verknüpfungen führen, deren Ergebnis das Motiv als ein „hochgeneralisiertes Konzept“ darstellt.
Vergleicht man das Gebilde des Motivs mit dem der Motivation so lässt sich feststellen, dass Motive, „situationsüberdauernde, zeitlich überdauernde und persönlichkeitsspezifische Wertungsdispositionen“ sind (Gabler, 1995, S. 72). Also sind auch Motive als hypothetische Konstrukte zu verstehen, da sie nicht real gegeben, also beobachtbar, sondern nur über Fremd- und Selbstbeobachtungen erschließbar sind. Der Zusammenhang von Motiv und Motivation lässt sich am besten herstellen, wenn man den Prozess der Motivanregung betrachtet, welcher ‚Motivierung’ genannt wird. ‚Motivierung’ definiert Erdmann (1983, S. 15) als „das aktuelle Verhalten, als Wechselwirkungsprodukt von überdauerndem Motiv und Situationsanreiz“. Das Ergebnis dieser ‚Motivierung’ ist somit die Motivation.
Motive im Sport können sich auf verschiedene Grundsituationen beziehen, die im Sportler die Entwicklung von stabilen Zielvorstellungen bewirken. Im Wesentlichen beziehen sich Motive zum einen auf das Sporttreiben selbst, auf das Ergebnis des Sporttreibens und auf das Sporttreiben als Mittel für weitere Zwecke. Zum anderen...