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E-Book

Im Schatten des hohen Holzes

AutorEberhard Gabler
VerlagFranckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl248 Seiten
ISBN9783440144626
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Eine stagnierende Waldwirtschaft, kümmernde Wildbestände, Wilderertum und persönliche Feindschaften findet der junge Förster Sven Allan bei Dienstantritt in einem großen Privatwaldbesitz vor. Fesselnd erzählt Eberhard Gabler in seinem Roman Im Schatten des hohen Holzes, wie sich der junge Forstmann allen Widrigkeiten zum Trotz behauptet und nichts unversucht lässt, um Wald, Wild und Jagd wieder in Harmonie miteinander zu bringen. Eine packende Jagdlektüre im Spannungsfeld zwischen Krimi und Gesellschaftsroman. Der passionierte Jäger Eberhard Gabler illustriert seine Bücher selbst.

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Leseprobe

2


Schlafen, nein schlafen konnte er nicht.

Es war noch dunkel draußen mit diesem seltsam beruhigenden Schimmer sommerlicher Nachthelligkeit, in die hinein ein Gartenrotschwanz sein zartes Liedchen sang, und als es heller wurde und ein erstes Auto auf der Chaussee zu hören war, unterbrach der kleine Vogel sein ergreifendes Liedchen mit klagendem »Hüit, hüit«, als sei er traurig darüber, dass ihm von nun an der neue Tag nicht mehr alleine gehörte.

Im Dämmerlicht des Parks meldete sich der Zilpzalp, dann der Kuckuck und fern im Moor, wo hinter dem Wald noch schwarz die Nacht lag, flötete der Brachvogel. Welch eine Musik! Er nahm sie mit dem Herzen auf, hörte den Gruß der großen Natur heraus, freute sich, dass diese wertvolle aller Empfindungen noch in seiner Seele lebendig war; im Bergwald, droben, wohin sich selten nur ein naturhungriger Mensch verirrte, hatte die Natur ihm ihre Sprache beigebracht, seitdem verstand er, was sie sagte.

Es war warm in der Frühe.

Er zog das grüne Baumwollhemd an, kochte Kaffee und Eier, hörte, während er bewusst langsam sein Brot kaute, die Rundfunknachrichten, die nicht beunruhigend klangen, und lief dann gut gelaunt hinunter zum großen Tor, wohin Tristan von Zollwitz die angeworbenen Männer bestellt hatte. Ein junger Bursche radelte heran, und es blieb an diesem Morgen bei diesem einen nur, der bereit war, die Arbeit bei den Zollwitzens aufzunehmen. Der Bursche war eine Frohnatur mit lachenden Augen.

»Friedhelm«, sagte er, »Friedhelm nach dem Geburtsschein, aber ich höre auf Friedel, wenn es Ihnen recht ist?«

Sven gefiel die lockere Art des Mannes, dann erinnerte er sich, ihn schon einmal gesehen zu haben, ja, der junge Mann in der Gaststube, der in sein Bier gestarrt hatte! Friedel war gelernter Tischler, Sven erfreut darüber, einen geschickten Handwerker bekommen zu haben, einen, der mit seinen Händen etwas anzufangen wusste.

Man müsse das Werkzeug ordnen, schlug er vor, Sägen, Hacken und Äxte schleifen, der Vater habe ihm erzählt, dass alles gänzlich verlottert sei.

»So ist’s recht, machen Sie das!«

Auf den Friedel würde er sich offenbar verlassen können, dachte Sven zufrieden.

Über den Kiesweg schlurfte Alfons Birkel, der Gärtner, heran, leicht nach vorne gebeugt. Als er Sven erblickte, kehrte er um, Sven aber ging hinüber.

»Guten Morgen, Herr Birkel!« Der schaute verlegen drein.

»Der Friedel wird uns helfen, den Laden hier wieder flottzumachen«, versuchte Sven es mit behutsamem Humor und deutete zum Mann hinüber, der sich in der Maschinenhalle gerade auf den Traktor schwang. Das Männlein lachte gezwungen und schämte sich wohl ein wenig, seine Zahnreste dabei zu zeigen. Sven spürte, dass dem Manne die Begegnung mit ihm missfiel. Ich werde ihn im Auge behalten, dachte Sven, eine innere Stimme mahnte zur Vorsicht.

Er versuchte, den alten Mann, der den größten Teil seines Lebens bei den Zollwitzens verbracht hatte, zu verstehen. Der lebte jahrelang stumm dahin, bekam pünktlich sein tägliches Essen, wusste viel, vielleicht sogar alles, was sich in dem Drama hier abgespielt hatte, und nun kommt so ein junger Fremder daher und stiftet Unruhe, will Altes erneuern und ihm, dem Langgedienten, den biederen Lebensabend versauern. Werde ich nicht tun, er soll seinen Frieden behalten, dachte er und sprang mit einem Satz fast ein bisschen übermütig in den Jeep.

Im Revier lag die Hitze schwer auf dem Boden, es roch nach frischem Harz und nach angesengtem Holz. Über den Wiesen stand ein zähes Flimmern, der Mittag schwieg. Der leise Wind, der vom Moor herüberkam, entlang am Rande der wilden Föhren, rührte die Hitze über den Wegen um, wirbelte sie empor, dass er sie erkennen konnte als dicken, dunstigen Schleier. Er hatte den Wagen im Schatten des Fichtenholzes abgestellt und pirschte langsam an dessen Saum entlang. Ein Hase hoppelte ihm schwerfällig entgegen, baute Männchen und verschwand in der Weißdornhecke am Wiesengraben.

Der Kollege vom Staatlichen, den Ellersen zu schicken versprach, erwartete ihn an der halb zerfallenen Kanzel am Schilf. Gerd Raimund war der Dienstälteste im Außenbereich, kerniger Schwabe, derb, aber herzlich; sie verstanden sich beim Handschlag und Sven dachte, dass dies die seltenen und deshalb so kostbaren Begegnungen im Leben seien.

Die Wiesen an der Nordgrenze des Reviers bildeten einen einzigen, bunten Teppich: Salbei, Margeriten, Glockenblumen, dazwischen kleine Inseln aus Schaumkraut und Ehrenpreis, standen in üppiger Fülle und luden zum Verweilen ein.

»Der Wiesensommer ist kurz hier«, sagte Gerd Raimund. »Aber nach der Mahd machen dir die Sauen Probleme, halte sie kurz. Vor zwei Jahren im Spätsommer war das hier ein riesiger Sturzacker und Zollwitz musste zahlen, weil Rüder mit dem Abschuss nicht nachkam und der Alte keine fremden Jäger in seinem Wald duldete; ab hier ist alles Privatland. Mit den Pächtern an Deiner Süd- und Südwestgrenzehast du keine Probleme, die sind anständige Leute aus Rühlstedt und Omsen. Distanz empfehle ich dir zu Tim Rosenstein aus dem Ruhrpott, sein Revier berührt westlich auf drei Kilometer dein Moor. Dicht an der Grenze steht sein Jagdhaus. Ist eine laute Gesellschaft, Angebertypen der ganze Clan, der nicht in die Heide passt. Der Rosenstein hat damals die Mitbewerber überboten und in Rüschendorf ein neues Feuerwehrgerätehaus gebaut, so bekam er den Zuschlag auf die 700-Hektar-Jagd, du weißt, wie das heutzutage abläuft. Die Kassen sind leer und das Geld entscheidet vor dem Charakter. Rüder lag im Dauerzwist mit denen da drüben, das nur als Mahnung für dich.«

»Was weißt du über die Wilderei?«

»Nur das, was Rudi Rüder erzählte und die Bauern, die bei mir im Holz arbeiten.«

»Was sagte Rüder?«

»Er vermutete, dass Zollwitzsche Arbeiter sich ihren ausstehenden Lohn auf diese Weise holten, so eine Art ›Selbstbedienung‹. Die Damschaufler und die Holzdiebstähle gehen mit ziemlicher Sicherheit auf ihr Konto. Die Sache hat viel Unruhe gebracht, und das Misstrauen, das daraus entstanden ist, wuchert in Utensen wie eine Pilzbrut, spürbar, wohin man kommt. Du musst wissen, dass die Heidjer stolz sind auf ihre Seelentiefe; die Verdächtigungen haben sie hart getroffen.«

Sie durchquerten das verwilderte Föhrenholz, das an seiner Südflanke den hohen Fichtenwald berührte, und diesen durchschnitt ein schnurgerader Schotterweg, den beiderseits kümmerliches Heidekraut säumte, durch das sich vereinzelt verbissener Birken- und Weidenwuchs quälte.

Der Weg zurück zum Jeep mochte nicht enden, und Sven war überrascht, wie anstrengend das Flachland sein konnte!

Irgendwo im Dunkel des nach kochendem Harz duftenden Holzes schreckte ein Reh, ein Buntspechtjunges bettelte aus seiner Höhle heraus, ein Altvogel warnte in der Nähe. Auf der Kühlerhaube des Jeeps rollte Gerg Raimund die Revierkarte aus, die Forstmeister Ellersen für ihn mitgeschickt hatte. Der Zollwitzsche Besitz war riesig und Sven war bewusst, dass er die anstehenden Aufgaben nur mit einer zuverlässigen Mannschaft bewältigen würde. Würde es ihm gelingen, das Vertrauen der Utenser Männer für die Zollwitzens zurückzugewinnen? Die ersten Erfahrungen nährten noch Zweifel. Es kommt auf den Versuch an, ich werde mit ihnen reden, dachte er mit einem bedrückenden Gefühl untergründiger Hoffnungslosigkeit.

In den nächsten Stunden durchfuhren sie den Forst in verschiedenen Richtungen und bewältigten die lange Südgrenze im schweißtreibenden Pirschgang. Ein herrlicher Eichenmischwald beeindruckte Sven. Das lichte Altholz stieß an einen breiten Grasweg, der die Grenzezog, bis weit hinein in die grüne Heide, wo schlanke Birken ihn säumten. Hoch in den Wipfeln sangen sich zwei Pirolmännchen an, kamen sich näher, wurden lauter, erregter.

»Was weißt du über unseren Wildbestand?«

Gerd Raimund sah ihn hilflos an.

»Möchte mich nicht festlegen! Rüder nannte mal 100 Stück Rehwild, was Ellersen bezweifelte. Damwild ist noch ein kleines Rudel anwesend, Schwarzwild ist Wechselwild, im Winter häufiger, Hasen guter Besatz, Kaninchen zunehmend, bewerte das als grobe Aussage, wohl mehr Vermutung, hast viel zu tun.«

»Immerhin, ein Anhaltspunkt, danke. Und das Raubwild?«

»Dem Fuchs wirst du verstärkt zu Balge rücken müssen, um Ärger mit den Pächtern drum herum zu vermeiden. Dachse unbedeutend, Steinmarder zunehmend in Siedlungsnähe, Baummarder letztmalig vor zwei Jahren.«

»Ist doch was, ich werde mich darum kümmern!«

»Bist Wächter eines Habichtspaares – alter Horst im Buchenwald, früher einmal Nest vom Schwarzstorch und am Moor brütet seit Menschengedenken der Rote Milan. Bist zu beneiden um dein Paradies.«

»Um ein geschändetes Paradies«, trotzte Sven brummelnd, Gerd Raimund lachte.

»Kannst auf mich bauen, wenn es brenzlig wird«, sagte er und drückte fest Svens Hand.

Als sie weiterfuhren, im Schritttempo zum Moor hinüber, quirlte richtungslos ein heißer Wind durchs Holz. Ringeltauben strichen laut klatschend davon, ein Mäusebussard, der auf dem Weg eine Maus gekröpft hatte, erhob sich schwerfällig und ging nach kurzem Flug wieder auf dem Weg nieder. Sven stoppte den Wagen.

»Zeit haben auch für sie, die Kleinen im Revier, das ist’s doch, was unsere Berufung zum Erlebnis macht«, sagte er und Gerd Raimund stimmte ihm zu.

»Ich hab’ es mit den Wildbienen! Wenn ich mitten in der verdammten Hektik des Tages ein paar Minuten den Seidenbienen oder den Mauerbienen zuschaue, ist mir wieder wohler. Ellersen war zornig, als ich in...

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