Das GmbH-Gesetz von 1892 schuf eine neue Gesellschaftsform unter Ableitung der AG und Aufnahme von Wesenszügen der oHG als kollektivistische (kapitalistische) Gesellschaft.[9] Der grundsätzlichen Trennung von Unternehmensbesitz und laufender Unternehmensleitung wie bei der AG stand hier die Organisations- und Entscheidungsfreiheit in der Hand der Gesellschafter gegenüber. Dieses Leitbild wurde vom Gesetzgeber von Anfang an verfolgte und bislang beibehalten.
Die GmbH soll hierbei kapitalgesellschaftlich strukturiert sein, im Unterschied zur AG aber maßgeblich auf dem intuitus personae beruhenden Zusammenschluss von (ursprünglich) zwei oder wenigen untereinander verbundenen Personen beruhen und der Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks dienen.[10] Dabei zeichnet sie sich meist durch selbst als Geschäftsführer tätige Gesellschafter aus. Im Gegensatz zur Personengesellschaft ist sie aber eine juristische Person mit Mehrheitsbestimmung und Mehrheitsprinzip.[11]
Die kritische Bewertung als „höchst gewagte[s] gesetzgeberische[s] Unternehmen“[12] hat sich als unbegründet erwiesen. Wenngleich es trotz des latenten Bedarfs an einer neuen Unternehmensform keine übermäßige Gründungswelle gab, so entwickelte sie sich allmählich und erwarb immer mehr Vertrauen im Wirtschaftsalltag. In den Folgejahren fasste sie dank enormer Expansion in der wirtschaftlich günstigen Zeit immer schneller Fuß und war bereits wenige Jahre später untrennbar mit dem Wirtschaftsleben verbunden[13], wobei neben dem Betreiben eines Handelsgewerbes auch die Zulässigkeit der Verfolgung „ideeller Zwecke“ bestimmend für die erfolgreiche Verbreitung der GmbH als „Allzweckmittel“ war.[14]
Obwohl der Erfolg, der aufgrund der Begeisterung bei Einführung wartet wurde, nicht sofort eintrat,[15] konnte die GmbH bis 1900 „im wirthschaftlichen Leben der Nation“ die Stellung einnehmen, die ihr bei Erlass des Gesetzes zugedacht war.[16]
Gab es 1892 lediglich 64 GmbHs, so waren es bis 1902 bereits 4.845. Bei der Anzahl der Gründungen überholte die GmbH die AG schon 1893 und bereits 1899 bestanden mehr Unternehmen in der Form einer GmbH als einer AG.[17] Bis 1914 gab es schließlich 27.012 GmbHs gegenüber etwa 5.500 AGs.[18] Bis zur Inflationszeit (Ende 1923) existierten über 70.000 Gesellschaften, deren Zahl sich aber wegen der Weltwirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit bis 1933 auf 41.000 reduziert hatte und 1945 ihren Tiefststand erreichte.[19] In den Nachkriegsjahren erfolgte ein konstanter Anstieg, so dass 1977 wieder 168.463[20] und bis Oktober 1990 insgesamt 428.999 GmbHs in Deutschland registriert waren. Nach der Wiedervereinigung stieg die Anzahl der GmbHs bis 1996 auf über 770.000 in ganz Deutschland[21] und durchbrach mit 1.006.157 schließlich im Jahr 2004 die „Schallmauer“ von einer Million GmbHs.[22]
Die außerordentliche Verbreitung in Deutschland zeigt sich jedoch nicht nur an den absoluten Zahlen, sondern auch relativ im Verhältnis zu anderen Rechtsformen, insbesondere der AG als alternativer Kapitalgesellschaftsform. Die starke Zunahme in den letzten 50 Jahren, nicht zuletzt dank zunehmender Akzeptanz zusammengesetzter Rechtsformen wie der GmbH & Co. KG[23], um fast 4.000% steht in keinem Verhältnis zur Entwicklung der AG. Waren 1950 „nur“ achtmal so viele GmbHs wie AGs eingetragen, zählen sie 2005 fast 62-mal so viele.[24]
Ähnlich entwickelte sich auch die Höhe des Stammkapitals der Gesellschaften. So stieg die Gesamtsumme des Stammkapitals aller GmbH von DM 9,5 Mrd. im Jahr 1954 bis 1977 stetig auf DM 79,3 Mrd. und betrug 1996 sogar DM 302,4 Mrd.[25]
Die meisten GmbHs sind nach wie vor KMU, was sich deutlich an der Höhe des Mindeststammkapitals und der Anzahl der Gesellschafter zeigt, die bei über 97% aller GmbHs zwischen einem und fünf liegt, von welchen wiederum 40% Einpersonen-GmbHs sind. Bei den restlichen Gesellschaften ist davon auszugehen, dass es sich zum großen Teil lediglich um Strohmanngesellschaften handelt.[26] Die große Zahl von Gesellschaften mit geringer Kapitalausstattung ist hierbei allerdings dem starken Anteil von GmbHs im Dienstleistungsbereich geschuldet, deren Kapitalbedarf regelmäßig wesentlich geringer ist als der produzierender Unternehmen.[27]
Die besondere Bedeutung der GmbH für die deutsche Wirtschaft spiegelt sich neben der Zahl der in Form einer GmbH betriebenen Unternehmen auch darin wider, dass sie auch zu den umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland gehören. Im Jahr 2004 haben GmbHs, die nur ca. 15% aller Umsatzsteuerpflichtigen ausmachen, insgesamt über 33% aller steuerpflichtigen Umsätze erbracht.[28] Der Anteil der KMU, die einen Jahresumsatz von weniger als EUR 50 Mio. erwirtschaften, betrug am Gesamtumsatz der umsatzsteuerpflichtigen GmbH über 99,4%.[29]
Wenngleich die GmbH für KMU gedacht ist, ist sie auch für Großunternehmen nicht uninteressant geblieben, im Vergleich zur Gesamtzahl der GmbHs allerdings relativ wenig verbreitet. So gab es Ende 1996 186 GmbHs mit einem Stammkapital von über DM 100 Mio., denen lediglich 231 AGs gegenüberstanden, jedoch nur noch 3 GmbHs gegenüber 20 AGs, mit einem Kapital von über DM 1 Mrd.[30]
Die GmbH ist dank mangelnder Zweckbindung in allen Wirtschaftszweigen verbreitet, hauptsächlich jedoch in den Branchen Dienstleistung (1968: 30,4%; 1992: 37,9%; 2004: 33,7%), verarbeitendes Gewerbe (1962: 31,2%; 1992: 19,7%; 2004: 16,6%) und Handel (1968: 26,4%; 1992: 25,2%; 2004: 25,0%).[31] Nicht unwesentliche Bedeutung hat die GmbH indes auch bei nicht-wirtschaftlicher Verwendung beispielsweise für soziale, kulturelle, wissenschaftliche, politische und sonstige öffentliche Zwecke sowie für Wirtschafts- und Berufsverbände erlangt.[32]
Vielfach problematisch gestaltet sich der Anteil der GmbHs an Unternehmensinsolvenzen. Aufgrund der typischen Kapitalstruktur und trotz der Tatsache, dass die GmbH nicht außergewöhnlich häufig für gewagte Transaktionen gebraucht wird, ist sie neben Einzelunternehmen die größte Unternehmensgruppe, die von Insolvenzen betroffen ist.[33] Dabei ist die GmbH für eine positive Kreditwürdigkeit besonders auf geordnete Vermögens- und Kapitalverhältnisse angewiesen, so dass eher mangelnde Ausstattung mit Risikokapital verbunden mit Finanzierungsfehlern Ursache für den hohen Insolvenzanteil ist. Dieser ist in den vergangenen Jahren zwar stetig von 60% (1999) auf mittlerweile 45% (2005)[34] zurückgegangen, die voraussichtliche Forderungsausfallsumme ist mit über EUR 12,5 Mrd. (55% aller Forderungsausfälle)[35] im Vergleich zu allen anderen Unternehmensformen aber immer noch verhältnismäßig hoch.[36]
Da in vielen anderen Ländern der Welt trotz Bedarfs an einer kleinen geschlossenen Kapitalgesellschaftsform neben der AG keine vergleichbare Rechtsform vorhanden war[38], haben sich viele Staaten am deutschen Konzept einer kleinen, auf den persönlichen Zusammenschluss der Gesellschafter beruhenden Kapitalgesellschaft ohne Börsenzugang und ohne Außenhaftung orientiert.[39] Trotz einiger Kritik hat sie so in über 100 Ländern der ganzen Welt Anklang gefunden.[40]
Viele „GmbH-Gesetze“ anderer Staaten haben trotz mancher Abweichungen im Detail die Grundzüge des deutschen GmbH-Gesetzes übernommen, ohne dass sie dieselbe große Bedeutung wie in Deutschland erlangt hat. Hierbei ist die jeweilige Entwicklung von der Liberalität der einzelnen Rechtsordnung abhängig: liegt beispielsweise kein strenges Aktienrecht vor (wie in den USA oder der Schweiz), so ist der Bedarf an einer GmbH-Form und ihre Bedeutung nur gering.[41]
Die Regelung in einem eigenen Gesetz unterstreicht zwar die Selbstständigkeit einer Rechtsform, bildet aber eher die Ausnahme (z.B. Belgien, Luxemburg, Mexiko). Im Regelfall wurde die „GmbH“ in bestehende Systeme eingegliedert, z.B. in das Handelsgesetzbuch der Türkei oder Polens oder an anderen allgemeinen Stellen im Handels- oder Zivilrecht integriert und bildet hier dann meistens „nur“ eine Sonder- oder Unterform bestehender Gesellschaftsformen.[42]
Neben vielen EU-Staaten (u.a. Portugal und Österreich 1906, Frankreich 1925, Spanien 1953)[43] fand sie auch Aufnahme in den Rechtsordnungen Südamerikas (z.B. Brasilien 1919), Asiens einschließlich Russlands, Afrikas und...