Auf den ersten Blick scheint es kaum Berührungspunkte zwischen dem gesellschaftlichen Teilbereich Sport und der Postmoderne zu geben. Obgleich sich die postmoderne Prägung unserer Gesellschaft als ein mögliches Erklärungsmuster für die Veränderungen innerhalb der Jugend im Allgemeinen und des Sportverhaltens im Besonderen herauszukristallisieren versucht, fällt auf, dass gerade durch die Diskussion um die Postmoderne, völlig neue Sichtweisen auf die Welt des Sports möglich sind. Teilt man die Ansicht, dass die Postmoderne eine Erscheinung unserer Gesellschaft ist, so muss sie auch den Sport tangieren. Ergo müssen auch im Sport postmoderne Strukturen erkennbar sein. In erster Linie gilt dies für die Entstehung, Ausprägung, Verbreitung und Ausübung der sogenannten Trendsportarten.
Hinsichtlich der Hypothese dieser Arbeit, die besagt, dass zwischen traditionellem und Trendsport Gemeinsamkeiten bestehen, die auf ein Zusammenlaufen beider Sektoren hinzielen, ergeben sich im Hinblick auf den Zusammenhang von Trendsport und Postmoderne typische Attribute, welche für die weitere Erörterung von Nutzen sind. Folgende Ausführungen stützen sich auf die Thesen von Schwier.
Schwier (vgl. Schwier, 2000, S.81f.) unterscheidet sechs, zum Teil in wechselnden Kombinationen auftretende, allgemeine Merkmale von Trendsport, „die über die jeweiligen Besonderheiten der einzelnen Aktivitäten hinausweisen [...] und auf Verwandtschaftsbeziehungen zwischen einigen Bewegungsformen schließen lassen.“ Dabei unterscheidet er im Einzelnen Trends zur Stilisierung (1), zur Beschleunigung (2), zur Virtuosität (3) sowie Trends zur Extremisierung (4), zur Ordalisierung (5) sowie zum Event und Sampling (6) (vgl. ebd., 2000, 81). Im Folgenden werden seine Ausführungen näher erläutert.
1. Trend zur Stilisierung
Nach Schwier (vgl. ebd.) kennzeichnet der Begriff der Stilisierung eine Elementarisierung des Sporttreibens, die über das reine Sporttreiben im engeren Sinn hinausgeht und sich in den jeweiligen Lebensstilen der Akteure innerhalb einer Gesellschaft wiederfindet. Das zentrale und selbstverständliche Element einer originären Lebensart scheint die sportive Körperpraxis zu sein (vgl. Schwier, 2000, S.81). „Man geht eben nicht einfach zum Mountainbiken, Skaten oder Surfen, sondern führt [...] das Leben eines Bikers, Skaters oder Surfers“ (vgl. ebd., 2000, S.81). Die Aspekte des Spaß-Habens und des Anderssein spielen dabei eine wesentliche Rolle und sind „primäre Ausdrucksformen“ der Handelnden (vgl. ebd., 2000, S.81). Sport wird somit zu einer speziellen Art der Selbstverwirklichung sowie zum Ausdruck von Individualität[2], die jedoch gegenwärtig bereits als selbstverständlich empfunden wird und kaum noch der Abgrenzung dient (vgl. ebd., 2000, S.82). Entsprechend eines Zusammenhangs mit der Postmoderne lässt sich bei der Stilisierung der hervorgehobene Spaß am Anderssein und der Stilkreierung, vor allem bei jüngeren Altersschichten, festmachen. Des Weiteren sind Tendenzen zu der von Welsch (vgl. ebd.) hervorgehobenen Pluralität erkennbar. So definieren sich zunehmend junge Leute, aber auch ältere Altersgruppen, über den eigenen Stil und legen Wert auf Heterogenität, sowohl innerhalb einer Gruppe als auch gegenüber anderen Gruppen. So entsteht ein gewolltes und bewusstes Nebeneinander individueller Ausdrucksformen.
Ein zweiter Punkt, der sich aus den Überlegungen Schwiers (vgl. ebd.) ergibt, ist der zum Teil nur zeitlich begrenzte Teilbereich dieses Lebensstils. Die eigene Identifikation mit dem Lebensstil der ausgeführten Sportart[3] ist meistens nur von limitierter Dauer und lässt eine Um- und Neuorientierung der Akteure hinsichtlich neuer Trends problemlos zu. Der Übergang vollzieht sich nahtlos und stellt sich als kreativer, zentraler Bestandteil ihres Daseins heraus, wobei die neue Rolle relativ rasch angenommen und ausgefüllt wird (vgl. Schwier, 2000, S.81f.). Durch die hinter- und nebeneinander existierende Gleichberechtigung der Rollenverteilung entsteht ein Pluralismus, der sowohl interindividuelle als auch intraindividuelle expressive Formen zu finden scheint.
2. Trend zur Beschleunigung
Laut Schwier stellt die Beschleunigung einen „sportkulturellen Megatrend dar, zu dessen Durchsetzung unter anderem die Massenmedien mit ihrem verdichteten, actiongeladenen und „schnittigen“ Inszenierungen von Sportereignissen maßgeblich beitragen“ (Schwier, 2000, S.82). Vorwiegend besteht dieser Trend in vielen Trendsportarten und ist gekennzeichnet durch eine hohe Aktionsgeschwindigkeit und -dichte sowie einen überganglosen Wechsel der Anforderungen. Schwier spricht in diesem Zusammenhang auch von „Hyperaktivität“ (vgl. Schwier, 2000, S.83). Wie in den vorherigen Ausführungen zur Stilisierung geschildert, entwickelt der Sportler auch über die Geschwindigkeit einen eigenen Stil. Aus diesen Erkenntnissen ergeben sich für ihn gegenläufige Tendenzen. Zum einen sieht er in der Geschwindigkeitssteigerung eine prinzipielle Divergenz zur technologischen Rasanz der digitalen Welt und erkennt die Chance der menschlichen Kontrolle über diese. Zum anderen kann sie als Verifikation und Plagiat in allen Lebensbereichen betrachtet werden und somit zur eingehenden Durchsetzung dieser Genese beitragen (vgl. Schwier, 2000, S.83f.).
Sowohl Angst als auch Widerstand sind Teil dieser postmodernen Gesellschaftsstruktur, die sich letzten Endes auch im Trendsport in Form von Strömungen der Bestätigung und Bekräftigung nachweisen lassen.
3. Trend zur Virtuosität
„Ein gemeinsames Merkmal von Trendsportarten besteht darin, dass sie in gewisser Hinsicht eine Neuentdeckung der ästhetischen Dimensionen des Sports stimulieren, die die traditionelle Hegemonie des binären Sieg-Niederlage-Codes und die damit verbundene rationale Leistungsproduktion stilbildend überschreitet“ (Schwier, 2000, S.84).
Schwier (vgl. ebd.) zufolge besteht der Bedarf bei der sportlichen Auseinandersetzung eher darin, sich der kreativen Erlebnisse zu bedienen und diese zu nutzen, um den Wunsch des Aufgehens des eigenen Tuns, den „Flow“ immer wieder neu zu erleben was unweigerlich zu einer „Ästhetisierung des Sports“ führt (vgl. Schwier, 2000, S.84f.). Rupe (vgl. Rupe, 2000, S.95) beschreibt den „Flow-Zustand“ als einen Prozess, der sich vorrangig – im Gegensatz zur extrinsischen Motivation, die sich auf Belohnung und Anerkennung begründet – aus der Handlung selbst und den dadurch erfahrenen Erlebnissen speist.
Der Drang der Akteure, qualitativ hochwertige Bewegungen auszuführen, deren Muster auf Innovation, Virtuosität und Individualisierung basieren, wird zum zentralen Moment der in der Postmoderne beschriebenen Individualisierungstendenz. Die normierten Anforderungen sind weniger von Interesse und „zeigen in der Öffentlichkeit, dass man auch ohne vorrangige Orientierung an einer Überbietungsperspektive dem Ideal des „Besserwerdens“ folgen [...] kann“ (Schwier, 2000, S.84). Dabei steht der Aspekt der Virtuosität im unmittelbaren Zusammenhang mit der Individualisierung und Anerkennung einer vollbrachten Bewegungsaufgabe, wobei der eigene Stil zum Kennzeichen der eigenen Persönlichkeit wird.
4. Trend zur Extremisierung
Laut Schwier kennzeichnet der Begriff der Extremisierung im Bereich des Sports „einen dynamischen und quasi unaufhaltsam fortschreitenden Prozess“ auf der Suche nach dem Extremen (vgl. Schwier, 2000, S.85). Bereits 1955 unternahm Hebb Versuche, die Auswirkungen von reizarmen, monotonen Situationen auf das Verhalten von Mensch und Tier zu erforschen. Seine Ergebnisse machten deutlich, dass „[...] Menschen nach äußerer Stimulation und variationsreichen Eindrücken streben [...]“ (vgl. Kuhn & Todt, 2003, S.14). Für den einzelnen Akteur bedeutet dies nach Schwier, das Gefühl des Lebendigseins zu erreichen und mit immer gleicher Intensität zu erleben, wobei die Möglichkeiten zur Erfindung neuer Extreme äußerst vielfältig sind.
Der Körper scheint entsprechend dieser Interpretation, diese Form des Ausdrucks als letzte zu durchlebende Erfahrung zu sehen, um den oft propagierten „Kick“ zu erleben. Physiologisch betrachtet gerät der Körper in extremen Situationen unter Stress[4]. Dies hat zur Folge, dass das dabei produzierte Adrenalin sowohl positiv als auch negativ auf den Körper wirkt. Die positive Wahrnehmung der Bewältigung einer Stresssituation überlagert die negative Perzeption aufgrund der Ausschüttung von Glücksgefühlen[5], um im Endeffekt zu einer Selbstvergewisserung zu gelangen, in der das Gefühl erlebbar gemacht wird, etwas verändern und bewirken zu können sowie lebendig zu sein. Eben diese, meistens positiven, extremen Erfahrungen dringen klar und ungefiltert ins Bewusstsein des Akteurs und diktieren geradezu die aufkommende Sucht nach dem Extrem.
Auch beim Trend zur Extremisierung lassen sich...