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E-Book

More Than Honey

Vom Leben und Überleben der Bienen

AutorClaus-Peter Lieckfeld, Markus Imhoof
Verlagorange-press
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783936086782
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Seit einigen Jahren alarmieren Meldungen über das Verschwinden der Honigbiene. Die Verluste betreffen uns alle: Ohne die Biene als Bestäuberin fielen dreißig Prozent der globalen Ernte aus. Das weltweite Bienensterben ist kein Mysterium und keine Naturkatastrophe. Es ist die Summe all dessen, was wir den Bienen antun. Sie sterben an Pestiziden, an Überzüchtung und an Parasiten, mit denen sie ohne uns nicht zu kämpfen hätten. Die Bienen sterben am Menschen und seinen Versuchen, ein perfektes System zu verbessern.Im Buch More Than Honey zeigen Markus Imhoof, Regisseur des gleichnamigen Dokumentarfilms, und Journalist und Autor Claus-Peter Lieckfeld, wie Menschen in aller Welt von und mit der Honigbiene leben: im idyllischen Alpental, im Labor, auf horizontweiten Monokulturen - und in Gegenden, wo Bienen nicht mehr als Bestäuber zur Verfügung stehen. Sie porträtieren ein Verhältnis von Mensch und Biene, das es wieder ins Gleichgewicht zu bringen gilt, weil sich unsere Lebensbedingungen sonst radikal verändern werden.

Markus Imhoof, geboren 1941 in Winterthur (Schweiz), ist Regisseur und Drehbuchautor und gehört zu den wichtigsten Filmemachern der Schweiz. Sein Spielfilm »Das Boot ist voll« wurde für den Oscar nominiert. Er ist Mitglied der Akademie der Künste Berlin sowie der Academy of Motion Picture Arts and Sciences USA. Markus Imhoof lebt und arbeitet seit 2003 in Berlin. Claus-Peter Lieckfeld, Jahrgang 1948, ist neben Horst Stern Mitbegründer des Umweltmagazins Natur. Neben zahlreichen Veröffentlichungen in GEO, Die Zeit, National Geographic, für den WWF u.a. schrieb er auch Texte für Dieter Hildebrandt und Lore Lorentz. Daneben veröffentlicht Lieckfeld historische Romane - zuletzt »Anwalt der Hexen« (2012) -, schrieb Theaterstücke und Rundfunk-Features. Als Autor der Sachbücher »Logbuch Polarstern«, »Mythos Meer« oder »Tatort Wald« gibt er seit Jahren vielfältig Anstoß zu Diskussionen.

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Leseprobe

Vorwort


Der Mensch lebt nicht vom Brot allein


»Der Bienenstaat gleicht einem Zauberbrunnen; je mehr man daraus schöpft, desto reicher fließt er.« Karl von Frisch

Was die Neue Zürcher Zeitung am 24. Mai 2012 meldete, hätte es noch vor Kurzem nicht auf die vorderen Seiten der renommierten Schweizer Zeitung geschafft: »Bienenschmuggel aufgedeckt – Achtzig illegal importierte Bienenvölker vernichtet.« Was war passiert? Ein knapp dreißigjähriger Deutscher war Zollfahndern ins Netz gegangen, als er sogenannte Kunstschwärme – kiloweise aus anderen Völkern entnommene Bienen mit separat verpackter Königin – ohne Grenzkontrolle und damit illegal anbieten wollte. Unter den zwanzig Imkern, die er via Internet aus der Schweiz ins deutsche Grenzgebiet gelockt hatte, befand sich auch ein Scheinkäufer vom Verein deutschschweizerischer Bienenfreunde. Der ließ den Deal in dem Moment auffliegen, als Cash gegen Bienen getauscht werden sollte. Plötzlich schwärmten nicht Bienen aus, sondern Grenzwächter. Und sie machten Beute. Die Zollfahndung Zürich stieß bei ihrer Aktion auf achtzig Schweizer Käufer, deren illegal importierte Völker sogleich restlos vernichtet wurden. Eine hohe Dunkelziffer nicht ermittelter Käufer blieb bestehen.

Warum wurden die Völker umgebracht? Und wieso machte man so viel Aufhebens wegen eines Geldwerts von 135 Franken pro Bienenvolk? Ausnahmsweise ging es der Zollfahndung in dem Fall nicht ums Geld. Es geht um den Fortbestand der Schweizer Bienenwelt. Illegal importierte Völker könnten Seuchenträger sein, könnten dem Bienensterben, das auch hier grassiert, mit weiteren Ausbruchsherden Vorschub leisten. In manchen Regionen der Schweiz haben bis zu siebzig Prozent der Bienenvölker den Winter 2011/2012 nicht überlebt. In Deutschland sind es nach Expertenschätzung bis zu einem Drittel der Völker – rund 300.000 von insgesamt rund einer Million –, die den Winter nicht überstanden haben.1 Auch in den USA sterben seit 2006 jährlich durchschnittlich ein Drittel aller Bienenvölker. Bei der Eurbee, einem internationalen Kongress von Bienenforschern in Halle Anfang September 2012, hat Professor Robin Moritz bei seiner Eröffnungsrede vor dem weltweiten Zusammenbruch der Bienenpopulationen gewarnt.

Wenn jährlich siebzig Prozent der Kühe sterben würden oder auch nur dreißig Prozent der Hühner, würde überall der nationale Notstand ausgerufen. Der Tod der Bienen ist aber mindestens so dramatisch, ja folgenreicher. Die Biene ist unser kleinstes Nutztier. Im Spitzenjahr 2007 hat sie uns weltweit eine Rekordmenge von 1,4 Millionen Tonnen Honig eingebracht. Aber es geht bei der Frage nach den Konsequenzen dieser Entwicklung um viel mehr als nur um Honig, um More Than Honey.

Eine erfolgreiche Bestäubung ist Voraussetzung dafür, dass Früchte geerntet werden können. Von den wichtigsten hundert Nutzpflanzenarten der Welt werden mehr als siebzig Prozent von Bienen bestäubt. Eine Kolonie Honigbienen kann täglich bis zu sieben Millionen Blüten besuchen. Kaum vorstellbar, was ein Wegfall der bee power bedeuten würde; was wäre, wenn die Honigbienen, deren Leistung die Menschheit seit Jahrtausenden kostenlos in Anspruch nimmt, es nicht mehr täten. Bienen sind für dreißig Prozent der globalen Ernte verantwortlich, und wenn sie ausfielen, müssten wir auf jeden dritten Bissen verzichten. Es geht um nicht weniger als die Welternährung. Der Teller sähe trist aus ohne Bienen: Es würde vieles von dem fehlen, was bunt, duftend, verführerisch ist. So unterschiedliche Pflanzen wie Äpfel, Kirschen, Spargel, Sojabohnen, Pfirsiche oder Gurken sind auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen – insgesamt fast einhundert Obst- und Gemüsesorten. In einem Hamburger wäre kein Salat, keine Zwiebel, kein Ketchup und Fleisch von Kühen, die nie Klee gefressen haben. Übrig bliebe das Brötchen, dessen Weizen vom Wind bestäubt wird – die »Sättigungsbeilage«.

Auf der Suche nach den Ursachen, warum uns die Honigbienen weltweit zu Milliarden und Abermilliarden verlassen, erfährt man nicht den Grund, sondern Gründe: Krankheiten, darunter solche, die sich epidemisch ausbreiten; Agrargifte; Verarmung der Blütenlandschaft, also Hunger; aber auch sich verändernde klimatische Bedingungen und eine Schwächung der natürlichen Widerstandskraft der Bienen.

Die Mehrzahl der Experten ist der Meinung, dass es die Summe vieler verschiedener, sich gegenseitig verstärkender Angriffe auf ihr Immunsystem ist, die schließlich katastrophale Lücken in die Weltpopulation der Bienen reißt.

Viele Imker sehen den Schuldigen vor allem in den Pestiziden. Wissenschaftler konnten nachweisen, dass 2008 im Rheintal über 11.000 Bienenvölker durch ein nikotinähnliches Nervengift, das bei der Maisaussaat verwendet wurde, umgekommen sind oder massiv geschädigt wurden.

Am 10. März 2011 reagierten die Vereinten Nationen mit einer Stellungnahme auf die Krisensituation: »Durch systemische Insektizide, wie man sie beispielsweise zum Samenbeizen verwendet, die von den Wurzeln in die gesamte Pflanze und auch in die Blüten wandern, können blütenbestäubende Insekten möglicherweise einer dauerhaften Gifteinwirkung ausgesetzt sein. […] Laboruntersuchungen haben gezeigt, dass diese Chemikalien einen Verlust des Orientierungssinns bewirken können, dass sie das Gedächtnis und die Stoffwechselvorgänge im Hirn beeinträchtigen und zum Tod führen können.«2

Der UNO-Welternährungsbericht sagt zwar, dass die Menschheit nur mit einer kleiner strukturierten Landwirtschaft zu ernähren sei. In der Realität jedoch findet weiterhin das Gegenteil statt, weil Monokulturen rationeller zu bewirtschaften sind. Alle totalitären Systeme können nur mit einer brutalen Polizei überleben, im Fall der Monokulturen sind das die Pestizide. Sie halten die Schädlinge in Schach, die sonst ideale Lebensbedingungen vorfinden würden. Gift im Essen und Bienenverluste sind die Kollateralschäden, die dabei in Kauf genommen werden. Die Methoden der intensiven Landwirtschaft zur Rationalisierung und Effizienzsteigerung werden gerne damit gerechtfertigt, dass die Welternährung anders nicht zu garantieren sei. »Die Menschheit hat sich der Illusion hingegeben, im 21. Jahrhundert durch technischen Fortschritt unabhängig von der Natur zu sein.«, so Achim Steiner, Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen.3 Zynisch formuliert, stellt sich also die Frage: Wollen wir gesund verhungern oder vergiftet überleben?

Es gibt jedoch auch Experten renommierter Bieneninstitute, zum Beispiel Dr. Peter Rosenkranz von der Landesanstalt für Bienenkunde der Universität Hohenheim, die nicht der Agrochemie die Schuld am Bienensterben geben: »Der wichtigste Faktor ist Varroa, der zweitwichtigste Varroa, dann kommt Varroa.«4

Sicher ist, dass diese aus China eingeschleppte Milbe der Honigbiene seit Ende der 1970er-Jahre entscheidend zu schaffen macht. Sie beißen sich bevorzugt an der Brut fest und leben vom Blut der Bienen. An den Bissstellen dringen außerdem Viren ein, welche die Flügel verkümmern lassen. Übertragen auf menschliche Proportionen entspräche der Blutsauger der Größe eines Kaninchens. Die immensen Ausfälle im Volk führen zu Arbeitskräftemangel und damit zu schlechter Brutversorgung und mangelnden Futterreserven. Das Volk wird schwach und kollabiert schließlich. Und mit ihm die Milbe? Leider nein. Schwächelnde Völker werden von anderen, stärkeren ausgeraubt – wo sonst ließe sich Nektar leichter einsammeln, als da, wo er fertig verarbeitet eingelagert liegt. Den Raubzug nutzt allerdings auch die Varroa als Mitreisegelegenheit und zieht mit den Räubern in deren möglicherweise noch nicht infizierten Stock ein.

Darüberhinaus gibt es noch ein knappes Dutzend schwerwiegender Krankheiten und Parasiten, welche die Honigbiene begleiten und von den Imkern mit zum Teil belastenden Medikamenten im Zaum gehalten werden.

Kann das alles zusammen das Phänomen erklären, das unter dem Namen Colony Collapse Disorder (CCD) bekannt geworden ist, das den plötzlichen Zusammenbruch kompletter Bienenvölker bezeichnet? Vor allem in den USA, aber auch in Europa sind Imker seit einigen Jahren damit konfrontiert, dass ihre Völker ohne jede Spur einfach verschwinden. Auf gut mit Honig und Pollen gefüllten Waben sitzt nur noch die Königin mit ein paar wenigen Bienen. Alle andern sind weg, es sind auch keine Ammenbienen mehr da, um die verlassene Brut zu füttern. Aber es liegen keine Bienenleichen im Stock, auch nicht vor dem Flugloch oder in der Nähe der Bienenkästen. Sie sind verschwunden, scheinbar grundlos, ohne vorausgehende Krankheitssymptome, und tauchen auch nirgendwo anders wieder auf.

Angesichts der dramatischen Entwicklung beschäftigt sich weltweit eine wachsende Anzahl von Wissenschaftlern mit den Problemen der...

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