1 Das Personal im Krankenhaus als wertvolles Gut
Krankenhäuser stehen aktuell vor einer großen Aufgabe: Sie müssen zunehmend mit knappen Ressourcen sehr wirtschaftlich agieren. Dies bezieht sich sowohl auf die Erlössituation als auch mehr und mehr auf die knappen Personalressourcen. Der Wettbewerb auf dem Markt umfasst heute nicht mehr nur externe Kunden (Patienten, Angehörige, zuweisende Ärzte, Krankenkassen, Lieferanten, die Öffentlichkeit und externe Kooperationspartner), sondern auch sogenannte »interne Kunden«, gut ausgebildete, motivierte Mitarbeiter. Qualifizierte Mitarbeiter – egal aus welcher Berufsgruppe – werden nämlich zusehends zur Mangelware; ohne Mitarbeiter ist ein Krankenhaus absolut handlungsunfähig.
1.1 Eine Mitarbeiterkultur entwickeln
Wie lassen sich die drei wichtigsten Säulen einer guten Unternehmenskultur – eine transparente Kommunikation, Wertschätzung der Mitarbeiter und Vertrauen – erfolgreich im Krankenhaus entwickeln? Hauptanliegen dieses Buchs ist es, die Verantwortlichen auf ihrem Weg, eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur aufzubauen, zu unterstützen, und Hilfestellung zu geben, um ein attraktiver Arbeitgeber zu werden. Dabei spielt die Berücksichtigung von Wünschen, die langjährige Mitarbeiter – die Vertreter der sogenannten Babyboom-Generation – an ihren Arbeitsplatz im Krankenhaus formulieren, eine genauso große Rolle wie die Bedürfnisse der Generation X und der jungen – aktuell auf den Arbeitsmarkt stoßenden – Generation Y. Der demografische Wandel in Deutschland zwingt die Kliniken zu einem Kulturwandel, der den Mitarbeitern aber auch den Patienten zugutekommt, wenn man ihn zu nutzen weiß.
Im Verlauf dieses Buchs werden viele Anregungen dafür gegeben, wie Krankenhäuser diesen Kulturwandel bewältigen können und als Arbeitgeber attraktiv bleiben. Der inhaltliche Aufbau des Buchs orientiert sich an dem Weg eines Mitarbeiters durch das Krankenhaus: erfolgreiche Rekrutierung, Einarbeitung und Integration, kontinuierliche Motivation und Führung, stetige Personalentwicklung sowie eine angenehme Gesprächs- und Kommunikationskultur. Insbesondere in den Kapiteln zwei bis sieben werden zahlreiche Maßnahmen und Instrumente vorgestellt, die Krankenhäuser bzw. deren Führungskräfte und Mitarbeiter aller Berufsgruppen auf dem Weg zur mitarbeiterorientierten Unternehmenskultur sofort umsetzen können. Mithilfe dieser Maßnahmen bzw. durch den Einsatz der Instrumente wird sich in den Kliniken eine Mitarbeiterkultur etablieren, die von Transparenz, guter interner Kommunikation, Vertrauen, Wertschätzung und einem respektvollen Umgang geprägt ist.
Eine gute Unternehmenskultur zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass professionell geführte und motivierte Mitarbeiter in den Abteilungen gerne und engagiert arbeiten und deshalb zufrieden mit ihrem Arbeitsplatz und somit auch mit ihrem Arbeitgeber sind. Solche »zufriedenen« Mitarbeiter lassen sich nicht abwerben, empfinden ihr Krankenhaus langfristig als attraktiven Arbeitgeber, und das spüren wiederum die Patienten.
1.2 Ausgangssituation
Junge Mediziner und Pflegekräfte wollen durchaus gerne in deutschen Kliniken arbeiten. Dies belegen die hohen Zahlen der Bewerber um einen Medizinstudienplatz jedes Jahr aufs Neue. So wurden an der medizinischen Fakultät der Berliner Charité zum Wintersemester 2012/2013 nur noch solche Abiturienten zugelassen, die einen Notendurchschnitt von 1,0 vorweisen konnten. Auch die Krankenpflegeschulen berichten (noch) über ausreichend Nachfrage bei ihren Ausbildungsplätzen.
Wenn diese jungen Leute allerdings ihre ersten Berufserfahrungen im Krankenhaus gemacht haben, sehen sie sich häufig aufgrund des negativen Betriebsklimas und der schlechten oder oftmals sogar »mitarbeiterfeindlichen Rahmenbedingungen« gezwungen, nach ihrer Krankenpflegeausbildung bzw. nach ihrer Facharztweiterbildung Arbeitsplätze in medizinnahen Berufsfeldern oder im Ausland anzunehmen. Manche wechseln auch in eine ganz andere Branche, jenseits des Gesundheitswesens.
Buxel (2009) konnte belegen, dass sich die folgenden Punkte abschreckend auf den Medizinernachwuchs auswirken:
• starre Hierarchien und ausgeprägte autoritäre Führung
• Aussicht auf zeitlich befristete Arbeitsverhältnisse
• schlechte Bezahlung
• ungeregelte Arbeitszeiten
• mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf
• Gefährdung der Patienten durch übermüdete Ärzte
• dünne Personaldecke
• weniger Zeit am Patientenbett wegen zunehmender administrativer Tätigkeit bei Ärzten und Pflegenden
• steigende Belastung durch Verwaltungstätigkeiten
• hoher Kostendruck und vielfältige Sparmaßnahmen
• unstrukturierte Weiterbildung im ärztlichen Bereich
• mangelnde Flexibilität der Arbeitszeiten
Der Ärztemangel im Krankenhaus – insbesondere der Mangel an qualifizierten Fachärzten – entwickelt sich allmählich zu einem gravierenden Problem der stationären Versorgung. Zu den Folgeproblemen zählen insbesondere eine stark beeinträchtigte Patientenversorgung, sinkende Patientenzahlen in den Kliniken sowie eine sinkende Versorgungsqualität aufgrund personeller Engpässe.
Immer mehr Krankenhäuser reagieren auf diese Entwicklung, fangen an umzudenken und begreifen, dass der Arbeitsplatz »Arzt in einem deutschen Krankenhaus« in der aktuellen Situation nicht besonders attraktiv ist. Insbesondere junge Assistenzärzte arbeiten trotz reformiertem Arbeitszeitgesetz immer noch länger als es in ihren Verträgen vorgesehen ist – und das ohne Bezahlung der Überstunden. 60 bis 80 Wochenstunden sind dabei keine Seltenheit.
Die bereits zitierte Studie von Buxel (2009), an der 729 Assistenzärzte teilnahmen, kam bezüglich der Attraktivität des Arztberufs zu folgenden Ergebnissen:
• Nur rund die Hälfte der befragten Ärzte gab an, dass sie alles in allem mit ihrem Arbeitsplatz zufrieden sind.
• Die größte Unzufriedenheit verursacht der Stress im Berufsalltag (57,2 % der Befragten), gefolgt von zu wenig Freizeit (54,6 %) und zu geringer Bezahlung bzw. dem fehlenden Freizeitausgleich von Überstunden (49,6 %).
• Der Umfang des Weiter- und Fortbildungsangebots erschien 46,8 % der Befragten viel zu gering.
• Nur 55 % der Befragten hielten den Arztberuf insgesamt für attraktiv, was auch den niedrigen Verdienstmöglichkeiten geschuldet ist.
• Die Arbeitsplatzsicherheit und die wachsende Anzahl der Stellenangebote beurteilten die Ärzte ausgesprochen positiv.
In eine ähnliche Richtung weisen die Ergebnisse einer weiteren Erhebung von Buxel (2011) unter 3.145 Pflegekräften in Kliniken sowie 740 Auszubildenden in der Gesundheits- und Krankenpflege:
• Etwa 70 % der befragten Pflegenden gaben an, mit ihrer Berufswahl grundsätzlich zufrieden zu sein.
• Nur etwa ein Drittel der Befragten würde den Pflegeberuf jedoch weiterempfehlen.
• Nur etwa die Hälfte der Befragten gab an, dass sie insgesamt mit ihrem Arbeitsplatz zufrieden sind.
Was sind die Gründe für die Unzufriedenheit der Pflegenden?
• Der Stellenwert des Pflegepersonals im Krankenhaus wird als viel zu niedrig eingestuft, den Pflegenden fehlen Wertschätzung und Vertrauen der anderen Berufsgruppen, insbesondere von Seiten der Ärzte (62 % der Befragten).
• Darüber hinaus führe der Stress am Arbeitsplatz (56 % der Befragten), u. a. wegen des niedrigen Personalschlüssels, bei der Schichtbesetzung (63 % der Befragten) zu Unzufriedenheit.
Ohne Zweifel ist die Arbeit im Krankenhaus sehr anstrengend: Schicht- und Bereitschaftsdienste, das Heben von schweren Patienten, die psychische Belastung beim Umgang mit schwer kranken oder sterbenden Menschen – all das verlangt vom Personal sehr viel Kraft und Energie. Hinzu kommt, dass seit Einführung der DRGs die Arbeitsdichte in den Krankenhäusern rapide zugenommen hat.
Umso wichtiger ist es, bei diesen harten Arbeitsbedingungen im Krankenhaus den Mitarbeitern eine angenehme Unternehmenskultur zu bieten und den Aspekt der Mitarbeiterzufriedenheit, samt einem entsprechend guten Betriebsklima, in den Vordergrund zu stellen.
1.3 Demografischer Wandel und Personalmangel
Die Personalsituation bei den...