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Das wollte ich Ihnen schon immer mal sagen

Mut zur ehrlichen Kritik

AutorJoachim Llambi
VerlagUllstein
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783843706841
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
JOACHIM LLAMBI IST BEKANNT DAFÜR, DASS ER KLARTEXT REDET. Wer sich fragt, warum er sich das traut, bekommt in diesem Buch überraschende Antworten. Der Chefjuror von Let's Dance zeigt, wie Kritik positiv beim Gegenüber ankommt. Dabei gewährt er Einblicke in seine Erfahrungen als Promi, Börsenhändler und Tanzprofi - und spart wie gewohnt nicht mit offenen Worten. Seine Botschaft: Mit ehrlicher Kritik machen wir uns langfristig eher Freunde als mit unaufrichtigem Geschwafel. Denn der richtige Umgang mit Kritik ist der Schlüssel zu erfolgreichen Beziehungen.

Joachim Llambi ist gelernter Bankkaufmann und arbeitet seit über 20 Jahren als Börsenhändler. Bekannt ist er als Chefjuror der RTL-Show »Let's Dance«. Er tanzt seit seinem 17. Lebensjahr, 1989 wurde er Profi und nahm u. a. als Finalist an Welt- und Europameisterschaften teil.

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Leseprobe

Raue Sitten: Die Verantwortung
unserer Vorbilder


Was unser Medienkonsum über uns aussagt


Aus den mal mehr, mal weniger hohen Quoten von Sendungen, in denen Menschen harsch miteinander kommunizieren – sei es der Umgang überforderter Showkandidaten miteinander oder zum Beispiel ein Streit unter Prominenten, der wochenlang Gegenstand der Schlagzeilen ist –, ziehe ich zwei Schlüsse. Erstens: Viele schalten tatsächlich nur aus Schadenfreude ein, weil sie inzwischen an den harten Ton gewöhnt worden sind. Das ist eine schlechte Nachricht, aber auch durchaus menschlich nachvollziehbar: Wer nach einem harten Arbeitstag oder einem schlimmen Schultag, an dem er vielleicht selbst als Fußabtreter für den Chef oder die Klassenkameraden herhalten musste, zusehen kann, wie es anderen vor einem Millionenpublikum noch schlimmer ergeht, ist nicht gleich ein schlechter Mensch. Er verschafft sich einfach nur Erleichterung, fühlt sich ein bisschen weniger schlecht als zuvor. Das ist keine konstruktive Lösung für die Alltagsprobleme regelmäßig unzufriedener Menschen. Aber eine kleine Flucht, die sich anbietet und keine eigenen Anstrengungen verlangt. Je öfter ein Teenager zusieht, desto höher wird seine Reizschwelle und desto expliziter muss das Dargestellte sein, um noch etwas bei ihm auszulösen.

Gefährlich ist diese Entwicklung insbesondere für junge Menschen, die noch nicht konsequent zwischen der Realität und deren Aufbereitung in den Medien unterscheiden können: Früher oder später setzt sich der Ton durch, den zum Beispiel sehr junge Kandidatinnen anschlagen, wenn sie unter höchsten Druck und zueinander in Konkurrenz gesetzt werden.

»Du siehst scheiße aus!« – so ein Spruch kann ein junges Mädchen brechen. Doch bei jungen Menschen kann in manchen Sendungen der Eindruck entstehen, dass Kritik genau so sein darf und sogar als cool gilt. Wenn zwei Mädchen, die für ihren Traum kämpfen und unter Leistungsdruck die Nerven verlieren, sich untereinander einen Zickenkrieg liefern, dann sieht das real aus – aber ist es das? Wie reflektiert und selbstsicher waren Sie mit fünfzehn in Bezug auf Ihre Fähigkeiten und Ihren Wert innerhalb einer Gruppe? Gerade Teenagern ist es enorm wichtig, wie sie von ihren Altersgenossen wahrgenommen werden. Der Gradmesser für ihren Selbstwert ist bei vielen ihre Beliebtheit in der Schule, in der Clique, im Sportverein. Wenn in diesem Umfeld statt offener Rückmeldungen der brutale Verriss praktiziert wird, fehlt die Chance zur gesunden Persönlichkeitsentwicklung.

Stattdessen setzt man sich aus reinem Selbstschutz pauschal über jede Kritik hinweg – auch über die wohlmeinende. Man gewöhnt sich selbst asoziale Verhaltensweisen an, um sich zu behaupten. Oder man zerbricht. Zwei mögliche Weichenstellungen für alle, die in diesem Alter noch nicht so gefestigt sind, dass sie das Spiel durchschauen und darüberstehen könnten.

Amokläufe und Bombendrohungen an Schulen im In- und Ausland haben in den letzten Jahren zu Recht vermehrt zu Diskussionen darüber geführt, ob wir als Lehrer, Eltern, Vertrauenspersonen der Verrohung der Sitten bei unseren Kindern noch gewachsen sind. Viel zu selten wird dagegen öffentlich über die gängigste Form der Gewalt auf deutschen Schulhöfen diskutiert: die verbale.

Wie unsere Kinder miteinander umgehen, darf uns nicht egal sein. Kritik zu üben ist eine der wichtigsten Säulen der zwischenmenschlichen Kommunikation. Sie gehört zu einer gesunden Beziehung. Sie sorgt für Weiterentwicklung – persönlich und ökonomisch. Sie ist eine grundlegende Voraussetzung jeder demokratischen Ordnung. Wenn wir verlernen, einander auf kluge Weise zu kritisieren, können wir nicht mehr konstruktiv miteinander umgehen. Die Folge ist Stagnation.

Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln


Prominente, die durch ihre Medienpräsenz regelmäßig in den deutschen Wohnzimmern zu Gast sind, stehen auf einem Podest – ob sie diese Verantwortung nun annehmen oder nicht. Gerade viele junge Menschen nehmen manchen Medienstar heute ernster als ihre Abgeordneten. Das mag damit zu tun haben, dass sie dessen Leistungen fortlaufend einschätzen und beobachten können. Von den meisten Politikern dagegen hören sie kaum etwas, wenn sie sich nicht aktiv darum bemühen.

Die Ergebnisse politischer Nichtleistung in ihrem Umfeld dagegen nehmen sie durchaus wahr. Säßen Jugendliche in der Jury einer Sendung namens Germany’s Next Spitzenpolitiker, bekämen wir wohl häufig Urteile wie dieses zu hören: »Ich habe heute leider kein Foto für dich, liebe Arbeitsministerin, denn meine Eltern bringen unsere Familie trotz mehrerer Nebenjobs kaum über die Runden.«

Gerade in Wahlkampfzeiten reicht ein Blick in die Abendnachrichten, um sich davon zu überzeugen, dass auch Politiker – immerhin von Berufs wegen Kommunikationsprofis – den Begriff der Kritik gern mal eigennützig interpretieren.

Der Teil der Politik, den wir als Außenstehende wahrnehmen, ist ein Wettkampf, der mit Worten ausgetragen wird. Wie jeder andere Wettkampf hat er seine Regeln – sowohl geschriebene als auch ungeschriebene. Dass politische Gegner in Sachfragen deutliche Worte für die Meinungen und Lösungsansätze des jeweils anderen finden, ist nichts Neues. Dass diese Meinungsverschiedenheiten öffentlich ausgetragen werden, ist sogar notwendig, um die Wähler in den politischen Prozess einzubeziehen.

Leider häufen sich die Berichte über Politiker, die in ihren Auseinandersetzungen die Sachebene verlassen und einander auf der persönlichen Ebene verbale Tiefschläge versetzen. Das beste Beispiel für diese politische Unkultur war der Angriff von Ronald Pofalla gegen Wolfgang Bosbach in einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der irgendwie den Weg in die Medien fand. »Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen!«, wurde Pofalla in der Berichterstattung zitiert.

Jetzt stellen Sie sich einmal vor, Ihr Kollege hätte das zum Beispiel in einer Abteilungssitzung zu Ihnen gesagt. Oder ein Verwandter bei einer Familienfeier. Eine Äußerung wie diese würde in jedem beliebigen Kontext die Regeln des gesunden Miteinanders verletzen.

In der Politik ist ein solcher Affront viel mehr als eine bodenlose Unverschämtheit. Ganz gleich, ob Pofalla wissen konnte, dass seine Worte den Weg in die Öffentlichkeit finden würden: Ein Politiker muss damit rechnen, dass seine Worte nach außen dringen. Ich unterstelle, dass jedem Spitzenpolitiker dieses Risiko ebenso bewusst ist wie einem Prominenten. Doch selbst wenn dieser Dialog im engen Kreis der Fraktion geblieben wäre, selbst wenn die beiden allein gewesen wären, zeugt eine solche Wortwahl aus dem Munde eines Bundesministers von einer Verrohung der Sitten in der Politik. Und wenn es schon im politischen Diskurs an Umgangsformen fehlt – wie kann man dann den Wählern vorwerfen, dass sie sich von der Politik abwenden?

Persönlichkeiten wie Helmut Schmidt zeigen, zu wem die Menschen aufschauen: integre Politiker, die sich auch in wichtigen Fragen sowohl meinungsfreudig als auch seriös zu positionieren wissen. Die den Wettkampf der Worte mit seriösen Argumenten auf der Sachebene führen, statt sich gegenseitig persönlich zu beleidigen, wenn sie unterschiedliche Standpunkte vertreten.

Auch Helmut Schmidt und Helmut Kohl haben sich in den Talkrunden der 70er Jahre nichts geschenkt. Ich erinnere mich noch an diese frühen Polit-Talkshows: Da saßen die damaligen Spitzenpolitiker in ihren schwarzen Anzügen an einem runden Tisch versammelt wie im Hinterzimmer eines Gentlemen’s Club. Allein die Atmosphäre vermittelte den Eindruck, dass da über ganz wichtige Dinge geredet wurde – und nicht persönliche Animositäten ausgetragen wurden.

Da, wo heute oft um den heißen Brei geredet wird, ging es richtig zur Sache. Selbst wenn sich Politiker persönliche Fehlentscheidungen vorwarfen, wahrten sie den Ton. In den Gesprächen wurde auf hohem Niveau kritisiert: Es fielen klare, auch harte Worte, aber keine persönlichen Beleidigungen.

Heute scheint es mir eher umgekehrt zu sein: Viele Politiker tragen ihre persönlichen Revierkämpfe öffentlich aus. Auf klare Worte in Sachfragen, die uns als Bürger betreffen, warten wir dagegen oft genug vergeblich.

Besonders beunruhigend finde ich, dass in der Politik das öffentliche Einprügeln auf ausgewählte Sündenböcke immer üblicher wird. Kritik, die auf sofortigen Rücktritt abzielt, dient in der politischen Arena als verbale Waffe gegen Konkurrenten. Oft hört sie auch dann noch nicht auf, wenn einer längst am Boden liegt. Dass sogar parteiinterne Kämpfe mit unfairen Mitteln ausgetragen werden, ist derart selbstverständlich geworden, dass kaum noch jemand wagt, seine ehrliche Meinung zu sagen. Für eine demokratische Kultur ist das ein ernstes Problem.

Ein Verriss ist immer persönlich


Dass schon ein Verriss heute als Unterhaltung gilt, ist kein gutes Zeugnis für unseren Umgang miteinander. Dabei verändert sich nicht nur die Art, wie wir miteinander umgehen – diese Entwicklung ignoriert auch völlig die Folgen.

Prominente bekommen das als Erste zu spüren. Die meisten können das aushalten – weil sie es aushalten müssen. Doch nicht jeder, der in der Öffentlichkeit steht, ist hartgesotten. Und nicht jeder, der vor der Kamera gute Miene zum bösen Spiel macht, kann sich im stillen Kämmerlein tatsächlich so einfach über einen Verriss hinwegsetzen.

Gleich in der ersten Staffel von Let’s Dance im Jahr 2006 hatten wir mit Heide Simonis eine Kandidatin, die die volle Häme des Boulevards zu spüren bekam. Ihr Beispiel...

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