Japan blickt auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurück. Es ist eine Geschichte mit dunklem Ursprung und voller Rätsel. Chroniken vermengen sich mit Mythen und erzählen von einer schroffen Inselwelt am östlichen Rande Asiens mit geheimnisvollen Einwanderern, von Herrschern, Kriegern, Bauern und Sklaven. Sie erzählt von zwei uralten Religionen, die sich ergänzen, als wären sie füreinander geschaffen und einem Reich, das aus der Vorgeschichte aufsteigt zu Größe, Glanz und Macht.
Die Ursprünge und Herkunft der Japaner sind wie die Geschichte des Landes nicht eindeutig. Bereits vor 100.000 Jahren sollen erste Menschen auf den Inseln Japans gesiedelt haben, aber erst archäologische Funde aus dem 7. Jahrtausend v. Chr. geben genauere Aufschlüsse über die Urjapaner jener Zeit. Aufgrund der Eiszeit verband eine Landbrücke Japan mit dem asiatischen Festland bis ca. 12.000 v. Chr. In dieser Zeit formten sich auch die Inseln Japans aufgrund massiver Vulkanausbrüche zur heute bekannten geographischen Form. Die ersten Siedler, die über die Landbrücke auf die japanischen Inseln gelangten, waren wandernde Jäger und Sammler. Bereits um 10.000 v. Chr. entstand mit der Jomon-Kultur eine frühe erste Kultur. Dieser Kultur der Ur-Japaner war einem stetigen Zustrom neuer Wanderbewegungen ausgesetzt, der zu fruchtbaren Austauschen führte. Von Norden her siedelten aus Sibirien bärtige und weniger mongolid aussehende Ainu auf der nördlichen Insel Hokkaido. Von Süden her kam es immer wieder zu Einwanderungswellen aus Korea und China, die sich über den südlichen Teil von Kyushu vollzogen. Dieser Austausch führte ab 300 v. Chr. zur bedeutenden Epoche der Yayoi-Kultur. Mit den Einwanderern aus Korea und China fand die Bronze- und Eisenverarbeitung sowie der Nassreisanbau Einzug in Japan. Zu dieser Zeit waren die ersten Reiche Japans mit ihrer ungünstigen Lage am östlichen Rand Asiens der chinesischen Hochkultur technologisch, kulturell und wirtschaftlich deutlich unterlegen. China reißt Japan ab dieser Zeit aus dem geschichtlichen Dämmer der Steinzeit.
Mit dem Anbau von Reis beginnt eine neue bedeutende Epoche Japans. Wo vorher Jäger und Sammler nur zeitweise in primitiven Dörfern hausen, werden binnen weniger Generationen feste Siedlungen mit sesshaften Bauern und einer Arbeitsteilung für den aufwendigen Reisanbau. Dieser kulturelle Austausch zwischen einigen der 100 Teilstaaten Japans[1] (Reiche von Wa) mit China und Korea als Kulturbrücke, führt zu einer raschen Veränderung des Landes. Terrassen werden für den Reisanbau angelegt, befestigte Wege und komplizierte Bewässerungssysteme gebaut und Ackerbaugeräte aus Bronze und Eisen in der Landwirtschaft genutzt.
Aus dem Ringen um knappe Rohstoffe in dem ressourcenarmen Land geraten die Teilstaaten immer wieder in kriegerische Auseinandersetzungen. Durch militärische Triumphe und geschickte Bündnisse gewinnt ein Reich die Oberhand: Yamato in der Bucht von Osaka. Die Könige von Yamato erringen nach und nach die Herrschaft über ihre Heimatinsel Honshu und greifen nach den südlichen Halbinseln. Zwischen dem 3. und 4. Jahrhundert wird Japan, bis auf das unzugängliche Hokkaido, endgültig geeint.
Mit dem Yamato-Reich wird Japan erstmalig und endgültig geeint. Noch heute ist diese frühe Einigung in Japan erkennbar an der homogenen Bevölkerung und den nahezu unveränderten Landesgrenzen. Mit dem Yamato-Reich beginnt auch eine Epoche des regen Austausches mit China und Korea. Japanische Diplomaten besuchen das Festland und chinesische Gelehrte, Schreiber und Bürokraten, die häufig vor Kriegen in China flüchten werden aufgenommen. Mit den neuen Einwanderern hält ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. der Buddhismus, Konfuzianismus und die chinesische Schrift Einzug in Japan. Japan hat zu dieser Zeit keine eigene Schrift und Schriftzeichen entwickelt. Chinesisch zu schreiben war nur den wenigen Gelehrten und Mitarbeitern des Herrscherhofes vorbehalten. Erst ab dem 8. Jahrhundert beginnen japanische Gelehrte die chinesischen Schriftzeichen nicht mehr nach ihrer Bedeutung, sondern nach ihrem Lautwert zu schreiben. Die chinesischen Schriftzeichen werden dabei vereinfacht und runder geschrieben.
Mit der Ermordung von König Sushun durch Soga no Umako, dem Clanführer der am Hof einflussreichen Soga Familie 529 n. Chr. betritt dessen Nichte Suiko als Nachfolgerin den Thron und erhält später als erstes Oberhaupt des Yamato-Reiches den Titel Tenno. Ihr zur Seite stand der Prinzregent Shotoku Taishi, der die eigentliche Regierungsgewalt inne hatte und den zentralisierten Staat errichten und weiter festigen sollte. Der Beginn eines japanischen Zentralismus im 8. Jahrhundert, der bis heute Bestand hat und noch immer in der politischen und wirtschaftlichen Struktur Japans erkennbar ist.
628 n. Chr. stirbt die erste japanische Kaiserin Suiko, Shotoku übernimmt die Macht bis 645 n. Chr. und fördert das Ausbreiten des Buddhismus und die Niederschrift der ersten Chroniken. 604 n. Chr. legt er mit den „17 Artikeln“ die philosophische und ethische Grundlage seiner Regierungszeit fest. In ihnen fordert er Untertänigkeit gegenüber dem Kaiser, die Verehrung Buddhas, Korruption zu bekämpfen und die Harmonie zu fördern.
Hatte Shotoku im Jahr 604 noch die philosophisch-moralischen Grundlagen für einen zentralisierten Staat gelegt, so schuf sein Nachfolger Kotoku mit den Taika-Reformen („große Wende“) 645 n. Chr.[3] die verwaltungstechnischen Vorraussetzungen für einen funktionierenden Zentralstaat. Die Provinzfürsten wurden dabei ihrer Ländereien entmachtet und enger an den Hof gebunden.
In die Zeit des siebten Jahrhunderts fallen auch erste Bemühungen Japans mit einer Expansionspolitik erstmals Einfluss auf den asiatischen Kontinent zu nehmen und in Korea Gebiete zu besetzten. Um 560 n. Chr. erobert das Yamato-Reich Koreas küstennahes Gebiet Mimanas. Erst ein Jahrhundert später wurde Mimanas von China zurück erobert. Der Beginn einer wechselhaften Außenpolitik in der Geschichte Japans, die aufgrund der Überzeugung und dem Vertrauen auf die eigene, überlegene Kultur stets zwischen aggressiver Expansionspolitik und massiver Selbstisolierung schwankt.
Mit dem Jahr 710 n. Chr. erhält das Kaisertum in Nara einen ständigen Regierungssitz und beendet damit die Tradition des nomadenhaft wechselnden Herrschaftssitzes. Geplant wird die Stadt nach dem Vorbild der chinesischen Hauptstadt Ch´ang-an mit schachbrettartigen Grundmuster und dem Kaiserpalast als zentralen Fixpunkt. 794 n. Chr. wird der Kaisersitz endgültig nach Heiankyo („Hauptstadt des Friedens“), dem heutigen Kyoto verlegt. Mehr als tausend Jahre bleibt Kyoto die Hauptstadt des Landes, wenn auch die kaiserliche Residenz selten wirkliches politisches Machtzentrum des Landes ist. Japan erlebt zu dieser Zeit eine ungeahnte Phase der kulturellen Blüte. Die neue, japanische Schrift führt zur ersten eigenen Poesie, prächtige Shinto-Schreine und goldene Buddhastatuen werden in verschwenderischer Schönheit errichtet und Kyoto steht mit seinen nahezu 500.000 Menschen für das neue Selbstbewusstsein des aufstrebenden Kaisertums.
Die Heian-Zeit mit der Gründung Kyotos (794-1185) lässt sich in drei bedeutende Phasen unterteilen. In der ersten Phase, bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts besitzt das Kaisertum die unbestrittene, politische Zentralgewalt, aufbauend auf einen reibungslos funktionierenden Beamtenapparat. In der zweiten Phase nimmt die Macht der Fürstenfamilien etwa der Fujiwara am Hofe zu. Dieser Einfluss der Fürstenfamilien nimmt zwar zum Ende der Heian-Zeit wieder ab, trotzdem kann das Kaisertum die eigene zentrale Regierungsgewalt nicht wieder stärken. Ab dem 1087 n. Chr. wird Japan für zwei Jahrhunderte von „Klosterkaisern“ regiert, die abgetreten in buddhistischen Klöstern oder privaten Residenzen Einfluss auf die meist minderjährigen Thronfolger nehmen.
Parallel zur Schwächung des Kaisertums in der Hauptstadt erstarkt der Adel auf dem Land. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts wird der Grundbesitz nicht mehr von Beamten des Kaisers kontrolliert und vergeben, sondern weitgehend vom Landadel selbst weiter vererbt. Die landbesitzenden Provinzfamilien können so die Zentralmacht des Kaisers ausbalancieren und untergraben. So bildet sich in jener Zeit Japans Urmodell der dualen Herrschaftsstruktur, das die kommenden Jahrhunderte typisch für Japan sein wird: Kaisertum gegen Provinz- und Schwertadel. Ein Dualismus, der 1185 in der Ernennung von Minamoto no Yoritomo zum Militärgouverneur und später Shogun („seii tai shogun“ – großer barbarenvertreibender General) und der Errichtung der inoffiziellen Kapitale Kamakura gipfelt. Fortan wird Kamakura und später Edo, das heutige Tokio, Sitz weltlicher Macht sein, Kyoto bleibt der Sitz des entmachteten Kaisertums. Dennoch bleiben beide Zentren in typischer Weise für den japanischen Dualismus weiter eng miteinander verflochten.
Mit Minamoto no Yoritomo wird 1192 n. Chr. erstmals ein Shogun die politische Macht über das Kaiserreich Japan ausüben. Bereits 1183 überträgt der Kaiserhof in...