3 Einflussfaktoren und Umsetzungsinstrumente
Wie das vorangegangene Kapitel ansatzweise gezeigt hat, bestehen einerseits bestimmte Bedingungen, die die mittelständischen Unternehmen für ein erfolgreiches Auslandsengagement erfüllen müssen, und andererseits existieren mittelstandsspezifische Eigenschaften, die eine Internationalisierung stark beeinflussen und zum Teil auch einschränken. Diese Internationalisierungsbedingungen und mittelstandsspezifischen Eigenschaften können unter den Faktoren, die die Internationalisierung der Produktion beeinflussen, zusammengefasst werden. Die unternehmensinternen Einflussfaktoren basieren auf den Unternehmensressourcen und die unternehmensexternen Einflussfaktoren leiten sich aus den Rahmenbedingungen der Unternehmensumwelt ab. Für ein Produktionsengagement im Ausland spielen überwiegend die wirtschaftlichen, rechtlichen, politischen, personellen, finanziellen und soziokulturellen Einflussfaktoren eine wichtige Rolle. Hinzukommend erfordert eine erfolgreiche Auslandsinvestition die Kenntnis spezieller Instrumente hinsichtlich der Personalplanung, Finanzierung, Standortplanung und Informationsbeschaffung. Im Folgenden werden diese relevanten Einflussfaktoren und Umsetzungsinstrumente dargestellt und erläutert. Sie stellen ein notwendiges Know-how sowie ein Erfolgspotenzial bei der Aufnahme einer Auslandsproduktion, besonders für mittelständische Unternehmen, dar. Da die Bereiche Beschaffung, Absatz, technische Planung und Projektumsetzung eine in dieser Untersuchung nachrangige Rolle spielen, sollen diese auch nicht explizit analysiert werden. Weiter kann noch festgehalten werden, dass das Ziel der Produktion die vorwiegende Versorgung des lokalen Marktes sein soll und kein Rückimport der im Ausland gefertigten Güter stattfindet. Somit wird auch auf grenzüberschreitende Güterflüsse und damit zusammenhängende zollrechtliche Aspekte nicht eingegangen.
Durch eine Analyse der national geltenden wirtschaftlichen, rechtlichen, politischen und soziokulturellen Einflussfaktoren eines spezifischen Landes, die in diesem Zusammenhang auch als landesspezifische Rahmenbedingungen bezeichnet werden können, lässt sich im Vorfeld ermitteln, ob dieses Land überhaupt für eine grundsätzliche Errichtung einer neuen Produktionsstätte geeignet ist und mit welchen Aussichten heute und in der Zukunft in diesem Land gerechnet werden kann. Jeder einzelne dieser Faktoren kann dabei Fakten zu erkennen geben, die eine Direktinvestition in Form einer Produktionsstätte aufgrund besonderer Risiken von vornherein praktisch ausschließen oder auch umgekehrt auf ganz besonders hohe Chancen hinweisen.[62]
Die wirtschaftlichen Faktoren eines Landes geben Aufschluss über die Größe, das Potenzial, die Struktur und die Eigenschaften eines Marktes. In diesem Sinne sollten beim Aufbau einer Auslandsproduktion vor allem die Wirtschaftsordnung, das Wirtschaftswachstum, das Bruttoinlandsprodukt, die Inflation, das Investitionsklima, der Arbeitsmarkt, das Absatzpotenzial, die Kaufkraft, die Unternehmensbesteuerung sowie der Geld- und Kapitalmarkt betrachtet werden. Ist das Zielland nach der heutigen Auffassung keine Industrienation sondern z.B. ein Entwicklungs- oder Transformationsland, so muss auch den rechtlichen und politischen Faktoren eine große Signifikanz beigemessen werden. Nur so kann der Schutz von Kapital und Sachanlagen, deren ungestörte wirtschaftliche Nutzung wie auch eine freie unternehmerische Entfaltung im Voraus sichergestellt werden. Die rechtlichen Faktoren eines Landes basieren auf der Rechtsordnung eines Staates. Für die Produktion und Geschäftsabwicklung sind besonders das Gesellschafts- und Unternehmensrecht, das Wirtschafts- und Arbeitsrecht, das Steuerrecht, der gewerbliche Rechtschutz, der Investitionsschutz und die Genehmigungsverfahren von Relevanz. Die politischen Faktoren basieren auf dem politischen System eines Staates. Hierbei sollten die politische Stabilität und Wirtschaftspolitik, die Kontakt- und Kooperationsbereitschaft von Regierungsstellen sowie die Investitionsförderung und die politischen Außenbeziehungen zum Heimatland genauer geprüft werden. Falls die Kultur des Heimatlandes und des Ziellandes von einander abweichen, müssen vor der Projektaufnahme auch die soziokulturellen Einflussfaktoren und Diskrepanzen sorgfältig eruiert werden. In diesem Kontext finden die Sprache und Mentalität, das Wertesystem, die Einstellung zu ausländischen Investoren sowie die Hierarchieunterschiede und Handelsgebräuche eine wesentliche Berücksichtigung.[63] So kann der deutsche Mittelständler anhand dieser Einflussfaktoren und deren Kenntnis in der Projektaufnahmephase bestimmte Chancen für seine Auslandsproduktion ableiten und bei Existenz möglicher gravierender Risiken sich frühzeitig und ohne große Verluste gegen das Projekt entscheiden.
Alle genannten Einflussfaktoren bzw. in diesem Zusammenhang landesspezifischen Rahmenbedingungen sind jedoch in einem solchen zahlreichen Umfang vorhanden, dass sich insbesondere ein mittelständisches Unternehmen aus Kapazitätsgründen nicht auf ihre ständige Beobachtung und Erfassung konzentrieren kann. Zudem würde dem Mittelständler aufgrund fehlenden Know-hows und fehlender Methoden die Analyse und Beurteilung dieser Faktoren weitere Schwierigkeiten bereiten. Als eine mögliche Alternative können Länder mit wenig Zeit- und Kostenaufwand anhand unterschiedlicher Länderindizes beurteilt werden. Viele namhafte Organisationen, Forschungsinstitute, Unternehmen, Kreditanstalten und Agenturen bieten verschiedene Indizes im Rahmen von Länderratings an, die auf komprimierten quantitativen und qualitativen Daten und Fakten aus dem ökonomischen, rechtlichen, politischen, staatlichen und auch gesellschaftlichen Bereich basieren. Diese werden meist aus Statistiken, durch breit angelegte Untersuchungen und Analysen sowie durch Einschätzungen von Experten gewonnen.[64]
Wie schon mal erwähnt, sind die personellen Ressourcen ein weiterer wesentlicher Einflussfaktor bei der Internationalisierung der Produktion. Bei dem Aufbau einer Produktion im Ausland entsteht ein Bedarf an Arbeitskräften, insbesondere an Ingenieuren, Technikern, Fachkräften und an Führungskräften für die Organisation und Verwaltung. Dieser Bedarf muss zum einen durch die interne Personalbeschaffung und zum anderen durch eine externe Beschaffung an Mitarbeitern gedeckt werden. Aus diesem Grund müssen auf der einen Seite die eigenen unternehmensinternen Personalkapazitäten und auf der anderen Seite die unternehmensexternen Personalkapazitäten, die der ausländische Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt, betrachtet werden. Hierbei stellt die richtige Auswahl des Personals eine signifikante Determinante dar, denn nur mit den geeigneten Mitarbeitern kann ein Auslandsengagement sich erfolgreich entwickeln.[65]
Wie bereits festgestellt wurde, sind die Humanressourcen, die oft mit der Unternehmensgröße eng verbunden sind, bei den deutschen mittelständischen Unternehmen meist sehr begrenzt. In organisatorischer Hinsicht ist die Vorraussetzung für eine Direktinvestition im Ausland gegeben, wenn eine ausreichende Anzahl an Mitarbeitern, die nicht im Tagesgeschäft der Muttergesellschaft gebunden sind, zur Planung und Realisation eines derartigen Projektes zur Verfügung steht. Andernfalls müssen rechtzeitig qualifizierte Mitarbeiter angestellt werden. Der Bedarf an Mitarbeitern aus der Muttergesellschaft, die in der späteren Auslandsproduktion eingesetzt werden sollen, kann mit dem notwendigen Transfer von Technologie- und Management-Know-how sowie mit der Sicherung der Unternehmensinteressen „vor Ort“ begründet werden. Die Höhe des Bedarfs an Stammhausdelegierten im Ausland wird durch die Größe der Produktionsstätte sowie der Organisations- und Verwaltungsstelle, durch das Aufgabenfeld und die Organisationsstruktur, durch den erforderlichen Know-how-Transfer und die Anzahl vorhandener ausländischer Arbeitskräfte, durch die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen im Ausland sowie die Personalkapazitäten des Stammhauses bestimmt.[66]
Neben den limitierten personellen Ressourcen tritt bei der internen Personalauswahl für das internationale Geschäft speziell bei mittelständischen Unternehmen häufig ein weiteres Problem auf. Aufgrund des, wie bereits in den qualitativen Mittelstandsmerkmalen aufgeführt, beschränkten Ausbildungsniveaus mangelt es vielen Mitarbeitern an internationaler Erfahrung und Qualifikation. Aber gerade diese beiden Eigenschaften stellen zwei weitere entscheidende Voraussetzungen für ein Internationalisierungsprojekt dar. Die wichtigsten Anforderungen sind dabei Fremdsprachenkompetenzen, Erfahrungen mit fremden Kulturkreisen, Fähigkeiten bei der Umsetzung von Fachkenntnissen unter erschwerten Rahmenbedingungen, produkt- und zielmarktspezifische Kenntnisse, strategische und methodische Kompetenzen, Improvisationstalent, Anpassungsfähigkeit, Erfahrungen im Projektmanagement, organisatorische Fähigkeiten sowie Disziplin und Entscheidungsfreudigkeit. Einige dieser fehlenden Erfahrungen und Qualifikationen können jedoch auf dem ausländischen Arbeitsmarkt durch geeignete Arbeitskräfte kompensiert...