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Geschlechterrollen in der TV-Werbung

Eine empirische Analyse zum Wandel der sozialen Konstruktionen

AutorAndrea Dauber
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl163 Seiten
ISBN9783638060257
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Soziologie - Familie, Frauen, Männer, Sexualität, Geschlechter, Note: 1,7, Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Institut für Soziologie), 84 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: 'All that's left in any case, is advertising space' - diese Zeile aus einem Lied des Sängers Robbie Williams beschreibt recht treffend, mit welchem Umstand sich Menschen in modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften tagtäglich konfrontiert sehen: Werbung umgibt sie überall und zu jeder Zeit. 'SC macht Männer mutig' - 'Puschkin - für harte Männer' - 'Cadum - Die Seife schöner Frauen' - 'Camelia - Gibt allen Frauen Sicherheit und Selbstvertrauen' - so oder so ähnlich lauten viele Werbeslogans, die uns ständig in allen möglichen Präsentationsformen, sei es im Fernsehen, auf Plakaten, im Internet, im Radio oder in Zeitschriften und Zeitungen begegnen. Doch dies ist lediglich die eine Seite der Medaille. Werden mit solchen Schlagwörtern gewisse Geschlechterstereotypen unterstrichen, die sich im allgemeinen Verständnis auf Charakter und Wesen der Geschlechter beziehen, so leistet Werbung zusätzlich noch etwas anderes. Sie vermittelt und inszeniert Rollen und die damit verbundenen sozialen Positionen, die Individuen zugeschrieben werden. Thema dieser Arbeit sind Geschlechterrollen, nicht Stereotype im Sinne von charakterlichen Zuschreibungen. Insgesamt jedoch ist schwer zu beurteilen, ob Werbung im Allgemeinen gängige Geschlechterrollen transportiert oder ihnen eher entgegen steuert. Dieser Aspekt soll, wenn auch nur am Rande, Thema dieser Arbeit sein. Irene Neverla hat darauf hingewiesen, dass Veränderungen hinsichtlich der Geschlechterrollen nicht unbemerkt von statten gehen. Im Gegenteil, sie werden aufgegriffen und thematisiert: 'Das berufliche Handeln der Medienschaffenden sowie die Angebote der Medien zeigen schlaglichtartig, wie dieser Wandlungsprozess der Geschlechterrollen kommunikativ verarbeitet wird' (Neverla 1994: 258 f.). Welche Geschlechterrollen wurden und werden vorzugsweise von Fernsehwerbung innerhalb der letzten 50 Jahre präsentiert? Gibt es gewisse Rollenstereotype, die sich unangefochten halten? Vor allem bezüglich weiblicher Rollen? Oder hat eine Art Anpassung an die vielfältigen Wandlungsprozesse von Geschlechterrollen, sowohl an die männlichen als auch die weiblichen, stattgefunden?

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Leseprobe

2. Zur soziologischen Relevanz der Thematik


 

Um im Folgenden die Relevanz dieser Arbeit für eine soziologische Fragestellung zu verdeutlichen, soll zunächst auf konkrete und grundlegende Erkenntnisse aus der Geschlechtersoziologie eingegangen werden. Hierzu zählen in erster Linie natürlich das Wissen um die gesellschaftliche Konstruiertheit der Kategorie „Geschlecht“ sowie die Überhöhung biologischer Unterschiede und deren Abwälzung auf unterschiedliche Geschlechtscharaktere, die u.a. in den differenzierten Geschlechterrollen ihren Ausdruck finden.

 

Im Zuge der wissenschaftlichen Diskurse um dieses Thema ist die körperliche Grundierung des Geschlechts fragwürdig geworden. Damit eröffnet sich der Geschlechtergeschichte ein neues, erweitertes Forschungsfeld, das in diesem Kapitel demnach ebenfalls Beachtung finden soll. Dieser Blick fordert die historische Perspektive geradezu ein, will man die Konstruiertheit des Geschlechts verstehen. Davon ausgegangen, dass die Geschlechterdifferenz diskursiv erzeugt wird, dass sie also nicht auf immer gegeben ist, sondern in verschiedenen Kontexten auf verschiedene Art mit verschiedenen Konsequenzen immer wieder neu hervorgebracht wird (Frevert 1995: 14), muss dieser Prozess auch hier in seinen Grundzügen dargelegt werden.

 

2.1 Die „Natur“ der zwei Geschlechter


 

Im folgenden Kapitel wird mit der Kategorie „Geschlecht“ ein Problemkomplex angesprochen, der sich für die Mehrheit der Menschen wahrscheinlich gar nicht erst als solcher zu erkennen gibt. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass das Geschlecht und seine Signifikanz für die einzelnen Subsysteme der Gesellschaft vor allem im Zuge der feministischen Kritik vielfache Diskussionen angeregt hat.[6]

 

Die gesellschaftliche Relevanz der Thematik ist in jahrelanger soziologischer Diskursarbeit Stück für Stück freigelegt worden und stellt sich heute eingebettet in ein Theorieensemble dar, das in seiner ganzen Komplexität in dieser Arbeit natürlich keine Wiedergabe finden kann. Nichtsdestoweniger sollte zunächst noch eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass das Geschlecht als etwas „natürliches“, etwas unumstößliches und statisches empfunden wird, stattfinden. Transsexualität z.B. wird auch heute noch als unnatürlich empfunden, ist es für die meisten Menschen doch eine unumstößliche Tatsache, dass sie aufgrund biologischer Kategorisierung bei der Geburt nur ein Geschlecht haben und dieses auch ihr Leben lang behalten werden. Doch was passiert, wenn eben diese Unumstößlichkeit, diese Selbstverständlichkeit in Frage gestellt wird? Erst dann enthüllt sich, und soziologische Diskurse haben zu dieser Entwicklung maßgeblich beigetragen, der nicht zu leugnende Einfluss, den eine Gesellschaft im Allgemeinen auf die Kategorie des Geschlechts ausübt.

 

Denn es ist kein bloßer Zufall, dass ganz generell zwischen biologischem und sozialem Geschlecht (sex versus gender)[7] unterschieden wird. Für diese Arbeit ist das soziale Geschlecht von Interesse. Dessen Implikationen bilden das Fundament der Arbeit. Ohne eine Erläuterung der Zusammenhänge zwischen biologischem und sozialem Geschlecht wäre eine angemessene Analyse der sozialen Konstruktion der Geschlechterrollen nicht möglich.

 

Um deren Entstehung und Tragweite adäquat erfassen zu können, soll im Folgenden zunächst die Frage der Merkmalhaftigkeit der Kategorie Geschlecht erläutert werden: Sollte Geschlecht als ein erworbenes oder zugeschriebenes Merkmal betrachtet werden? Wie konnte die Kategorie des Geschlechts überhaupt entstehen?[8]

 

Ute Frevert fasst in ihrem Buch „Mann und Weib, und Weib und Mann“ die gängigen Diskurse zum Thema Geschlechterentstehung und –differenz zusammen. Das Geschlecht wird, um es mit ihren Worten zu sagen, konstruiert, dekonstruiert und rekonstruiert. Während die einen auf der „Materialität der Kategorie“ (Frevert 1995: 13) beharren, folglich dem Umstand, dass das Geschlecht biologisch determiniert ist und aus diesem Grund auch alle damit verbundenen Implikationen gerechtfertigt werden können, lösen andere sie in „soziokulturelle Inszenierungen“ (Frevert 1995: 13) auf. Das wiederum bedeutet nichts anderes, als dass Geschlecht als etwas Wandelbares begriffen wird, dessen Implikationen und Konsequenzen abhängig vom jeweiligen soziokulturellen und geschichtlichen Hintergrund gestaltet werden können. Die Ausführungen von Erving Goffman rekurrieren im Wesentlichen auf diese Erkenntnisse. Eine dritte, ethnomethodologisch ausgerichtete Strömung nimmt eben jene Gestaltungsmöglichkeiten selbst ins Blickfeld, ihre Devise lautet doing gender und beharrt auf der Sichtweise, dass sich das Geschlecht tagtäglich durch das Handeln der Menschen rekonstruiert. Die Konstruktion ist sozusagen auf die Ebene der alltäglichen Praxis verschoben und vollzieht sich in „performativen Akten“ (Frevert 1995: 13) wie z.B. der Art und Weise, wie Männer und Frauen miteinander kommunizieren. Helga Kotthoff steht in dieser Tradition, ihre Sichtweise soll im Kapitel 3.1 kurz aufgegriffen werden.

 

So unterschiedlich die Ansätze teilweise auch sein mögen, so ist doch allen eines gemeinsam: das Geschlecht wird nicht als natürlich-ontologische[9] Kategorie angesehen, sondern als Konstruktion im weitesten Sinne. Gender (das soziale Geschlecht, seine soziokulturellen, politischen und ökonomischen Attribute) und sex (das biologische Substrat, das Körpergeschlecht) werden gleichermaßen konstruiert (Frevert 1995: 13 f.).

 

Angelika Wetterer und Regine Gildemeister weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen sex und gender letztendlich doch nichts anderes als ein „verlagerter Biologismus“ sei. Die Annahme, dass es unabhängig von Sozialisationseffekten und kulturellen Prägungen doch eine Natur der Geschlechter gibt, sei im Grunde genommen unangefochten geblieben (Gildemeister 1995: 206). Aufgrund dieser Tatsache kann folglich der Aspekt der Konstruktion des Geschlechts durch die wohl gut gemeinte Unterscheidung zwischen sex und gender auch nicht adäquat zum Ausdruck gebracht werden. Die Autorinnen gehen noch weiter. Sie meinen, dass Biologie und Physiologie die Rechtfertigung der beiden Geschlechtskategorien eher unterminieren als unterstützen. Laut neueren Forschungsergebnissen aus Biologie und Endokrinologie[10] werden weibliches und männliches Geschlecht nicht mehr als zwei disparate, einander ausschließende Kategorien verstanden, sondern als Kontinuum, das aus dem genetischen Geschlecht, dem Keimdrüsengeschlecht und dem Hormongeschlecht besteht (Gildemeister 1995: 209). Carol Hagemann-White fasst die logische Konsequenz so zusammen: „Es gibt keine zufriedenstellende humanbiologische Definition der Geschlechtszugehörigkeit, die die Postulate der Alltagstheorien einlösen würde“ (Hagemann-White 1988: 228, zit. n. Gildemeister 1995: 219).

 

Auch die Biologie ist demnach nicht als absolutes Faktum anzusehen, sondern ihrerseits selbst kulturell präformiert und konstruiert (Frevert 1995: 13 f). Nichtsdestoweniger ist der Prozess der biologischen Ableitung, historisch gesehen selbst ein Konstrukt, von solcher Tragweite, dass sich an den gängigen Vorstellungen darüber, was die beiden Geschlechter ausmacht, welche Rollen sie haben und haben sollen, kaum etwas geändert hat.

 

Eben jene Geschlechterrollen sollen nach einem kurzen Blick auf die Geschlechtergeschichte Thema dieses Kapitels sein. Für die Allgemeinheit mögen Vorstellungen darüber, welche Charaktere Frauen und Männer haben, welche Aufgaben und Rollen sie erfüllen, statisch sein. Für Soziologen im Speziellen oder Sozialwissenschaftler im Allgemeinen ist dies keineswegs der Fall. Geschlechterrollen sind einem andauernden Wandel unterzogen. Sie sind nicht statisch, sondern dynamisch, wenn auch nur zu einem gewissen Grade und ganz sicherlich nicht in einem Ausmaß, das wohl vor allem Frauen heutzutage als wünschenswert erachten. Dabei stellt sich in erster Linie die Frage, wie Geschlechterrollen legitimiert und aufrechterhalten werden. Was bedeutet die Art und Weise ihrer gesellschaftlichen Verankerung für ihre Wandelbarkeit? Schließlich haben Frauen und Männer zunehmend ganz andere Vorstellungen davon, welche Rollen sie „spielen“ wollen und welche nicht. Frauen möchten sich nicht mehr auf Ehe, Kinder und Haushalt reduzieren lassen und die dazu gehörigen Ehemänner werden zunehmend in die Pflicht genommen. Männer entdecken zudem andere, für sie bisher vielleicht eher uninteressante Sphären außerhalb der Arbeitswelt, z.B. Freizeit und Konsum, aber auch die Familie. Es ist demnach nicht zu leugnen, dass bestimmte Wandlungsprozesse stattfinden. Mit eben jenen Prozessen wird sich die Arbeit beschäftigen. Doch in welcher Hinsicht?

 

An dieser Stelle soll der für diese Arbeit zentrale Soziologe Erving Goffman eingeführt werden. Er spricht in seinem Buch „Interaktion und Geschlecht“ (2001) von einem zentralen Aspekt, der auch in dieser Arbeit wiederholt eine Rolle spielen wird, dem Aspekt der institutionellen...

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