Eine gesetzliche Regelung, welche ausdrücklich die Diskriminierung wegen des Alters verbot, gab es im deutschen Recht vor dem Inkrafttreten des AGG am 18.08.2006 nicht. Ein Geschädigter musste daher auf solche Vorschriften zurückgreifen, aus denen sich mittelbar ein Verbot der Altersdiskriminierung ableiten ließ.[12] Dies waren insbesondere Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) und des Grundgesetzes (GG), welche im Folgenden dargestellt werden. Zusätzlich folgt ein Beispiel aus der Rechtsprechung, welches für den Schutz vor Altersdiskriminierung prägend war.
§ 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG a.F. war vor Inkrafttreten des AGG die wichtigste Schutznorm gegen Altersdiskriminierung. Danach waren Arbeitgeber und Betriebsrat verpflichtet, Arbeitnehmer nicht wegen Überschreitung bestimmter Altersstufen zu benachteiligen. Nach Inkrafttreten des AGG wurde § 75 BetrVG a.F. geändert. Nun haben Arbeitgeber und Betriebsrat auch darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse, ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.[13]
Obwohl diese Änderung eine Verbesserung der Rechte der Betriebszugehörigen darstellt, bietet § 75 BetrVG keinen gänzlichen Schutz für Arbeitnehmer. Das liegt daran, dass es sich bei dieser Vorschrift um eine rein kollektivrechtliche Norm handelt, welche gegenüber den Betriebszugehörigen keine unmittelbare Rechtswirkung entfaltet, sondern vielmehr nur das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat regelt.[14]
Neben § 75 Abs. 1 BetrVG bieten noch weitere Vorschriften des BetrVG Schutz für ältere Arbeitnehmer. So bestimmt § 80 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, dass es zu den allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats zählt, die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb zu fördern. Zudem bestimmt § 96 Abs. 2 Satz 2, 1. Alt. BetrVG, dass der Betriebsrat die Belange älterer Arbeitnehmer bei der Berufsbildung zu berücksichtigen hat.[15]
Trotz dieser Schutzvorschriften bietet das Betriebsverfassungsgesetz jedoch nur einen begrenzten Schutz vor Altersdiskriminierung. Das liegt zum einen daran, dass eine Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen keinen Betriebsrat hat,[16] so dass dessen Vorschriften auf sie keine Anwendung finden. Zum anderen gilt dessen Verbot der Benachteiligung wegen des Alters nur während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses und hat darüber hinaus keine Wirkung.[17]
Art. 12 GG regelt, dass jeder Deutsche das Recht hat, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.[18] Auch Fragen der Benachteiligung wegen des Alters wurden bislang an ihm gemessen.[19]
Eine Verletzung von Art. 12 GG machte beispielsweise ein Kassenarzt geltend, welcher Verfassungsbeschwerde gegen die in § 95 Abs. 7 SGB V enthaltene Altersgrenze erhob, wonach eine Kassenzulassung mit Vollendung des 68. Lebensjahres erlischt. Der Beschwerdeführer trug zur Begründung vor, dass dies einen Eingriff in seine Berufswahlfreiheit bedeute, da ca. 90 % der Bevölkerung in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert seien und er von der privatärztlichen Behandlung allein nicht existieren könne. Dem widersprach das Bundesverfassungsgericht am 31.03.1998;[20] die angegriffene Regelung sei mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
In seinem Urteil stellte das Gericht zunächst fest, dass zwar grundsätzlich Altersgrenzen lediglich die Berufsausübung berührten, vorliegend die Beschränkung aufgrund der großen Anzahl der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten jedoch einer Berufswahlbeschränkung gleichkomme. Sodann stellten die Verfassungsrichter fest, dass die Altersgrenze eine subjektive Zulassungsbeschränkung sei. Eine solche sei zulässig, wenn sie als Voraussetzung zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Berufes oder zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes, das der Freiheit des Einzelnen vorgehe, erforderlich sei. Im Übrigen dürfe sie zu dem angestrebten Zweck nicht außer Verhältnis stehen und keine übermäßigen und unzumutbaren Belastungen enthalten.
Die Richter urteilten, dass die in § 95 Abs. 7 SGB V enthaltene Altersgrenze diesen Anforderungen gerecht werde, da sie einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut diene. Zum einen würde sie dafür sorgen, dass die Beschränkungen der Vertragsarztzahlen, die vom Gesetzgeber wegen der angestrebten Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung für erforderlich gehaltene Beschränkung der Vertragsarztzahlen nicht nur zu Lasten der jüngeren Ärzte verwirklicht wird. Zum anderen diene die Regelung dazu, Gefährdungen abzuwenden, die von älteren Vertragsärzten für die Gesundheit der gesetzlich Versicherten ausgehen können. Denn es entspreche der Lebenserfahrung, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter größer werde. Der Gesundheitsschutz stelle ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut dar, das selbst erhebliche Einschränkungen der Berufswahlfreiheit rechtfertigen könne.
Ein allgemeines staatliches Diskriminierungsverbot ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG. Aufgrund ihrer Ausstrahlungswirkung kommt diese Vorschrift auch im Arbeitsrecht zum Tragen. Arbeitsrechtliche Vorschriften sind daher unmittelbar an ihr zu messen.[21] Ein ausdrückliches Verbot der Altersdiskriminierung enthält Art. 3 GG hingegen nicht.[22]
Nach Art. 3 GG liegt eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen ihnen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen würden.[23] Konkret bezogen auf die Prüfung der Altersdiskriminierung bedeutet dies, dass alle Arbeitnehmer einer gemeinsamen Gruppe zugeordnet werden mit dem gemeinsamen Merkmal der abhängigen Beschäftigung. Eine Differenzierung zwischen alten und jungen Arbeitnehmern findet dabei nicht statt.[24] Da Art. 3 Abs. 1 GG dadurch einen weiten Regelungsbereich betrifft, ist er nicht geeignet, einen allumfassenden Schutz vor Altersdiskriminierung zu bieten.[25] Folglich stellt er für die Gesamtproblematik der Diskriminierung lediglich eine Ausgangsbasis dar, bietet aber keinen Ersatz für ein gesetzlich geregeltes Diskriminierungsverbot in Bezug auf das Alter.[26]
Die Mangold/ Holm - Entscheidung des EuGH vom 22. 11. 2005[27] ist für das Arbeitsrecht von immenser Bedeutung und hat in der juristischen Literatur sowie in der Presse für viel Diskussionsstoff gesorgt. Der Grund dafür ist, dass es bis dahin zulässig und üblich war, mit älteren Arbeitnehmern Arbeitsverträge abzuschließen, die eine Befristungsregelung i.S.d. § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG a.F. enthielten. Nach dieser Vorschrift durften Arbeitgeber Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet hatten, ohne sachlichen Grund befristen. Verlängerungen dieser Befristung waren zeitlich und zahlenmäßig unbeschränkt möglich, da das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG a.F. nur eingeschränkt Anwendung fand.[28] Dem setzte der EuGH mit seiner Entscheidung ein Ende. Denn er stellte fest, dass § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG a.F. mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht und insbesondere mit Art. 6 I der RL 2000/78/EG nicht vereinbar sei, da die in § 14 Abs. 3 Satz 5 TzBfG a.F. enthalte Regelung gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstoße.[29] Zusätzlich beschränkte sich der EuGH in seiner Entscheidung nicht darauf, einen Richtlinienverstoß festzustellen, sondern urteilte darüber hinaus, dass nationale Gerichte § 14 Abs. 3 TzBfG a.F. nicht mehr anwenden dürften. Als Folge dieser Entscheidung erklärte das BAG[30] nur fünf Monate später die Norm in der alten Fassung für unanwendbar. Die Mangold/ Holm Entscheidung wird im Folgenden dargestellt.
Auslöser für das Verfahren vor dem EuGH war eine Vorlage des Arbeitsgerichts München.[31] Dieses hatte über die Klage eines 56 Jahre alten Arbeitnehmers zu entscheiden, der im...