Dieses Kapitel gibt eine Einführung in die internationale strategische Standortwahl. Dabei werden die Entwicklungen des Welthandels-, sowie die Aufgaben und Ziele der internationalen Standortwahl beschrieben. Auch die Realisierung einer solchen Strategie wird erklärt.
Der Welthandel ist definiert als die Gesamtheit des Außenhandels aller Staaten weltweit. Alle Güter, bei deren Ausfuhr und Einfuhr die Staatsgrenzen passiert werden, sind statistischer Bestandteil des Welthandels.[7]
Die Entwicklung des Welthandels lässt sich heute unter den Begriff „Globalisierung“ zusammenfassen. Globalisierung wird als strategisch grenzüberschreitende Unternehmung (globale Unternehmung) bezeichnet, bei der Wettbewerbsvorteile weltweit mittels Ausnutzung von Standortvorteilen (internationale Standortpolitik) und Erreichung von Kostenersparnissen (Economies of Scale) erzielt werden sollen.[8]
Im 20. Jahrhundert hat sich der Welthandel vom Jahr 1950 bis zum Jahr 2000 rasant entwickelt. Wie in Abbildung 1 veranschaulicht, wurde im Jahr 2000 ein gehandelter Warenwert von 6.513 Mrd. USD statistisch ermittelt. Dies entspricht einer mehr als hundert Mal so hohen Summe, wie noch im Jahr 1950. Damals waren es mit einem Wert von 58,2 Mrd. USD.
Abbildung 1: Entwicklung des Welthandels von 1950 bis 2000
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Geprägt von einer zunehmenden Internationalisierung durch gemeinsame Marktabkommen ist der derzeitige Welthandel ökonomisch und politisch mehr vernetzt denn je. Das 1947 in Genf unterzeichnete GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) hatte das Ziel, den Welthandel nach dem Zweiten Weltkrieg neu zu ordnen und die bestehenden Handelsschranken durch die schrittweise Aufhebung von Zöllen und sonstigen Hemmnissen abzubauen. Entscheidend für die Liberalisierungsbemühungen waren vor allem die Kennedy-Runde (19641967) und die darauf folgende Tokio-Runde (1973-1979), sowie die UruguayRunde (1986-1994). Diese GATT-Verhandlungsrunden führten zu erheblichen Zollsenkungen und verhalfen dem Prinzip der marktwirtschaftlichen Liberalisierung und der Steigerung des Welthandels zum Durchbruch.[10]
Das GATT wurde im Jahr 1995 von der neu gegründeten WTO (World Trade Organisation) abgelöst. Das Abkommen, welches die Regeln für den internationalen Handel formuliert, blieb als ein wichtiges Vertragswerk der WTO bestehen und wird seitdem weiterentwickelt.[11] Weitere Freihandelszonen und gemeinsame Märkte wie z.B. NAFTA, MERCOSUR, AFTA etc. sollen die Märkte weiter liberalisieren und den bestehenden Welthandel fördern.
Um in der globalisierten Welt den optimalen Unternehmenserfolg zu erzielen, erschließen Unternehmen neue Märkte, wodurch Kostenvorteile realisiert werden. Gründe für eine grenzüberschreitende Investition ins Ausland sind die (günstige) Beschaffung von Zulieferteilen, von hochqualifiziertem Fachwissen und die Vermeidung unternehmerischer Risiken, wie etwa Wechselkursschwankungen. Diese sekundären Motive spielen bei grenzüberschreitenden Investitionsentscheidungen eine wichtige Rolle in Verbindung mit einem der Hauptmotive der Gewinnmaximierung. Bei einer Markterschließung im Ausland ohne betriebseigene Produktion vor Ort, ist es schwierig, mit den Produkten den Erfordernissen im Zielland gerecht zu werden. Der Grund dafür sind zum einen die transaktionalen Kosten, die die Produkte teurer machen. Zum anderen ist die Anpassungsfähigkeit der Kosten nicht flexibel genug. Ferner ist der Image- und Vertrauensgewinn beim Kunden durch die Fertigung „vor Ort“ ein weiteres wichtiges Argument. Ein anderer Anreiz ist der Wegfall staatlicher Regulierungen, denen Importprodukte ausgesetzt sind.[12] Das Potenzial einer Kostenersparnis beim Aufbau einer Produktion in Schwellenländern ist groß. Die Standortwahl wird gemessen an den Einflussfaktoren, die je nach Unternehmen unterschiedlich ist bewertet. Hauptmerkmal ist die Berechnung von Herstellungs- und transaktionalen Kosten für die gesamte produktive Wertschöpfungskette. Mit einer Globalisierung der Produktion von Produktionsnetzwerken, konnten viele Unternehmen Kostenvorteile erzielen und den Wettbewerbsdruck mindern. Großes Einsparpotenzial bieten vor allem niedrigere Faktor- und Materialkosten, insbesondere Lohn- und Energiekosten, sowie auch Einsparungen bei Investitionsaufwendungen durch Subventionen und Steuervergünstigungen.[13]
Zugang zu lokalen materiellen und immateriellen Ressourcen, sowie die Verringerung von Geschäftsrisiken gelten als sekundäre Motive. Diese beeinflussen in Verbindung mit den Hauptmotiven der Gewinnmaximierung, die Entscheidung für die strategische Standortwahl maßgeblich. Hinter den Begriffen „Ressourcen“ und „Geschäftsrisiken“ verbergen sich erfolgsrelevante Faktoren bei der Standortwahl. Das sind zum einen die Nähe zu Rohstofflieferanten, dem Branchenschwerpunkt oder Technologieführern, um die Absicherung der Unternehmen gegen Währungsschwankungen, Versorgungsengpässe- und Produktionsausfälle zu gewährleisten, aber auch staatliche Sonderkonditionen, wie Ansiedlungshilfe und Steuervergünstigungen.[14] Bei materiellen und immateriellen Ressourcen ist die Risikominimierung ein (weiteres) wichtiges Ziel der internationalen Standortwahl. Durch Diversifikation, d.h. durch die Streuung von Risiken können mögliche Gefahren (soziale Unruhen, Kriege) reduziert werden. Somit kann eine Produktion in verschiedenen Ländern, eine einzelnen Betriebsausfall ausgleichen. Nicht nur hinsichtlich dieser Gefahren ist eine Diversifikation vorteilhaft, sondern auch bei ganz alltäglichen Risiken wie Währungsschwankungen, die existenzbedrohende Auswirkungen haben können.[15]
Der Realisierung einer strategischen Standortwahl gehen verschiedene Phasen des Standortwahlprozesses voraus.[16] Im Standortwahlprozess versucht das Unternehmen, den Standort zu finden, der den unternehmensspezifischen Anforderungen entspricht.[17] Die folgende Abbildung 2 veranschaulicht den Ablauf der internationalen Standortwahl nach Autschbach (1997).
Abbildung 2: Phasen der internationalen Standortwahl
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Der Standortwahlprozess verläuft projektabhängig mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Eine Durchführung wie im dargestellten Muster ist nicht zwingend notwendig. Allerdings ist es erforderlich, dass alle Entscheidungsphasen des internationalen Standortauswahlverfahrens integriert werden.[19] Eingeleitet wird der Standortentscheidungsprozess durch die unternehmensintern oder -extern begründete Initiativphase. In der darauffolgenden Konzeptphase bestimmt das Unternehmen die strategische Funktion des potenziellen internationalen Standortes, sowie die geeignete Form der Direktinvestition.[20] Die anschließenden Bewertungsphasen, dienen der Beurteilung potenzieller Standorte. Wesentliche Merkmale der internationalen Standortwahl in allen diesen Phasen sind die Vielzahl der Standortalternativen und -faktoren. Sie erfordern eine Strukturierung der Bewertungsphasen, um einen effizienten Kosten-Nutzen-Faktor, insbesondere hinsichtlich des Zeit- und Kapitaleinsatzes, durch die angewandten Verfahren zu gewährleisten.[21] Die Strukturierung der Bewertungsverfahren wird in folgende drei Phasen unterteilt:
Länderauswahl
Grobauswahl
Feinauswahl
Die Analyseverfahren innerhalb dieser Phasen verlaufen nach demselben Muster:
Ermittlung der geeigneten Standortfaktoren
Beschaffung der erforderlichen Informationen
Bewertung der Faktoren
Selektion der geeigneten Standortalternativen
Ziel dieser drei Phasen (Länder-, Grob- und Feinauswahl) ist die Auswahl der geeignetsten Standortalternative unter der Nebenbedingung des projektabhängig begrenzten Zeit- und Kapitaleinsatzes. Die Entscheidungsphase ist die abschließende Phase der internationalen Standortwahl.[22]
Wie in der folgenden Abbildung 3 veranschaulicht, unterteilt sich der Standortwahlprozess von Volkswagen in fünf Stufen. Die Anfangsphase bildet die Initiativphase. Die Initiative entsteht in der Regel unternehmensextern, indem Unternehmens- und Regierungsvertreter eines potentiellen Gastlandes das Unternehmen kontaktieren, um Direktinvestitionen zu diskutieren. Daran schließt sich die Desk-Feasibility an. In dieser Phase eruiert ein Mitarbeiter des Bereiches Konzernplanung, ob ein Engagement in der betreffenden Region möglich ist. Durch den Einsatz leicht verständlicher Bewertungsverfahren, wie Checklisten oder Profilmethode, werden die Investitionsmöglichkeiten anhand weniger Kriterien überprüft. Stellt sich die Region oder das Land in der Desk-Feasibility- Phase als geeignet heraus, folgt die Pre-Feasibility. In dieser Phase beschäftigen sich zwei bis sechs Mitarbeiter, in Abhängigkeit von der Art der Direktinvestition, mit der...