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E-Book

Qualifizierung im Supply-Chain-Management

Vom Einkäufer zum Suppy-Chain-Manager

AutorNicole Gaiziunas
Verlagmi Wirtschaftsbuch
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl220 Seiten
ISBN9783864161452
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis44,99 EUR
Beschaffungsprozesse und Einkaufsabteilungen für eine starke Präsenz auf dem globalen Markt längst erkannt. Das einzigartige Best-Practice-Buch zur Qualifizierung im Supply-Chain-Management zeigt, wie international führende Unternehmen hochkarätige Network-Manager von morgen ausbilden.

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Leseprobe

1 Wie fit sind Ihre Leute?


»Es hat noch niemand etwas Ordentliches geleistet, der nicht etwas Außerordentliches leisten wollte.«

Marie von Ebner-Eschenbach



Fröhliche Weihnacht


Erinnern Sie sich noch an Weihnachten 2008? Von wegen »stillste Zeit des Jahres«. Das ist sie ohnehin nie, doch damals war es besonders schlimm.

Zum damaligen ersten Advent verkündeten GM, Chrysler und Ford die frohe Botschaft, dass sie praktisch pleite seien, einige deutsche Banken mussten Zuschüsse vom Steuerzahler in zweistelliger Milliardenhöhe in Anspruch nehmen, die Autobauer meldeten reihenweise Kurzarbeit an – und im Büro der Executive Education des Supply Chain Management Institute der European Business School stand das Telefon nicht mehr still. Dreihundertfünfzig Forscher, Trainer, Coachs, Wissenschaftler und wissenschaftliche Mitarbeiter fanden keine Zeit mehr, mit ihren Familien über Weihnachtsmärkte zu bummeln, geschweige denn Geschenke zu kaufen. Die Weltwirtschaftskrise war ausgebrochen.

Und deshalb wollten etliche Vorstände, Geschäftsführer und Personalchefs ganz rasch vor Weihnachten noch eine Menge Geld ausgeben. Einige vereinbarten sogar noch Trainings für den 23. Dezember. Einmal abgesehen von dem ausgefallenen Terminwunsch: Sollte man(ager) in einer Krise nicht eher sparen? Nicht in dieser Krise.

Das Gute an dieser Krise war und ist, dass Vorstände und Spitzenmanager in aller Deutlichkeit und Tragweite die Interdependenzen in ihren Netzwerken erkennen: In einer Zeit, in der die Wirtschaft in nie gekanntem Ausmaß vernetzt ist, in der der Absturz eines Schmetterlings in New York (zum Beispiel Lehman Brothers) einen Orkan in Europa auslöst, hängt das Überleben eines Unternehmens davon ab, wie professionell es diese Interdependenzen und Komplexitäten in seinen Netzwerken steuern kann. Das erfassten etliche Vorstände im Blitzlicht der Krise schlagartig. Deshalb orderten sie in den stillen Tagen vor Weihnachten in nie gekanntem Ausmaß Trainingsprogramme, die nur einem Ziel dienten: ihre Mannschaft fit zu machen fürs Network-Management. Warum erst jetzt?

Der herrschende Modus Operandi im Management-Training ist ursächlich für die Skill-Lücke.


Was wir morgen brauchen


Jährlich geben Unternehmen weltweit Milliarden für Weiterbildung, Management-Development, Personal- und Organisationsentwicklung (PE und OE) aus. Da müsste doch was rüberkommen! Ganz offensichtlich nicht. Wenigstens nichts, was die aktuelle Krise hätte verhindern können – und die nächste! Gewiss: Nach dem CNC-Drehkurs kann der CNC-Dreher besser CNC-drehen. Doch nach dem letzten Modul General-Management-Training kann der Spartenleiter »Consumer-Products« beim hessischen Mischkonzern beunruhigenderweise immer noch nicht seine globale strategische Ausrichtung so korrigieren, dass die kritischen Ereignisse in seinem Netzwerk auf ein erträgliches Maß sinken. Wie kann das sein?

Wie können wir mit exorbitanten Qualifizierungsanstrengungen eine ebenso exorbitante Qualifizierungslücke produzieren? Indem wir eine Tram zu spät einsteigen. Manager wie der hessische Spartenleiter bemerken im Angesicht der grassierenden Krise, dass sie dringend ihre Netzwerke besser steuern sollten. Also buchen sie Trainings, um diese Skill-Lücke zu schließen. Sie buchen jetzt Trainings. Bis diese Trainings konzipiert, gehalten und der Lerntransfer vollzogen ist, ist die Krise vorbei – diese Krise. Dann haben wir schon die nächste Krise, die wieder ein eklatantes Skill-Defizit aufwirft, dem man(ager) wieder hinterherrennt und das man wieder nicht einholt, weil man wieder eine Tram zu spät dran ist.

Daraus eine Handlungsanleitung zu formulieren, ist nicht schwer: Trainieren Sie heute nicht, was Sie gestern brauchten. Trainieren Sie heute, was Sie morgen brauchen werden.

Was wird das sein? Wer weiß das schon? Kein Mensch kann in die Zukunft blicken! Das heißt: Kein einzelner Mensch kann zuverlässig in die Zukunft blicken. Es fehlen ihm in der Regel sowohl die passende prognostische Kompetenz als auch die statistischen Verfahren dazu. Beide Mängel beheben wissenschaftliche Studien, zum Beispiel jene von McKinsey oder die QUEST-Studie. Beide Studien tauchen in die Untiefen der Bildungslücke. Beide stellen zwei Kernfragen: Was wird heute trainiert? Und was muss stattdessen trainiert werden?

Abbildung 1: Qualifizierung als Schlüssel zur Bewältigung zukünftiger Einkaufsherausforderungen


Der Schwarze Schwan der Zukunft


Die erwähnten Studien befragten jene, die es angeht: Vorstände, Personalvorstände, Chief-Procurement-Officers (CPO) und HR-Experten. Was dabei herauskam, ist ein Katalog an Zukunftsthemen und -kompetenzen, die heute trainiert werden sollten, weil sie morgen gebraucht werden, zum Beispiel:

  • Wertorientierte Unternehmensführung: Welche qualitativen (Ethik und Moral) und quantitativen (ROI, ROCE et cetera) Werte sichern langfristig und nachhaltig Existenz und Erfolg unseres Unternehmen? Wie können wir diese Werte bestmöglich stärken und ausbauen?
  • Optimierung der crossfunktionalen Effizienz: Die einzelnen Funktionen sind größtenteils optimiert – die teuren und schädlichen Ineffizienzen entstehen heutzutage an den Schnittstellen.
  • Verbesserung oder erst einmal professionelle Implementierung der Steuerung von globalen Supply-Networks.

Was den letzten Punkt anbelangt: Wenn ich in einem Unternehmen zehn Bereichs- und Abteilungsleiter fragen, worin die Supply-Chain ihres Unternehmens besteht, erhalte ich zwölf unterschiedliche Definitionen. Früher hieß es: You can’t manage what you can’t measure. Heute fragt sich so mancher Vorstand: Wie können wir managen, worüber wir offensichtlich noch nicht einmal reden können? Interessanter noch wäre die Frage: Welche konkreten Fähigkeiten sind nötig, um Netzwerke professionell zu managen? Die erwähnten beiden Studien geben genau darüber zuverlässig Auskunft. Sie sagen, was Unternehmen heute brauchen, um morgen fit zu sein. Die erste dieser Fähigkeiten liegt eigentlich auf der Hand:

  • Zukunftskompetenz: Die möglichst zuverlässige Antizipation zukünftiger Entwicklungen. Dass uns Krisen so hart treffen, liegt nicht unbedingt in der Härte der Krisen begründet. Es liegt vor allem daran, dass uns die besonders harten Krisen mit unschöner Regelmäßigkeit auf dem falschen Fuß erwischen. Aber haben wir uns dank unserer Flexibilität nicht bislang noch an jede krisenhafte Marktentwicklung erfolgreich angepasst? Ist das nicht ein Evolutionsprinzip? Erst verändern sich Märkte und Umwelt, dann passen wir uns an die Veränderungen an. Das Problem ist nur:

Das Prinzip der Anpassung ist erledigt.

Hat Lehman Brothers die Anpassung etwas gebracht? Nein. Lehman und viele andere Banken und Unternehmen weltweit wurden geradezu Opfer dieser Strategie. Umwelt und Märkte verändern sich schon lange nicht mehr linear, sie geben sich nicht mehr mit gelegentlichen Struktursprüngen zufrieden, sie weisen etwas auf, das der US-Forscher und Bestsellerautor Nicholas Taleb (Fooled by Randomness) »Schwarze Schwäne« nennt: absolut »unvorhersehbare« Entwicklungen. Wer angesichts des Unvorhersehbaren immer noch auf Anpassung setzt, verfolgt die falsche Strategie. Anpassung ist gut, Antizipation ist besser. Das ist die Fähigkeit jedes guten Stürmers: Jetzt schon dort zu sein, wo erst in zwei Sekunden der Ball sein wird. Das ist eine Fähigkeit. Sie lässt sich trainieren. Vorausgesetzt, man bringt eine zweite mit:

  • Die Fähigkeit, in Supply-Chains zu denken. Gewiss: Wir haben unsere Supply-Chains und wir handeln in ihnen. Doch wir denken nicht in Versorgungsketten. Wenn beispielsweise eine Chipfabrik in Asien vom Tsunami getroffen wird, dann ahnt der Einkäufer von Elektronikbauteilen, was das für ihn bedeuten könnte: Lieferengpässe, Lieferverzögerungen, Produktionsausfälle. Das ist schön. Das würde ich aber noch nicht als Denken bezeichnen. Der Supply-Chain-Manager dagegen rezitiert aus dem Stegreif die fünf unmittelbaren und mittelbaren Konsequenzen des (drohenden) Lieferantenausfalls, in Euro bewertet, inklusive Second...
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