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KVP-Vorbereitung: Von der Vision zum Ziel
Der Überlegung, mit einem eigenständigen KVP-Prozess Verbesserungen zu erzielen, muss die sorgsame Vorbereitung und Planung dieses Prozesses vorausgehen. Im Gegensatz zum laufenden KVP-Prozess, der auf unbestimmte Zeit angelegt ist, ist die Einführung von KVP ein Projekt mit Start- und Endtermin und kann mit den Werkzeugen des traditionellen Projektmanagements abgebildet werden. Im Wesentlichen müssen dazu Entscheidungen und Vereinbarungen über die Zielsetzung, das Vorgehen, die Rollen und Aufgaben der Beteiligten sowie die benötigten Ressourcen getroffen werden. Hierzu ist es zunächst nötig, dass die Unternehmensleitung begründen kann, warum ein KVP-Prozess zu diesem Zeitpunkt im Unternehmen notwendigerweise eingeführt werden sollte, welche Erwartungen und Zielsetzungen mit der Einführung eines solchen Prozesses verbunden sind und wie die Einführung eines solchen Prozesses strategisch geplant ist.
2.1 Zielsetzung
Der Ausgangspunkt, der die grundsätzliche Überlegung zur Einführung von KVP in einem Unternehmen anstößt, ist meistens ein konkretes Problem – eine Kundenreklamation oder ein Qualitätsfehler, zu hohe Bestands- und Lagerkosten, oder, wenn es gut läuft, ein starker Anstieg des Auftragsvolumens. Der erste Schritt der strategischen Führung besteht darin, ein Bild zu entwickeln, das den zukünftigen Zustand beschreibt. Es geht also darum, eine Vision zu entwickeln und dann daraus Ziele abzuleiten. Um einem Veränderungsprozess eine Richtung zu geben, ist eine Vorstellung darüber erforderlich, was man mit dem Veränderungsprozess erreichen will. Hierbei unterscheidet man zwischen der Vision und dem Ziel. Die Vision ist eine übergeordnete Vorstellung, deren wichtigste Eigenschaft darin besteht, hinreichend attraktiv und faszinierend zu sein, um andere Menschen dafür zu begeistern. Visionen sind oftmals Ideen oder Idealvorstellungen, die ihrer Zeit voraus zu sein scheinen und gelegentlich wenig Bezug zur aktuell wahrgenommenen Realität haben – zum Beispiel »Wir bauen eine energieautonome Fabrik«. Durch die Vision wird ein attraktives Bild vom angestrebten Zustand mit allen seinen Vorteilen gezeichnet. Weckt dieses Bild bei den beteiligten Mitarbeitern Interesse, so kann man aus der Vision Ziele ableiten, um sie Wirklichkeit werden zu lassen. Die Aufgabe einer Vision besteht somit nicht darin, sie detailliert umzusetzen, sondern die Menschen generell für eine Mitarbeit zu begeistern. Der Erfolg in der Umsetzung und somit das Ergebnis eines Veränderungsprozesses hängen maßgeblich von der Formulierung der Ziele ab. Werden die Ziele für eine Veränderung im Vorfeld nicht genau festgelegt, kann das Ergebnis nicht beurteilt und über den Erfolg oder Misserfolg nicht entschieden werden. Ebenso ist eine Veränderung nicht zu bewerten, wenn die Ausgangssituation, der Ist-Zustand, vor einer Veränderungsmaßnahme nicht in Daten und Fakten festgehalten wird.
Der entscheidende Schritt zu einer erfolgreichen Umsetzung besteht in der richtigen Formulierung der Ziele. So trivial dies klingen mag – es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen erfolgreichen und erfolglosen Projekten: Bei erfolgreichen Projekten werden die Ziele nicht etwa aus dem Grund erreicht, weil die beteiligten Menschen besser, klüger oder stärker sind, sondern weil sie in der Lage sind, ihre Ziele so zu stecken, dass sie erreicht werden können, und sich durch den Erfolg die Motivation holen, sich weitere Ziele zu stecken, die sie erreichen können.
Es gibt keine Garantie zur Zielerreichung, aber die folgenden Faktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass man ein Ziel tatsächlich erreicht. Ein Ziel sollte folgende Eigenschaften besitzen:
- – Konkret und präzise (wer, was, wo und wie): Statt »Wir wollen uns verbessern« sollte es heißen: »Wir wollen durch die Einführung von KVP in der Fertigung in den nächsten zwei Jahren unsere Umlaufbestände um 30 Prozent reduzieren.«
- – Positiv formuliert: Die meisten Leute wissen genau, was sie nicht wollen – aber was wollen sie stattdessen? Es ist nötig, die Ziele in Form »der Anwesenheit von etwas« zu formulieren, das heißt, es sollte ein möglichst umfassendes Bild von einem Ziel entstehen, indem konkrete Anzeichen und Kriterien zur Zielerreichung benannt werden. Statt »Wir wollen nicht mehr so viel Ausschussteile« sollte es heißen: »Wir wollen unsere Qualitätsquote in diesem Quartal um 10 Prozent steigern.«
- – Realistisch erreichbar: Das Ziel ist so zu formulieren, dass man es innerhalb des gesteckten Rahmens auch erreichen kann. Es wäre in diesem Zusammenhang auch sinnvoll, zu überlegen, ob etwas dagegenspricht, das Ziel zu erreichen. Statt »Wir wollen die Besten sein« sollte es heißen: »Wir wollen bis Jahresende unseren Umsatz um 5 Prozent steigern.«
- – Terminiert: Ein Ziel muss einen definierten Endpunkt haben, damit die Zielerreichung überprüft werden kann. Statt »Wir wollen unsere Losgröße verkleinern« sollte es heißen: »Wir wollen unsere Losgröße bis zum Ende dieses Jahres von 100 auf 20 Stück senken.«
- – Selbst initiierbar: Können wir das Ziel aus eigener Kraft erreichen, oder sind wir von anderen abhängig? Achten Sie darauf, dass die Ziele in Ihrem Einflussbereich liegen. Statt »Die angrenzende Abteilung muss ihre Prozesse in der Zusammenarbeit besser auf uns abstimmen« wäre es sinnvoller zu fragen: »Was können wir beitragen, um die Zusammenarbeit besser zu gestalten?«
- – Ökologisch verträglich: Was geschieht, wenn das Ziel erreicht ist? Was hat sich dadurch geändert? Gibt es möglicherweise negative Auswirkungen in anderen Bereichen? Betrachten Sie das Ziel aus verschiedenen Perspektiven, um mögliche negative Auswirkungen zu erkennen. Ein Beispiel: Ein junger Familienvater möchte, dass es seiner Familie gut geht, und daher arbeitet er ehrgeizig an seinem beruflichen Aufstieg. In der Folge stimmt zwar der finanzielle Rahmen, aber er ist beruflich so stark eingebunden dass er seine Familie kaum noch sieht – eine Entwicklung, die dem ursprünglichen Ziel, dass es der Familie gut geht, zuwiderläuft. Auf KVP übertragen, gibt es hier einen »Klassiker«: Ein Unternehmen will die Mitarbeiter durch KVP besser einbinden und die Motivation stärken, hat als Entlohnungsbasis aber den Akkordlohn. Die Folge ist, dass jede Veränderung und jede Aktivität, die nicht der Stückzahlerreichung dient, von den Mitarbeiten abgelehnt wird. Grundsätzlich sollte man sich im Rahmen der Ökologie eines Ziels drei Fragen stellen: Was passiert, wenn ich das Ziel erreiche? Was passiert, wenn ich das Ziel nicht erreiche? Und was passiert auf dem Weg zur Zielerreichung? Es hat sich als ausgesprochen hilfreich erwiesen, hier bestimmte Szenarien zu skizzieren, um später nicht kurzfristig auf Krisensituationen reagieren zu müssen.
- – Messbar, in Teilziele einteilbar: Ist es möglich, das Ziel in Teilziele aufzuteilen, um durch das Erreichen einzelner Teilziele die Motivation beizubehalten? Wie kann ich meine Zielerreichung überprüfen? Woran merke ich, dass ich mein Ziel erreicht habe? Statt mit einem Prozess »den großen Wurf« zu probieren, ist es ratsamer, in kleinen Schritten vorzugehen und regelmäßige Feedbackschleifen zur Zielüberprüfung einzubauen. So kann ein Abweichen vom Ziel schnell erkannt und korrigiert werden; zudem können die Erfolge klarer herausgestellt werden. Gerade in schwierigen Situationen ist es von Vorteil, in kleinen Schritten vorzugehen, damit nicht der ganze Prozess, sondern nur ein Teilziel infrage gestellt wird.
Die folgende Checkliste zur Formulierung von Zielen kann Ihnen helfen, die Ziele Ihres KVP-Prozesses zu konkretisieren.
Es ist hilfreich, wenn Sie diese Fragen schlüssig und nachvollziehbar beantworten können, um mit den nachfolgenden Hierarchiestufen über die konkrete Ausprägung der mit KVP verbundenen Unternehmensziele ins Gespräch zu kommen. Unserer Erfahrung nach hat sich die schriftliche Beantwortung dieser Fragen als vorteilhaft erwiesen, da häufig erst die konkrete Formulierung von Antworten Widersprüche oder Oberflächlichkeiten zutage treten lässt.
Checkliste: Ziele
- Welches ist genau das Ziel, das Sie mit der...