2. Das EU-Beihilfenrecht
Für die Realisierung des Binnenmarktes mit fairen Wettbewerbsbedingungen ist eine weitgehende Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen der EU-Mitgliedstaaten notwendig. Gleichzeitig sind mit dem Ziel der wirtschaftlichen und politischen Einheit gemeinsame Politiken der EU verbunden.
Für die wirtschaftliche Integration ist dieWettbewerbspolitik ein wichtiges Instrument. Um den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen zu schützen, sind in der EU Regelungen wirksam, die folgende Bereiche umfassen:
- das Verbot staatlicher Beihilfen (Bestimmungen des EU-Beihilfenrechts)
- das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und Verhaltensweisen (Bestimmungen des Kartellrechts)
- das Verbot des Missbrauchs einer den Markt beherrschenden Stellung
Während das Kartellrecht verhindern soll, dass Unternehmen durch Markt- oder Preisabsprachen den Integrationsprozess unterlaufen, regelt das EU-Beihilfenrecht einseitige staatliche Eingriffe in den Wettbewerb durch Förderungen, die den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen.
Diese wettbewerbspolitischen Maßnahmen zielen insbesondere darauf ab, im Wege der Beihilfenlimitierung und -kontrolle den Subventionswettlauf der Mitgliedstaaten im Gemeinsamen Markt zu verhindern. Seit EU-Beitritt sind zudem die aktiven struktur- und regionalpolitischen Schwerpunkte der EU wirksam.
Die wichtigsten Instrumente zur Erreichung der Ziele der EU-Regional- und Strukturpolitik (Kohäsionspolitik) sind die in Kapitel 5 und Kapitel 6 dargestellten Strukturfonds und der Kohäsionsfonds. Aber auch die Förderpolitik der Kommission selbst muss in Einklang mit der gemeinschaftlichen Beihilfendisziplin, verankert im EU-Beihilfenrecht, stehen.
2.1. Allgemeine Rahmenbedingungen für Förderungen
Bereits mit dem Beitritt Österreichs zum EWR per 1. Jänner 1994 war Österreich verpflichtet, die Unternehmensförderungen den EWR-Bestimmungen anzupassen. Seit dem EUBeitritt Österreichs per 1. Jänner 1995 sind Artikel 87 und Artikel 88 EG-Vertrag maßgeblich.
Artikel 87 EG-Vertrag sieht vor allem unter dem Aspekt der Wettbewerbsverfälschung ein grundsätzliches Verbot von staatlichen Beihilfen an Unternehmen vor.
„Soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen“ (Artikel 87 (1) EG-Vertrag).
Eine Beihilfe liegt somit vor, wenn vier Bedingungen erfüllt sind:
- die Zuwendung erfolgt durch die öffentliche Hand oder aus öffentlichen Mitteln
- sie verschafft dem Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil
- es werden dadurch bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigt
- die Wettbewerbs- und Handelsbedingungen werden zumindest potenziell verfälscht bzw. beeinträchtigt
Der Begriff der staatlichen Beihilfe ist dabei sehr weit gefasst. Gemeint sind alle Arten unmittelbarer oder mittelbarer wirtschaftlicher Förderungen an Unternehmen. Darunter fallen beispielsweise:
- nicht rückzahlbare Zuschüsse
- Zinsenzuschüsse
- zinsgünstige Kredite
- Übernahme von Bürgschaften oder Haftungen ohne marktmäßige Entgelte
- vollständige oder partielle Befreiung von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen
- Lieferung von Gütern bzw. Erbringung von Dienstleistungen zu Vorzugsbedingungen
- begünstigter Verkauf von Betriebsliegenschaften durch die öffentliche Hand
- Verlustübernahmen oder Beteiligungen der öffentlichen Hand zu nicht marktmäßigen Konditionen
Charakteristisch für jede Beihilfe ist, dass diese dem Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil bringt, den es im Rahmen seiner üblichen Geschäftstätigkeit ohne die staatliche Maßnahme nicht hätte. Dieser Vorteil für das begünstigte Unternehmen muss aus staatlichen Mitteln kommen, um den Beihilfenregelungen zu unterliegen, jedoch nicht unbedingt von staatlichen Stellen selbst vergeben werden. Bei der Feststellung der Begünstigung zählt nicht die Absicht, sondern ausschließlich die Wirkung der Maßnahme.
Bei Unternehmen im öffentlichen Eigentum erfolgt die Beurteilung möglicher Fördereffekte im Rahmen eines so genannten Drittvergleiches. Demzufolge enthalten Kapitalzuführungen (z.B. Kredite oder Bürgschaften) an Unternehmen keine Beihilfenelemente, wenn ein marktwirtschaftlich handelnder privater Kapitalgeber unter den gleichen Umständen die entsprechenden Mittel ebenfalls bereitgestellt hätte.
Beihilfen dürfen erst dann vergeben werden, wenn sie von der Kommission genehmigt sind (Präventivkontrolle). Dazu müssen sie vorab bei der Kommission angemeldet (Notifikationspflicht) und von dieser im Rahmen eines formellen Verfahrens geprüft werden. Innerhalb der Kommission ist für das Verfahren die Generaldirektion Wettbewerb zuständig. Die Kommission ist nach Artikel 87 Abs. 3 EG-Vertrag ermächtigt, bestimmte Beihilfen zu genehmigen, wenn dies den Zielen und Interessen der Gemeinschaft nicht zuwiderläuft. Dabei verfügt sie über einen sehr großen Ermessensspielraum.
Das Genehmigungsverfahren läuft in zwei Stufen ab. Innerhalb von zwei Monaten nach Einlangen aller zur Beurteilung notwendigen Unterlagen unterzieht die Kommission die Beihilfe einer Vorprüfung. Gelangt sie zum Ergebnis, dass keine Bedenken gegen die Beihilfe bestehen, genehmigt sie diese. Bleiben Bedenken bestehen, eröffnet sie das förmliche Prüfverfahren, in dem sie eine Detailprüfung der Beihilfe und ihrer Auswirkungen vornimmt. In diesem Verfahrensabschnitt können auch dritte Beteiligte, etwa Mitbewerber, Stellungnahmen abgeben. Nach Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens kann die Kommission die Beihilfe entweder genehmigen, unter bestimmten Bedingungen genehmigen oder aber nicht genehmigen. Die Entscheidungen der Kommission können beim Europäischen Gerichtshof angefochten werden.
Zur Vereinfachung des Genehmigungsprozederes kann die Kommission in so genannten Gruppenfreistellungsverordnungen für bestimmte Arten von Beihilfen katalogartig allgemeine Kriterien festlegen, nach denen eine Beihilfe auch ohne Anmeldung zulässig ist. Von dieser Ermächtigung hat die Kommission Gebrauch gemacht und Gruppenfreistellungsverordnungen für KMU-Investitionsbeihilfen, für Beschäftigungs- und Ausbildungsbeihilfen sowie für Regionalbeihilfen erlassen. Seit September 2008 sind diese Gruppenfreistellungsverordnungen in einer allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung, AGVO, (Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag [allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung], ABl. 2008 Nr. L 214/3) zusammengefasst, deren Anwendungsbereich noch um Umweltschutzbeihilfen, Risikokapitalbeihilfen, Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen sowie Neugründungsbeihilfen erweitert wurde. Die AGVO bezieht sich auf folgende Beihilfengruppen:
- Regionalbeihilfen
- Investitions- und Beschäftigungsbeihilfen für KMUs
- Beihilfen für Frauen als Unternehmerinnen
- Umweltschutzbeihilfen
- KMU-Beihilfen für die Inanspruchnahme von Beratungsdiensten und für die Teilnahme an Messen
- Risikokapitalbeihilfen
- Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation
- Ausbildungsbeihilfen
- Beihilfen für benachteiligte und behinderte Arbeitnehmer
Werden die in der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung aufgestellten Kriterien (wie z.B. Förderhöchstbeträge, Verwendungszweck, Behaltefristen für Anlagegüter) erfüllt, muss der Mitgliedstaat keine Genehmigung der Kommission einholen. Der Mitgliedstaat hat der Kommission allerdings binnen 20 Arbeitstagen nach Erlass der Beihilfenregelung eine Kurzbeschreibung der Maßnahme zu übermitteln. Die Kommission kann vom Mitgliedstaat schriftlich alle Informationen anfordern, die aus ihrer Sicht notwendig sind, um die Erfüllung der Freistellungsvoraussetzungen zu beurteilen. Gegenüber dem formellen Notifizierungsverfahren soll dieses Verfahren den Verwaltungsaufwand sowohl in den Mitgliedstaaten bzw. deren Förderstellen als auch in der Kommission verringern.
Erfüllt eine Beihilfe nicht alle Kriterien der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung, bedeutet dies nicht, dass die Beihilfe nicht vergeben werden kann. Es muss für sie aber eine Einzelgenehmigung beantragt werden.
Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer staatlichen Beihilfe:
- Sie wird im Rahmen einer vom Mitgliedstaat „notifizierten“ und von der Kommission genehmigten allgemeinen Förderaktion...