2. Haltung in der
schamanischen Begleitung
Menschen, die mit anderen Menschen arbeiten, haben meist eine gute Ausbildung, bestehend aus Theorie und Methoden, mit Zugängen, die hilfreich für die Unterstützung anderer sind. Immer wieder brauchen allerdings auch die Begleiterinnen Begleitung für sich selbst. Wer mit anderen Menschen arbeitet, benötigt viel Energie und Unterstützung, um nicht vorzeitig auszubrennen. Wer Menschen begleitet, braucht Kraftquellen und bewusstes Rückgrat, um für andere da sein zu können. Wer mit seinen Klienten an Sinnfragen arbeitet, braucht selbst einen Auftrag und einen Sinn für das eigene Leben.
Schamanische Begleitung ist daher – neben den schamanischen Denkweisen, den systemisch-konstruktivistischen Grundlagen und den daraus entwickelten Methoden – vor allem eine Haltung. Mit Haltung ist hier die grundlegende Einstellung gemeint, der Zugang, mit dem wir mit Menschen arbeiten. Unser persönliches und professionelles Weltbild. Haltung geht weit über die Methoden und die Ideen hinaus, die wir anwenden. Haltung ist das, was wir sind. Woraus wir unsere Motivation und Kraft beziehen. Woran wir uns orientieren. Unsere Haltung ist die Basis, unsere innere Ausrichtung und eine Quelle unserer Energie.
Gleichzeitig spiegelt sich die Haltung nach außen. Wer mit Menschen arbeitet, vermittelt immer auch die eigene innere Haltung. Was wir denken, was wir glauben und wer wir sind, wird sich nicht nur in unseren bewussten Handlungen und Aussagen widerspiegeln. Wir geben unsere Haltung unvermeidlich auch unbewusst weiter. Was wir im Innersten glauben, wird sich immer in unserem Äußeren zeigen. Wahrnehmbar für all jene, mit denen wir zu tun haben.
Haltung entwickeln
Es ist unsere innere Haltung, über die wir am meisten kommunizieren. Was wir sind, was wir erlebt haben und was wir glauben, vermitteln wir permanent in unserer Arbeit.
„Wir können nicht nicht kommunizieren“ hat der österreichische Therapeut Paul Watzlawick postuliert. Wir können auch nicht nicht mitteilen, was wir im Innersten glauben. Menschen kommunizieren zu einem großen Teil über Körpersprache und Stimme. Diese Ausdrucksweise unseres innersten Seins können wir nicht immer bewusst kontrollieren. Wir werden daher immer ausdrücken, was wir wirklich sind. Was wir wirklich denken. Unsere innerste Haltung wird immer durchscheinen.
Wenn wir Menschen begleiten wollen, haben wir daher eine große Aufgabe. Die Aufgabe, uns selbst immer wieder weiterzuentwickeln. Uns immer wieder bewusst zu machen, wer wir sind. Wir haben den Auftrag, eine Lebenseinstellung für uns selbst zu finden, die wir gerne an andere weitergeben möchten. Eine Lebenseinstellung, die uns selbst immer wieder weiterentwickeln lässt. Das ist eine Aufgabe, die uns ein Leben lang begleiten wird. Eine Aufgabe, die wir auch niemals vollständig lösen können. Denn das Leben selbst ist diese Aufgabe.
Wir sind Begleiter, weil es uns ein Anliegen ist, anderen Menschen in deren Leben zu helfen und zu unterstützen. Wir wählen die Aufgabe als Begleiterin in unserem beruflichen oder privaten Leben, weil wir etwas weitergeben möchten. Wir fühlen uns berufen, andere zu begleiten, weil wir etwas haben, was wir vermitteln können.
Wir können uns allerdings nicht hinter einer Methode verstecken. Ganz egal aus welcher Richtung wir kommen – ob NLP, systemischem Coaching, Schamanismus, Medizin, Bildung oder Psychotherapie: Was wir als Mensch sind, wird immer dabei sein. Was wir denken, was wir glauben und was wir fühlen, wird immer den größten Beitrag liefern. Wir sind heilsam, wenn wir mit uns selbst in Harmonie sind. Wir sind hilfreich, wenn wir uns selbst kennen.
Wir können Entwicklungen unterstützen, wenn wir uns selbst entwickeln. Es geht nicht darum, dass wir nur in einer bestimmten Lebensanschauung heilsam und hilfreich sein können. Jede Denkweise und Philosophie kann für sich stimmig und harmonisch sein. Es geht vielmehr darum, dass wir uns darüber bewusst sind, in welcher Denkweise wir agieren. Wie wir unser Leben gestalten. Was wir weitergeben.
Was wir sind, welche Art zu denken und welche Lebensanschauungen wir haben, ist das Ergebnis eines persönlichen und individuellen Prozesses. Menschen sind verschieden und das macht das menschliche Zusammenleben auch spannend. Menschen können sich so ihre jeweiligen Begleiter aussuchen, die zu ihnen passen: sowohl im Bezug auf den methodischen Zugang wie auch auf die menschliche Haltung.
Für Begleiterinnen von Menschen ist es daher wichtig, die eigene innere Grundeinstellung zu kennen, zu entwickeln und durchaus offenzulegen. Wir sind als Begleiter mehr als Anbieter von Methode. Wir sind Menschen, die mit Menschen arbeiten. Wir vermitteln immer auch unser Weltbild, unsere Ansichten von Heilung und unsere Zugänge zur Spiritualität. Es geht nicht nur darum, was wir tun, sondern wie wir es tun. Wie wir jene Methoden und Techniken anwenden, die wir erlernt haben. Wie wir unser Weltbild an jene Menschen, mit denen wir arbeiten, vermitteln.
In diesem Zusammenhang verschwimmen die Unterschiede zwischen Coaching, Beratung, Lehre, Erziehung und Training. Da es aus meiner Sicht nicht so sehr auf die Methode ankommt, sondern auf die Denkweise, die dahintersteht, vermitteln wir immer Wissen und Einstellung zugleich.
Eine innere Haltung, Meinungen, Lebensphilosophien und spirituelle Glaubensrichtungen sind nicht etwas, was wir einmal bilden und dann für immer haben. Es ist ein laufender Prozess der Erfahrungen, des neuen und alten Wissens, das wir integrieren. Wir sind auch als Begleiterinnen in ständiger Wandlung.
Es hätte wenig Sinn, wenn wir uns ein Ziel setzen, an dem wir perfekt und vollkommen geklärt sind. Das Leben hat Herausforderungen für alle Menschen bereit, egal ob sie als Begleiterinnen arbeiten oder sich begleiten lassen. Es ist mehr das Einlassen auf den Prozess der Wandlung. Auf die Herausforderung, die eigene innere Haltung immer wieder zu überprüfen. Für diese Wandlung und die innere Haltung haben die Schamanen aus aller Welt zahlreiche Anregungen für uns. In einer etwas anderen Weltsicht – die immer mehr auch zu aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen passt – sind Erfahrungen für uns enthalten, die stärkend in unserer täglichen Arbeit mit Menschen sein können. Die auch uns selbst in unserer persönlichen Entwicklung zu unterstützen vermögen. Zum Wohle von uns selbst und jenen Menschen, mit denen wir arbeiten.
In der systemischen Ausdrucksweise würde man sagen, dass alles Auswirkungen hat. Alles ist wechselseitig miteinander verknüpft, jeder Gedanke, jede Handlung und jede Aussage wird sich – nicht vorhersagbar in welcher konkreten Form – mit Bestimmtheit im gesamten System auswirken. So wird unsere innere Haltung oder Einstellung auch im Beratungs- und Begleitungsprozess durchscheinen. Unabhängig davon, wie virtuos wir mit unseren Methoden umzugehen wissen.
Ich möchte Ihnen in diesem Buch einen Vorschlag und eine Anregung für eine Haltung geben, die wissenschaftliches und schamanisches Denken verbindet. Zugänge, die aus Erfahrungswissen und rationalen Erkenntnissen resultieren und in ihrer Kombination in jeder Form von Arbeit mit Menschen einsetzbar sind.
Gleichzeitig ist es eine Lebensphilosophie, aus der Sie sich das herausnehmen können, was für Sie gerade nützlich erscheint. Diese Sichtweise in die eigene Arbeit zu integrieren kann natürlich auch eine Herausforderung sein. Eine möglicherweise lohnende – denn alles, was wir an Zeit und Energie in die Auseinandersetzung mit uns selbst investieren, kommt zu uns zurück und kann eine verbesserte und erweiterte Wahrnehmung und Gestaltung unserer Wirklichkeit erzeugen. Es ist auch eine Anregung für alle, die ihr eigenes Leben harmonisieren wollen. Auch wenn es manchmal Arbeit ist, die eigenen Zugänge, Haltungen und Methoden zu überprüfen und zu erweitern – aus meiner Sicht ist es eine gute Investition.
Der Mensch ist wirksam
Alle Anbieter von Heilungsmethoden – medizinisch, schamanisch, systemisch, psychologisch, energetisch u. v. m. – haben für sich den Anspruch, mit Professionalität zu arbeiten. Die jeweiligen Methoden werden möglichst gut und genau eingesetzt. Wirksam ist aber nicht nur die Methode. Wirksam ist immer auch der jeweilige Mensch. Die innere Haltung dessen, der die Methode anbietet.
Wer als Begleiterin von anderen Menschen fungiert, ist nicht nur Vermittler oder Ausführende einer bestimmten Methode. Menschen kommunizieren auf vielen verschiedenen Ebenen miteinander. Die Sprache hat hier eigentlich nur einen sehr geringen Anteil, vieles mehr an Information wird über Stimme, Körperhaltung und Mimik vermittelt und vom Gegenüber intuitiv wahrgenommen. Klienten (Teilnehmerinnen, Kollegen, Patientinnen, Kinder …) spüren sehr genau, welche Haltung die Begleiterinnen haben. Wir können uns nicht hinter einer Methode verstecken. Denn der Mensch wird immer durchscheinen. Der Mensch wird immer das entscheidende Element in jeder Begegnung sein.
Physiker haben nachgewiesen, dass die menschliche Erwartung sogar einen Einfluss auf das Verhalten von Quanten und Gegenständen hat (What the bleep do we know 2007). So bestimmte zum Beispiel die Erwartung der...