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E-Book

Plastic Planet

Die dunkle Seite der Kunststoffe

AutorGerhard Pretting, Werner Boote
Verlagorange-press
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl220 Seiten
ISBN9783936086768
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Badeanzüge und Sonnenbrillen, Fernseher und Handys, Flugzeuge und Kinderwagen: Wie die meisten Dinge unseres Alltags bestehen sie zu einem großen Teil aus Plastik - von Wegwerfprodukten wie PET-Flaschen und anderem Verpackungsmaterial ganz zu schweigen. Die Menge an Kunststoffmüll wächst seit Jahrzehnten in bedrohlichem Tempo. An Land wird vergraben und verbrannt, was nicht recycelt werden kann, in den Ozeanen treibt Plastik in riesigen Strudeln. Von der See zu kleinsten Partikeln zermahlen, finden gefährliche Substanzen wie Weichmacher und Bisphenol A über die Nahrungskette ihren Weg in unser Blut. Journalist Gerhard Pretting und Regisseur Werner Boote wagen einen umfassenden Blick auf das Thema Kunststoff. Sie erzählen von seiner Faszination als ultraleichtes und frei gestaltbares Material ebenso wie von seinem Vermächtnis als nicht verrottender, giftiger Abfall, der die Umwelt und unsere Gesundheit in alarmierendem Ausmaß bedroht. Aktualisierte Neuauflage mit Vorwort von Hubert Weiger (Vorsitzender BUND)

Werner Boote, geboren 1965 in Wien, hat neben Theaterwissenschaft, Publizistik und Soziologie an der Filmakademie studiert. Nach Jahren als Regieassistent bei Robert Dornhelm und Ulrich Seidl macht der Enkel eines Pioniers der Plastikindustrie seit 1993 eigene Filme. Gerhard Pretting, Jahrgang 1968, schreibt als Feature- und Feuilletonautor für deutsche und österreichische Medien, unter anderem für den Kulturradiosender Ö1, die Tageszeitung Der Standard und das Wirtschaftsmagazin brand eins. Der Kulturwissenschaftler lebt in Wien.

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Leseprobe

Vorwort


Als 2010 der Dokumentarfilm Plastic Planet in die Kinos kam, hat er vielen Menschen die Augen darüber geöffnet, welche erschreckenden Folgen der globale Plastikwahn hat – für die Umwelt und unsere eigene Gesundheit. Denn riesige Mengen an Kunststoffabfällen gelangen jährlich in die Umwelt und gefährden die Tiere und Pflanzen vor allem in den Weltmeeren. Plastiktüten, Verpackungen und Einwegprodukte werden meist über die Flüsse in die Meere und schließlich an die Küsten gespült. Und auch schon während der Nutzung kann Plastik zum Problem werden. So sind einige der beigemischten Chemikalien gesundheitsschädlich. Besonders bedenklich sind dabei Plastikzusätze, die wie Hormone wirken, etwa Bisphenol A und Phthalat-Weichmacher.

Das Problem ist heute so akut wie vor vier Jahren: Der Müllberg in den Meeren wächst. Plastiktüten an Stränden, in Kunststoffseilen strangulierte Meeressäuger und Vögel, die mit Mägen voller Plastik elendig zugrunde gehen, gehören inzwischen zum traurigen und bekannten Bild an den weltweiten Küsten. Auch die Meere vor unserer Haustür, Nord- und Ostsee, sind stark von der Müllverschmutzung betroffen. In der Nordsee sind inzwischen pro hundert Meter Küste mehr als 700 Müllteile zu finden. Und eine weitere, unsichtbare Verschmutzung belastet zunehmend die Meeresumwelt: Seit einigen Jahren beobachten Forscher, dass im Wasser weltweit immer mehr winzig kleine Plastikpartikel schwimmen. Bei diesem »Mikroplastik« handelt es sich häufig um Plastikabfall, der sich im Laufe der Zeit in kleinere Bestandteile zersetzt hat. Auch aus Kunststofftextilien lösen sich beim Waschen kleinste Fasern, die von Waschmaschinenfiltern nicht zurückgehalten werden. Wasseranalysen haben gezeigt, dass die Plastikteile zum Teil perfekte Kügelchen sind. Wahrscheinlich stammen diese aus Kosmetik- und Körperpflegeprodukten. Vor allem in Peelings wird Mikroplastik eingesetzt, aber auch in Duschgels und Zahnpasta. Die Kügelchen, die meist aus Polyethylen bestehen, sind so klein, dass sie Kläranlagen ungehindert passieren können. Einmal im Meer angelangt, werden sie von den darin lebenden Tieren aufgenommen, die sie nicht von ihrer natürlichen Nahrung unterscheiden können, und gelangen in die Nahrungskette. Im Niedersächsischen Wattenmeer konnten Forscher im Kot von Seehunden und Kegelrobben Mikroplastik nachweisen. Ganze Populationen sind hiervon betroffen: So fanden Wissenschaftler Mikroplastik in über 80 Prozent aller norwegischen Hummer, die sie vor Schottland untersuchten. Besonders beunruhigend ist zudem, dass kleinste Plastikpartikel sogar in das Gewebe von Tieren aufgenommen werden und dort zu Entzündungen führen können, wie jüngst an Miesmuscheln nachgewiesen wurde. »Wir können davon ausgehen, dass das Mikroplastik überall in der Atmosphäre zu finden ist«, so Gerd Liebezeit vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg. Einem auf seinen Untersuchungen fußenden Bericht des NDR zufolge gelangt es über die Luft auch in Lebensmittel. Liebezeit fand demnach in 19 untersuchten Honigen Fasern und Plastikfragmente, und auch in Regenwasser sei Plastikmaterial entdeckt worden, wie es in Kosmetika verwendet wird.

Grund genug für uns Verbraucher, noch einmal genauer hinzuschauen, ob wir mit unseren Körperpflegeprodukten und Kleidungsstücken ungewollt ebenfalls zur Verschmutzung der Meere beitragen. Und für Umweltverbände wie den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V. und seine europäischen Mitstreiter, sich mit einem »Meer ohne Müll«-Manifest dafür einzusetzen, dass das Problem der Meeresverschmutzung durch Plastikmüll innerhalb einer Generation (bis 2035) durch die EU-Kommission gelöst wird. Dazu müssten sowohl Landratten als auch Seebären in die Pflicht genommen werden. Zum einen gilt es, die Plastikabfallmenge an Land zu reduzieren, zum Beispiel über strengere gesetzliche Vorgaben für Recycling, verpflichtende Abgaben auf Wegwerfprodukte wie Plastiktüten und ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetika. Zum anderen muss es für alle Schiffe verpflichtend sein, im Hafen über entsprechende Einrichtungen ihren Müll zu entsorgen. Bei illegaler Abfallentsorgung sind eine effektivere Strafverfolgung und höhere Strafen nötig.

Und es muss aufgeräumt werden. Denn Plastik kann im Meer mehrere hundert Jahre überdauern und somit noch für Generationen von Meerestieren zur tödlichen Falle werden.

Plastic Planet hat vielen Menschen klar gemacht, dass Plastikzusatzstoffe für Gesundheit und Umwelt unerwünschte Nebenwirkungen haben können. Vor allem die Gruppe der hormonellen Schadstoffe gerät zunehmend in das Visier von Verbraucherschützen, Wissenschaftlern und Regulierungsbehörden. Mit ihnen wird eine ganze Reihe von Krankheiten in Verbindung gebracht, die in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen haben. Dazu gehören hormonbedingte Krebsarten wie Brust-, Hoden-, oder Prostatakrebs; reduzierte Fruchtbarkeit, Lern- und Gedächtnisschwierigkeiten, Fettleibigkeit, Altersdiabetes, Herzkreislauferkrankungen und verfrühte Pubertät. Die Weltgesundheitsorganisation hat hormonell wirksame Stoffe im Februar 2013 deshalb als »globale Bedrohung« bezeichnet. Das Europäische Parlament hat sich im März 2013 dafür ausgesprochen, die Belastung der Bevölkerung zu reduzieren, indem diese Chemikalien besser reguliert werden. Und im Mai 2013 forderten 89 international führende Wissenschaftler auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheit in der sogenannten Berlaymont Deklaration einen besseren Schutz der Menschen vor hormonellen Schadstoffen. Denn nach wie vor wird der Einsatz von hormonell wirksamen Chemikalien nicht systematisch reguliert.

Es tut sich jedoch etwas auf EU-Ebene: So arbeitet die Europäische Kommission aktuell an Kriterien zur Identifizierung dieser Stoffe; in der Folge sollen alle großen Gesetzgebungen überarbeitet werden. Es ist zu hoffen, dass so in den nächsten Jahren auch Plastikzusatzstoffe wie Bisphenol A, Phthalat-Weichmacher und Flammschutzmittel aus allen verbrauchernahen Produkten verschwinden werden.

Einen ersten Erfolg gibt es bereits: 2011 musste sich die Europäische Kommission dem wachsenden Druck der Öffentlichkeit beugen und verbot Bisphenol A europaweit in Babyfläschchen. Und auch die europäische Chemikalienverordnung REACH, ein Meilenstein für den Schutz von Mensch und Umwelt vor gesundheitsschädlichen Chemikalien, bietet Chancen, gefährliche Stoffe aus Alltagsprodukten zu verbannen. Dank REACH dürfen vier besonders schädliche Phthalat-Weichmacher ab 2015 nur noch in Ausnahmefällen eingesetzt werden. Die Chemikalienverordnung, mittlerweile seit sechs Jahren in Kraft, hat die Beweislast umgekehrt: Die Industrie ist erstmals dazu verpflichtet, Daten über die Umwelt- und Gesundheitsfolgen von etwa 30.000 Chemikalien vorzulegen, die in einer Menge von mehr als einer Tonne pro Jahr produziert oder importiert werden. Bis dato mussten schädliche Wirkungen erst vom Gesetzgeber nachgewiesen werden, bevor eine Chemikalie verboten werden konnte. Jetzt gilt das Prinzip: Keine Daten, kein Markt.

So weit, so gut? Leider nicht ganz, denn die Umsetzung von REACH verläuft zu langsam. Aktuell sind 151 Stoffe als besonders besorgniserregend identifiziert und befinden sich auf der Kandidatenliste für Zulassungsbeschränkungen. Es stehen jedoch schätzungsweise 1.500 Chemikalien unter Verdacht, besonders gefährliche Eigenschaften zu besitzen, zum Beispiel Krebs zu erregen, die Fortpflanzungsfähigkeit zu schädigen oder sich in der Umwelt anzureichern. Es gibt also noch einiges zu tun.

Vor den 151 Stoffen auf der Kandidatenliste für Zulassungsbeschränkungen können sich Verbraucher jetzt schon schützen, indem sie je Produkt eine Anfrage nach dem REACH-Auskunftsrecht stellen. Hersteller wie Händler sind dann dazu verpflichtet, Auskunft darüber zu geben, ob sich darin einer dieser besonders gefährlichen Stoffe befindet. Das gibt uns in gewissem Maß Sicherheit – und wir signalisieren damit den Firmen, dass wir keine gesundheitsschädlichen Stoffe in unseren Haushalten wollen. Um die Nutzung des Verbraucherauskunftsrechts zu vereinfachen, stellt der BUND auf seiner Internetseite ein Anfragetool zur Verfügung, mit der sich die sogenannte »Giftfrage« ganz einfach stellen lässt. Tausende Menschen haben bereits damit nachgehakt – mit Erfolg: Ein großer Konzern beschwerte sich bei uns über eine »Anfrageflut«, eine andere Firma nahm einen weichmacherbelasteten Spielball vom Markt.

Gemeinsam sind wir stark und können selbst große Konzerne in die Knie zwingen. Das zeigt auch eine Petition gegen hormonell wirksame Konservierungsmittel in der Baby-Wundschutzcreme von Penaten: Innerhalb kürzester Zeit unterschrieben 25.000 Menschen, und der Hersteller Johnson & Johnson hat im August 2013 angekündigt, ab 2014 auf hormonelle Chemikalien in Körperpflegemitteln für Kinder zu verzichten.

Je besser wir verstehen, was mit uns und unserer Umwelt passiert, desto eher handeln wir. Das Buch Plastic...

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