Rollenstudium: So deuten Sie Körpersprache richtig
In diesem Teil erfahren Sie, wie Sie Körpersprache bei anderen anhand von unbewussten Signalen deuten und interpretieren können. Sehen Sie genau hin, wie Ihr Gegenüber mit seinem Körper „spricht“. Erkennen Sie, was er Ihnen sagen will, und lernen Sie, wie Sie darauf reagieren können.
Grundemotionen, die jeder versteht
Eigentlich sind wir von Natur aus sehr gut darin, Emotionen zu erkennen. Gefühle zu erklären ist nicht nötig. Kinder weinen, wenn sie traurig sind, sie lachen, wenn sie Freude empfinden. Sie schreien und zeigen Wut, wenn sie frustriert sind, weil der Turm schon wieder umgekippt ist oder der Max ihnen das Spielzeug weggenommen hat. Manchmal aber bedarf es einer kleinen Hilfestellung, damit Kinder sich in dem Gefühlschaos zurechtfinden. Eine Bestätigung gerade in Bezug auf unangenehme Emotionen kann die Kleinen für ihre eigenen Gefühle sensibilisieren und auch dafür, wodurch sie entstanden sind: „Du bist traurig, weil die Bella sich nicht neben dich gesetzt hat“, „Du bist wütend, weil die anderen dich nicht mitspielen lassen“ oder „Es gefällt dir gar nicht, dass der Käfer nun ohne Beine nicht mehr laufen kann“.
Leider wird unsere Deutungskompetenz in Bezug auf die Körpersprache unserer Mitmenschen sukzessive immer mehr geschwächt. Durch unsere Umwelt. Alles wird größer und schneller. Wir haben gar nicht mehr die Zeit, richtig hinzusehen. In Nachmittagsshows werden uns von Laiendarstellern große Gefühle vorgegaukelt, die vor dem heimischen Spiegel großes Entsetzen geübt haben. Wir verpassen Nuancen, weil wir verlernt haben, sie zu erkennen. Das mit überdimensionalen Löffeln eingeschaufelte emotionale Fastfood rutscht viel leichter die Kehle hinunter als ein Dreisterne-„Gruß aus der Küche“.
Um die Gefühle oder Stimmung unseres Gegenübers besser verstehen zu können, ahmen wir unbewusst dessen Mimik nach. Wir nutzen die Wechselwirkung der Körpersprache. Ein zusätzlicher, positiver Effekt dabei ist, dass wir unserem Leittier durch Spiegelung signalisieren, dass wir mit ihm konform gehen. Wir verlassen uns darauf, dass das, was wir an mimischem Ausdruck präsentiert bekommen, auch den Gefühlen entspricht. Deswegen machen wir die Augen groß, wenn der andere begeistert von einem großartigen Erlebnis erzählt. Wenn Sie Mütter bei einer Schulaufführung beobachten, werden Sie feststellen, dass diese durch mimische Nachahmung alles miterleben, was ihr Kind auf der Bühne spielt. Früher fand ich das amüsant, heute mache ich es selbst.
Der amerikanische Psychologe Paul Ekman hat jahrelang zur Außendarstellung von Gefühlen geforscht und eine Liste immer wiederkehrender Erkennungsmerkmale einzelner Gesichtsausdrücke erarbeitet. Er hat festgestellt, dass für gleiche Emotionen immer die gleichen Muskelgruppen verantwortlich sind. Paul Ekman beschränkt sich hierbei auf sechs Grundemotionen. Wut, Trauer, Freude, Angst, Überraschung und Ekel. In manchen Ausführungen wird noch eine siebte Emotion hinzugenommen, die Verachtung.
DIE SIEBEN GRUNDEMOTIONEN |
- Freude
- Trauer
- Wut
- Angst
- Überraschung
- Ekel
- Verachtung
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Freude
Beginnen wir mit etwas Tagerhellendem, der Freude. Ein Mensch, der sich freut, lacht oder lächelt. Selten sieht man jemanden mit herabhängenden Mundwinkeln, der sich schneeköniglich amüsiert. Die Mimik der Freude zeichnet sich durch die hochgezogene Wangenmuskulatur und die Lachfältchen um die Augen aus. Bei echter Freude „glänzen“ die Augen, man spürt, dass derjenige sich wohlfühlt und gelöst ist. Um Freude vorzuspielen, muss wie bei allen anderen Emotionen das Gefühl von innen heraus produziert werden. Es gibt allerdings die Möglichkeit, den Rückkopplungseffekt für sich zu nutzen, um Freude zu produzieren. Lachen Sie künstlich, und das Lachen wirkt sich auf Ihre Stimmung aus. Es gibt eine einfache Übung, die Sie in Hochstimmung versetzen kann: Husten Sie ein paar Mal hintereinander. Das stakkatoartige Zusammenziehen des Zwerchfells erinnert Ihren Körper an herzliches Lachen. Wenn Sie nun noch die Mundwinkel zu einem Lachen verziehen, dann kann es gut sein, dass Sie in ein erquickliches Kichern oder sogar Lachen verfallen. Also, das einfachste Mittel gegen traurig sein ist Lachen.
Trauer
Und nun ins Tal der Emotionen: Trauer. Die Augenlider hängen schlaff nach unten, die Mundwinkel hängen, die trauernde Person starrt ins Leere. Jeder kennt das Gefühl, wenn man nur noch aufs Ärmchen will. Wenn man sich schwer fühlt, gedrückt und leer. Es gibt Menschen, die traurig aussehen, obwohl sie lediglich entspannt bis maximal ernst sind. Ich sage diesen Menschen eine besondere „emotionale Durchlässigkeit“ nach. Das bedeutet, dass sie durch kleinste mimische Veränderungen Gefühle zum Ausdruck bringen können. Große Schauspieler wie John Malkovich, Al Pacino oder Nicolas Cage machen nichts, wenn sie spielen. Und dennoch sehen und spüren wir genau, wie es ihnen geht und was sie uns vermitteln wollen. Es sind diese Mikrobewegungen in der Mimik, die unserem Bewusstsein entgehen, die aber dennoch Einfluss auf unser Empfinden von Stimmungen und Gefühlen haben. Andere, weniger „durchlässige“ oder botoxierte Gesichter wiederum müssen extra große Furchen auf ihre Stirn tackern, damit wir überhaupt erkennen, dass sie wütend sind. Da fällt es mitunter sogar schwer, zwischen Freude und Trauer zu unterscheiden, und es hilft nur genau hinzusehen und in die Augen einzutauchen.
Weinen ist in der Regel ein Ausdruck von Trauer. Der Tränenfluss kann aber auch aufgrund des Rückkopplungseffekts durch das Imitieren von Weinen erzeugt werden. Klingt komisch, ist aber so. Man tut so, als würde man weinen, macht die entsprechenden Geräusche, verzieht das Gesicht, also Mundwinkel nach unten, und wimmert vor sich hin. Irgendwann ist man „in Stimmung“, die Dämme brechen und einer Überschwemmung mit salzhaltiger Flüssigkeit ist kaum mehr Einhalt zu bieten. Einsatz findet diese Technik nicht nur im beruflichen, sondern auch im privaten Bereich. Vorrangig zu beobachten bei Mitgliedern der talentierten, weiblichen Gattung, wenn sie selbst verschuldetes Unrecht durch Ausschüttung von Unmengen an Tränenflüssigkeit versuchen wieder gutzumachen.
Mein Sohn hatte den von Trauer angeregten Unterlippenzitterer schon in jungen Jahren kultiviert und benutzt, um seine Mutter gnädig zu stimmen und möglicherweise eine Extraportion Zuwendung oder Gummibärchen zu erhaschen. Aber ich bin ja selbst schuld, weil ich ihm schon früh von der Macht der großen Kulleraugen erzählt hatte.
Wut, Aggression, Ärger, Zorn
Diese Emotionen zeigen sich durch die Falte zwischen den Augenbrauen, zusammengekniffene Lippen (oder zu einem zähnefletschenden Rechteck geöffnet) sowie durch heruntergezogene Augenbrauen und verengte Augen, die das Wutobjekt fixieren. Ein weiteres untrügliches Zeichen für ansteigenden Zorn: Die Nasenflügel blähen sich. Das Blähen sieht übrigens nicht nur lustig aus, es hat aus verhaltensbiologischer Sicht durchaus einen Sinn. Durch die weiter geöffneten Nasenflügel strömt mehr Luft in die Lunge, und der Körper ist bereit zum Kampf. Heftig Pubertierende üben dies täglich im Zusammenleben mit ihren todesnervigen Eltern, die beispielsweise überhaupt nicht verstehen wollen, dass eine Ausgangssperre sich keineswegs positiv auf die Noten auswirken würde. Außerhalb der Familie entstehen Streitsituationen gerne mal bei der Parkplatzsuche, bei Geld abzählenden Rentnern an der Supermarktkasse und bei Müllwagen, die sich im Schneckentempo eine Einbahnstraße entlang schmieren, obwohl man eh schon zu spät zur Arbeit kommt. Wenn uns jemand Aggression entgegen schmettert, wollen wir instinktiv sein Gefühl verstehen und imitieren seine Mimik und Körpersprache. Doch in diesem Fall ist schnelles Weglaufen meines Erachtens besser angebracht als allzu viel Empathie.
Angst
Bei Angst ziehen sich die Augenbrauen zusammen und hoch, die Mundwinkel werden zu den Ohren gezogen, die Augen öffnen sich weit. Flache, schnelle Atmung, Schweiß, Zittern können hinzukommen. Der Körper spannt sich an und ist auf jede Eventualität vorbereitet. Zusätzlich klammern sich manche an sich selbst fest. Damit wollen sie sich selbst beruhigen und prüfen, ob sie noch da sind. Angst ist ein instinktiver Schutzreflex. Er bereitet unseren Körper in einer Gefahrensituation auf eine erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit vor. Der gesamte menschliche Körper macht sich bereit, um in Windeseile über die Steppe davonflitzen, auf einen Baum klettern oder der Bedrohung im Kampf entgegentreten zu können. Meist allerdings wollen wir einfach nur weglaufen. Zum Beispiel vor einem Live-Auftritt. Die subjektiv empfundene Gefahr lauert im Zuschauerraum. Eigentlich Schwachsinn, denn ich habe noch nie die Schlagzeile gelesen: „Powerpoint-Präsentation endete blutig.“ Auf das Lampenfieber werde ich später noch näher eingehen (siehe Lampenfieber).
Bei Angst ziehen sich die Augenbrauen zusammen und hoch, die Mundwinkel werden zu den Ohren gezogen, die Augen öffnen sich weit.
Ein niedlicher Ableger der Emotion Angst, gepaart mit einer guten Prise Überraschung, ist die Schockstarre. Der Duden definiert sie als a) Zustand starrer Bewegungslosigkeit bei einem Schock, b) durch Bestürzung,...