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Das Geheimnis der positiven Gefühle
Dieses Kapitel zeigt Ihnen den Nährboden, auf dem positive Gefühle gedeihen können, und auch, welche Faktoren negative Gefühle auslösen, also beispielsweise dass wir uns unglücklich fühlen oder chronisch unzufrieden sind.
Der Glücksindex zeigt, wo wesentliche Glücksquellen liegen und wieso in reichen Ländern die Zufriedenheit nicht automatisch höher ist als in armen. Sie lernen verschiedene Denkstrategien der Positiven Psychologie kennen und erhalten auch praktische Impulse, die Ihnen im Alltag helfen, diese Strategien umzusetzen und zum Bestandteil des eigenen Lebens zu machen.
Sie erkunden Ihre eigene Gefühlswelt genauer und gewinnen daraus Erkenntnisse über Gedanken-Gefühle-Verbindungen – solche, die positiv und erhaltenswert sind, und solche, die verändert werden sollten.
Sie setzen sich mit dem Thema Selbstbestimmtes und fremdbestimmtes Handeln auseinander und stellen Überlegungen an, wie Sie den Grad an Selbstbestimmtheit erhöhen und häufiger guter Stimmung sein können.
Sie erfahren, wie Sie zehn häufig vorkommende Denkfallen außer Kraft setzen und stattdessen lösungsorientiert denken und handeln. Dabei entwickeln und stärken Sie auch die Fähigkeit, konstruktiv mit negativen Gefühlen wie Groll, Ärger oder Rachegelüsten umzugehen, um sie dann Schritt für Schritt loslassen zu können.
Sie erhalten Impulse, wie Sie Enttäuschungen leichter überwinden und sich und anderen vergeben.
Sie lernen, wie Sie dreimal mehr positive als negative Gefühle im Alltag empfinden und wie Sie aktiv für gute Erinnerungen sorgen.
Was wir zum Gedeihen brauchen
Was braucht ein winziger Keimling, um heranzuwachsen? Er braucht Licht, Wärme, Wasser, Nährstoffe. Dann entfaltet er sein Potenzial, bildet starke Wurzeln, einen stabilen Stamm und eine mächtige Krone, er blüht und trägt Früchte.
Auch der amerikanische Psychologe und Glücksforscher Martin Seligman beschreibt diese Wesensverwandtschaft zum Pflanzenreich mit dem Begriff »flourishing« (= erblühend, aufblühend, gedeihend). Diese Faktoren bewirken, dass Menschen das entfalten, was in ihnen angelegt ist: ihre Stärken, Vorlieben und Talente. Das eigene Potenzial zu kennen und ihm Ausdruck zu geben wird demnach als zutiefst befriedigend und sinnstiftend erlebt. Das heißt, dass auch der Mensch »Licht«, »Wärme«, »Wasser« und »Nährstoffe« braucht – Qualitäten und Ressourcen in seiner Familie, in seiner Umgebung und in seiner Persönlichkeit, damit sich entfalten kann, was in ihm angelegt ist. Damit er auch starke Wurzeln ausbildet in der Gemeinschaft, in der er lebt: durch seine Arbeit, sein Engagement, seine Zuwendung und Wertschätzung, seine Kreativität und Schaffenskraft, seinen individuellen Beitrag zum Ganzen.
Einflussfaktoren wie Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen, Art der Beschäftigung, Einkommen, Wohnsituation, gesellschaftlicher Status und persönlicher Besitz spielen natürlich eine Rolle dabei, ob jemand mit seinem Leben glücklich und zufrieden ist oder sich benachteiligt fühlt. Doch diese Faktoren sind nicht das Maß aller Dinge. Mancher, der glaubte, sein Glück hinge von einer Traumkarriere ab, stellt am Gipfel seines Ruhmes und Reichtums fest, dass sich sein aktuelles Lebensgefühl kaum von dem vorher bestehenden unterscheidet.
Wo also finden wir das Glück? Durch Reisen in ferne Länder, in einer liebevollen Beziehung, mit einem sechsstelligen Betrag auf dem Konto, mittels Status, Ruhm und Ehre? Manche glauben, dass Erfolg, Wohlstand und Beziehungen unabdingbar dafür sind, glücklich zu sein, andere sind der Ansicht, dass wir unser Glück nur in uns selbst finden können. So vielfältig die Menschen, so vielfältig auch die Vorstellungen.
»In uns selbst liegen die Sterne unseres Glücks.«
Heinrich Heine
Dass Status und Wohlstand alleine nicht glücksstiftend sind, belegen etliche Studien. Ein gutes Einkommen und materieller Besitz erleichtern natürlich das Leben, weil man sich nicht um existenzielle Dinge sorgen muss und sich vieles gönnen kann. Eine solide finanzielle Basis ist dem Glücksempfinden förderlich – nicht zuletzt deswegen, weil es das Bedürfnis nach Sicherheit befriedigt. Denn auch wenn es depressive Multimillionäre und achtsame, lebenszufriedene Sozialhilfeempfänger gibt: Im Durchschnitt sind die vermögenderen Menschen eines Landes die glücklicheren.
Reichtum und Status: Lust und Unlust des Vergleichens
Trotzdem ist Reichtum keine Garantie dafür, dass jemand sein Leben als wertvoll, gelungen und erfüllt empfindet. Welche Rolle spielt also Wohlstand wirklich für unsere persönliche Zufriedenheit? Wie neuere Forschungsergebnisse aus Großbritannien und den USA belegen, gilt in Bezug auf Geld keineswegs die Devise »Viel hilft viel« oder »Je reicher, desto glücklicher«. Wächst in einem Land der materielle Wohlstand, steigt dadurch nicht automatisch auch die durchschnittliche Lebenszufriedenheit. Wachsender materieller Wohlstand eines Einzelnen wird von ihm nur dann als beglückend erlebt, wenn sich dadurch sein relativer Status im Vergleich zu anderen verbessert. Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn mit seinem Zugewinn auch der materielle Wohlstand aller anderen im gleichen Maße wächst. So zeigt es sich, dass die durchschnittliche Zufriedenheit in den westlichen Industrieländern seit den 1960er-Jahren kaum mehr gewachsen ist – obwohl die Einkommen in diesem Zeitraum deutlich gestiegen sind.
Wenn alle um uns herum immer mehr Besitz anhäufen, wirkt das offensichtlich dämpfend auf die Wertschätzung dessen, was wir selbst besitzen. Wir schauen auf das Auto des Nachbarn oder des Kollegen und darauf, was andere verdienen, und vergleichen unseren eigenen Status damit. Das ist fatal, denn: Wenn wir ein materielles Ziel erreicht haben, findet sich immer jemand, der noch mehr von dem hat, was wir auch gerne hätten – und schon vergleichen wir uns wieder und sehen uns im Hintertreffen. Dann schrumpfen die Glücksgefühle wieder zu einem Nichts zusammen.
Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Status. Wer oben in der Hierarchie steht, sieht dies in der Regel als persönliche Bestätigung seines Wertes als Person an, und das trägt zur Zufriedenheit bei. Nicht zuletzt auch deswegen, weil die Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung mit einem hohen Einkommen vielfältiger sind als für jemanden, der nur wenig verdient. Wer unten in der Hierarchie steht und weniger Einkommen hat, ist dementsprechend zumeist unzufriedener – auch dann, wenn er mehr Geld verdient als der Bundesdurchschnitt. Wer finanziell schlechter dasteht als seine Kollegen, Bekannten und Nachbarn, zweifelt an Fairness und Gerechtigkeit und ist daher auch oft unzufrieden. In Ländern, in denen Wettbewerbsdenken einen geringeren Stellenwert besitzt, lässt auch der Stress des ständigen Sich-Messens an anderen nach. Die Folge? In »gleicheren« Gesellschaften sind mehr Menschen zufrieden mit dem, was sie sind, tun und haben. Daher befinden sich die skandinavischen Länder bei der Erhebung internationaler Glücksstudien traditionell an der Spitze.
Je reicher, desto zufriedener?
Sehr schnell gewöhnen wir uns an ein höheres Einkommen und mehr Wohlstand, auch unsere materiellen Ansprüche passen wir schnell nach oben an, sodass wir die dadurch gewonnenen Vorteile gar nicht mehr als etwas Besonderes wahrnehmen.
Das Erreichte wird sehr schnell selbstverständlich – und schon ist es mit der früheren Begeisterung vorbei. Wenn wir mehr Geld zur Verfügung haben, steigt das subjektive Wohlbefinden zunächst an, jedoch gilt dieser Zusammenhang nur bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe. In den wohlhabenden– also auch in den deutschsprachigen – Ländern besteht die lineare Koppelung »Geld = Glück« jenseits einer Schwelle von etwa 5.000 Euro Monatseinkommen nicht mehr, sondern die Zufriedenheitskurve flacht dann ab. Mehr Einkommen bringt dann nur noch eine geringe Zunahme an Zufriedenheit. Mehr Geld macht dann also keinen Unterschied mehr. Dem amerikanischen Psychologen Daniel Kahneman zufolge steigert ein Einkommen über 75.000 US-Dollar pro Jahr das emotionale Wohlbefinden nicht mehr nennenswert. Und wie der sogenannte Glücksatlas (World Database of Happiness) des niederländischen Soziologen Ruut Veenhoven zeigt, unterscheidet sich die Lebenszufriedenheit im Ländervergleich erheblich – nicht nur erwartungsgemäß zwischen armen und reichen Ländern, sondern auch zwischen Staaten, die ein ähnliches Wohlstandsniveau aufweisen. Demnach sind die Costa Ricaner und Dänen am glücklichsten, es folgen die Schweizer und Isländer. Auch Schweden, Finnland und Irland rangieren auf den vorderen Glücksrängen, während Deutschland zwar noch im ersten Drittel, aber doch deutlich weiter hinten liegt – obwohl es den Deutschen, was den gesellschaftlichen Wohlstand anbelangt, nicht schlechter geht als den Dänen.
Noch überraschender aber ist, was der Wirtschaftswissenschaftler Eugenio Proto von der University of Warwick und seine Kollegen in verschiedenen Studien herausfanden: Die Lebenszufriedenheit stabilisiert sich nicht ab einem bestimmten Grad des Wohlstands – sie sinkt sogar wieder. Den Grund für diese sinkende Zufriedenheit bei wachsendem Reichtum sehen die Forscher darin, dass höhere Durchschnittseinkommen auch zu höheren Erwartungen, höheren Ansprüchen und größeren Verlustängsten führen.
Fazit: In den letzten 50 Jahren hat sich die Zufriedenheitsskala in den Gesellschaften, in denen die größte materielle Not bewältigt ist, offensichtlich ausdifferenziert: Wohlstand ist nicht (mehr) alles, sonst wäre der Glücksindex in...