KAPITEL 1: Ein Leib – die Grundlage von Gemeinschaft
Obwohl der Mensch auf vielen Gebieten Fortschritte gemacht hat, stellen menschliche Beziehungen überall auf der Welt weiterhin Probleme dar. Konzerne und Behörden geben gewaltige Summen für die Beschäftigung von Personal aus, um Harmonie unter den Angestellten zu fördern.
Nun könnte man denken, dass es verständlich ist, wenn es selbstsüchtige, unbekehrte Menschen schwerfinden, miteinander auszukommen, aber wenn Menschen von neuem geboren und neue Kreaturen in Christus geworden sind, können solche Probleme gewiss nie auftreten – so könnte man meinen. Denn schließlich, wenn Gott bei jemandem das Zentrum des Lebens und Dienstes ist, welchen möglichen Raum kann es dann für die trivialen Probleme geben, die andere belasten?
Doch leider braucht es keinen Beweis für die Tatsache, dass Christen überall auf der Welt miteinander kämpfen und streiten. Viele sprechen nicht einmal mit ihren Glaubensgeschwistern, einige können nicht einmal den Anblick gewisser anderer Christen ausstehen. Der Name Gottes wird in der Welt durch das Verhalten von bekennenden Christen weiterhin geschändet.
Jesus sagte, dass die Welt seine Jünger durch ihre intensive Liebe füreinander erkennen würde. Dies wurde – allgemein gesprochen – in den ersten beiden Jahrhunderten der christlichen Epoche buchstäblich erfüllt. Die Welt schaute mit Erstaunen auf die Christen und rief dann aus: „Schaut, wie diese Christen einander lieben!“ Heute ist die Geschichte anders und die Welt sagt oft: „Schaut, wie diese Christen einander hassen!“
Beziehungen sind in der Tat äußerst wichtig. Gaben, Talente, Methoden, Techniken, Programme und Finanzen sind gegenüber Menschen und zwischenmenschlichen Beziehungen allesamt zweitrangig. Die Gemeinde kann ihre gottbestimmte Funktion als Licht der Welt nur erfüllen, wenn es unter ihren Mitgliedern echte christliche Gemeinschaft gibt. Ebenso kann ein Einzelner nur dann anderen Menschen Leben vermitteln, wenn er selber gelernt hat, mit seinen Mitchristen nach dem Gesetz der Liebe zu leben.
Zweidimensionale Gemeinschaft
Die Bibel sagt klar und wiederholt, dass kein Christ Gemeinschaft mit Gott haben kann, wenn er mit anderen Christen keine Gemeinschaft hat. Du kannst nicht mit Gott wandeln, wenn du nicht in Liebe zu deinem Glaubensbruder lebst.
Das Kreuz, an dem Jesus starb, hatte zwei Balken – einen vertikalen und einen horizontalen: Jesus kam nicht nur, um Frieden zwischen Mensch und Gott zu bringen (vertikal), sondern auch zwischen Mensch und Mensch (horizontal). Die vertikalen und horizontalen Beziehungen gehen Hand in Hand. Du kannst nicht das Erstere haben, wenn du das Letztere ignorierst.
Johannes, der Apostel der Liebe, hat zu diesem Thema einige sehr starke Worte zu sagen. Einer der Beweise für echte Buße, so sagt er, liegt darin, dass ein Mensch anfängt, seine Mitchristen zu lieben. Wenn ein Mensch diese Liebe nicht hat, ist das ein sicherer Hinweis darauf, dass seine Bekehrung nicht echt und dass er auf dem Weg zum ewigen Tod ist (1Joh 3,14). Richtige Doktrinen waren nicht der einzige Test, den die Apostel anwandten, um sich zu vergewissern, wo ein Mensch in seiner Beziehung zu Gott stand.
An einer späteren Stelle im selben Brief sagt Johannes: Wenn ein Mensch behauptet, dass er Gott liebt, während er seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. Beachte dies! Der richtige Name für einen solchen Menschen ist nicht „Gläubiger“ [Christ], sondern vielmehr „Lügner“! Die Logik des Johannes ist unwiderstehlich. Er sagt, dass ein Bruder sichtbar ist, während Gott unsichtbar ist. Wenn du das Sichtbare nicht lieben kannst, ist es unmöglich, das Unsichtbare zu lieben (1Joh 4,20).
Vergleiche das nun mit der Erfahrung der meisten „Christen“. Liebe zu Gott wird gewöhnlich im Hinblick auf die betriebsame Aktivität im christlichen Dienst oder im Hinblick auf die verzückten Gefühle der Freude, die man in einer Versammlung erlebt, gemessen. Diese können höchst trügerisch sein. Ich habe Christen getroffen, die mit anderen Christen keine Gemeinschaft haben, die trotzdem die Aussage machen, dass sie „wunderbare Gebetszeiten“ und „erstaunliche Resultate im Dienst“ erreicht haben.
Wie könnten sie wohl mit Gott wandeln, wenn sie sich nicht einmal die Mühe gemacht haben, mit anderen Mitgliedern von Gottes Familie, auf die sie einen Groll haben, eine Angelegenheit zu bereinigen? Sicherlich hat Satan ihren Sinn gegenüber der Wahrheit der Heiligen Schrift verblendet!
Der Preis von zerbrochener Gemeinschaft
Oft erkennen wir nicht, wessen wir uns selber berauben, wenn die Gemeinschaft mit anderen Gläubigen zerbrochen ist. Die Bibel sagt uns, dass wir nur gemeinsam „mit allen Heiligen“ die Breite, Länge, Tiefe und Höhe der Liebe Christi erkennen und mit der ganzen Gottesfülle erfüllt werden können (Eph 3,17-19). Nur wenn wir die Realität der Gemeinschaft mit Gläubigen kennen, mit denen Gott uns zusammengefügt hat, werden wir in der Lage sein, zu einem erfahrungsmäßigen Verständnis der Liebe Christi und der Fülle Gottes zu kommen.
Wer sich von einem Mitchristen abschneidet, beraubt sich der Erfahrung von Christi Liebe und Gnade, die ihm durch diese Person hätte zuteilwerden können. Wenn wir versagen, nach diesem Gesetz der Liebe zu leben, berauben wir uns selber einiger der Reichtümer Christi und eines Teils von Gottes Fülle.
Der Leib Christi
Paulus‘ Brief an die Christen in Ephesus konzentriert sich auf die große Wahrheit, dass Gläubige ein Leib in Christus sind. Christus ist das Haupt der Gemeinde und die Gemeinde ist sein Leib (Eph 1,22-23). Jeder Gläubige ist ein Glied dieses Leibes.
Das ist nicht bloß eine Tatsache, die es intellektuell zu verstehen gibt, sondern die unser tägliches Leben beeinflussen sollte.
Die erste Hälfte des Briefes an die Epheser befasst sich mit der Doktrin des Leibes Christi. Die zweite Hälfte des Briefes beschäftigt sich mit der praktischen Anwendung dieser Wahrheit. Die zweite Hälfte beginnt folgendermaßen:
„So ermahne ich euch nun … dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid, in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einander in Liebe und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens … denn wir sind alle Teile eines Leibes (Eph 4,1-4).
Mit anderen Worten, nachdem jemand diese Wahrheit, dass die Gemeinde der Leib Christi ist, verstanden und „gesehen“ hat, sollte er danach verlangen, in Demut, Sanftmut, Geduld, Nachsicht, Liebe, Einheit und Frieden mit seinen Geschwistern im Glauben zu wandeln. Wenn ein Christ nicht auf diese Weise wandelt, deutet das darauf hin, dass er den Leib Christi nicht gesehen hat.
Eine solche Person muss zu den ersten drei Kapiteln des Epheserbriefes zurückgehen und sagen: „Herr, ich habe hier einen blinden Fleck. Bitte lehre mich. Bitte öffne meine Augen.“ Denn die Wahrheit des „Leibes“ ist keine, die wir bloß mit unserem Verstand erfassen können. Wie Paulus sagte, müssen die Augen unseres Herzens vom Heiligen Geist erleuchtet werden, wenn wir erkennen wollen (Eph 1,18.22-23).
Paulus schrieb an die Gemeinde in Korinth: „Ihr seid der Leib Christi und jeder von euch ist ein Glied“ (1Kor 12,27). Es ist richtig, dass die Christen in Korinth im 1. Jahrhundert nur ein kleiner Teil der weltweiten früheren, gegenwärtigen und zukünftigen Gruppe von Gläubigen waren, die den Leib Christi bilden; aber sie sollten dennoch ein örtlicher Ausdruck dieses Leibes in Korinth sein. Das ist die Berufung von jeder Gruppe von Gläubigen in jeder Epoche und an jedem Ort. Es ist Gottes Absicht, dass jede christliche Gemeinschaft, ob es nun eine Kirche, eine Organisation oder eine Gruppe von Arbeitern ist, ein sichtbarer Ausdruck des Leibes Christi für die Welt ist.
Als Jesus Christus auf die Erde kam, kam er in einem irdischen Leib. Gott zeigte sich den Menschen durch diesen physischen Leib Christi. Ohne einen physischen Leib hätte Christus nicht das erreichen können, was er erreichte und die Welt hätte nicht erkennen können, wie Gott war. Ein physischer Leib war dafür unbedingt notwendig.
Bedenke nun, welche Begrenzungen es in Christi Dienst auf Erden gegeben hätte, wenn sein Leib gelähmte oder unkoordinierte Glieder gehabt hätte. Wenn beispielsweise seine Beine, seine Arme oder seine Zunge gelähmt gewesen wären, dann hätte er nicht in die Häuser der Sünder gehen oder seinen Arm um Aussätzige legen oder die Worte des Lebens sprechen können. Er konnte all das und mehr nur tun, weil er einen starken, gesunden Leib hatte.
Als Christus in den Himmel auffuhr, gab Gott ihm einen anderen Leib, um sein Werk auf Erden fortzuführen – einen Leib von Gläubigen, die durch sein Blut aus allen Völkern, Stämmen und Sprachen erkauft worden waren. Dieser Leib von Gläubigen, denen derselbe Heilige Geist innewohnte, der in Christus auf Erden wohnte, sollte das Werk fortführen, das Christus, indem er seinen physischen Leib benutzte, begonnen hatte. Das ist die Berufung der Kirche.
Siehst du, warum Christus jetzt auf der Erde begrenzt ist? Sein neuer Leib (die Gemeinde) hat Glieder und Organe, die entweder...