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E-Book

Wenn Essen nicht satt macht

Emotionales Essverhalten erkennen und überwinden

AutorJennifer Taitz
VerlagBALANCE buch + medien- verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783867398497
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Wer kennt das nicht: Essen, ohne wirklich hungrig zu sein, als Mittel gegen Frust, Langeweile oder Stress. Die DBT-Therapeutin Jennifer Taitz erklärt verständlich und mit vielen Fallbeispielen die psychologischen Aspekte von Nahrungsaufnahme und übermäßigem Essen. Sie vermittelt auch denen, die schon alle möglichen Diäten als Mittel gegen ihre unkontrollierte Gewichtszunahme versucht haben, effektive Fertigkeiten, um ihr Gewicht zu reduzieren. Basierend auf Erkenntnissen und Methoden der Kognitiv-Behavioralen Therapie zeigt dieses Buch, wie über den konstruktiven Umgang mit Ärger und Stress der Weg zu einem gesunden Essverhalten ohne Kalorien zählen frei wird.

Dr. Jennifer L. Taitz promovierte am New Yorker Albert Einstein College für Medizin. Sie arbeitet als klinische Psychologin am Amerikanischen Institut für kognitive Therapie, wo sie Individual und Gruppentherapien anbietet und das DBT Programm leitet.

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Leseprobe

Emotionen und Essverhalten erkennen und verstehen


Es fällt den Menschen schwer, sich von ihren Leiden zu befreien. Aus Angst vor dem Neuen leben sie lieber weiterhin mit dem Leid – weil sie es bereits kennen.

Thich Nhat Hanh

Noch ein berühmtes Experiment: 1978 beschäftigte sich eine Gruppe von Psychologen mit dem Thema Glück. Sie befragten Gewinner der Lotterie des Bundesstaats Illinois sowie Menschen, die einen schweren Unfall erlitten hatten und teilweise vom Hals abwärts gelähmt waren (vgl. BRICKAM, COATES und JANOFF-BULMANN 1978). Daneben wurde eine Kontrollgruppe zusammengestellt, deren Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip über das Telefonbuch ausgewählt wurden. Die Forscher befragten alle Studienteilnehmer, wie glücklich sie sich in der Vergangenheit und Gegenwart fühlten und wie viel Glück sie von der Zukunft erwarteten. Daneben wurden die Teilnehmer beider Gruppen auch befragt, wie glücklich sie alltägliche Aktivitäten machten, zum Beispiel das Lesen einer Zeitschrift oder das Gespräch mit einem Freund.

Die Psychologen fanden heraus, dass die Lotteriegewinner – wie man sich fast denken kann – sehr glücklich über ihren Gewinn waren, während die Unfallopfer unter ihren schweren Verletzungen litten. Bemerkenswert ist allerdings Folgendes: Beim Vergleich der Lotteriegewinner mit der nach dem Zufallsprinzip zusammengestellten Kontrollgruppe stellten die Forscher keine Unterschiede im aktuellen und für die Zukunft erwarteten Glücksempfinden fest. Nachdem das erste Glücksgefühl nach dem Gewinn verschwunden war, fühlten sich die Lotteriegewinner nicht glücklicher als die Nichtgewinner. Besonders interessant: Die Lotteriegewinner beschreiben sich bei alltäglichen Aktivitäten als deutlich weniger glücklich als die Teilnehmer der beiden anderen Gruppen.

Ich möchte dieses Buch nicht elegisch beginnen, aber die Frage ist natürlich schon, ob wir eigentlich wissen, was uns echte Freude schenkt. Wir denken vielleicht: Wenn ich nur diesen Sportwagen hätte, ein Haus auf Hawaii oder einen Käsekuchen, dann wäre ich der glücklichste Mensch auf Erden! Die Forschung aber zeigt, dass es sich anders verhält. Timothy WILSON und Daniel GILBERT erklären dazu: »In der Regel wird die Freude – oder die Enttäuschung –, die ein zukünftiges Ereignis bringen wird, falsch eingeschätzt. Als Folge dessen setzen sich die Menschen oft mit aller Kraft für etwas ein, das ihr Glücksgefühl letzten Endes gar nicht erhöht.« (2005, 131)

Woher wissen wir eigentlich, was wir wollen? In den meisten Fällen treffen wir unsere Entscheidungen aus dem Bauch heraus oder aufgrund von Einschätzungen, wie wir uns zukünftig fühlen werden (vgl. WILSON und GILBERT 2005). Aber diese Einschätzungen treffen nicht immer zu. Wir können mit unserer Prognose, wie positiv oder negativ wir auf ein Ereignis reagieren werden, sogar ausgesprochen schiefliegen.

Häufig schätzen wir nicht nur falsch ein, wie viel Freude wir empfinden werden, wir unterschätzen auch, was wir ertragen können. Haben Sie nicht auch schon einmal gedacht »Das überlebe ich nicht!« und sind letzten Endes viel besser mit der Situation zurechtgekommen, als Sie erwartet hatten?

Auch unsere Entscheidungen, wie wir mit unangenehmen Emotionen umgehen und unsere Erwartung, wie viel Genuss wir aus dem Essen ziehen können, basieren auf solchen Gefühlsprognosen. Und diese Vorhersagen sind eben eher ungenau. Auf den kommenden Seiten werden wir einige unserer Überzeugungen über das Jammertal der Gefühle und die Höhenflüge des Essens auf die Probe stellen. Ich möchte Sie bitten, diese Vorstellungen und Glaubenssätze achtsam zu registrieren und einfach nur als das betrachten, was sie sind.

Was heißt eigentlich emotionales Essverhalten?


Die meisten von uns wissen, was man essen sollte und wann. Es gibt zu diesem Thema genügend Informationen. Häufig aber besteht ein Missverhältnis zwischen dem, was wir wissen und dem, was wir tun. Auch wenn wir die Fakten kennen – eine Entscheidung wird immer auch aus dem Bauch heraus getroffen. Viele Menschen, die Probleme mit ihren Emotionen haben, zeigen auch ein problematisches Essverhalten. Der Begriff »emotionales Essverhalten« zeigt an, dass das Essen von Gefühlen gesteuert wird, von angenehmen wie von unangenehmen.

Unsere Emotionen wirken auf die verschiedensten Aspekte unseres Essverhaltens: warum wir essen, was wir essen, wo und mit wem wir essen und wie schnell. Wer viel isst, tut dies nicht immer aus echtem Hunger. Oft essen Gefühle mit. Aber nicht jeder, der aus emotionalen Gründen isst, hat Übergewicht. Auch schlanke Menschen versuchen ihren emotionalen Empfindungen aus dem Weg zu gehen, durch Essen oder durch ständige Beschäftigung mit ihrer Figur und ihrem Gewicht. Hier sind einige Beispiele, wie sich emotionales Essverhalten äußern kann:

  • Essen ohne Hungergefühl oder trotz einer gewissen Sättigung
  • Heißhunger auf ein bestimmtes Essen
  • Kein Sättigungsgefühl, trotz einer ausreichenden gesunden Mahlzeit
  • Hastiges in den Mund schieben von noch mehr Essen, bevor der letzte Bissen heruntergeschluckt ist
  • Emotionale Entspannung durch Essen
  • Essen in oder nach Stresssituationen
  • Betäubung von Gefühlen durch Essen
  • Allein essen, damit andere es nicht mitbekommen

Menschen, die aus emotionalen Gründen essen, versuchen sich dadurch meist zu beruhigen oder sich kurzfristige Erleichterung von unangenehmen Gefühlen zu verschaffen. Manche greifen zu bestimmten Leckereien, wenn sie Stress haben. Emotionsgesteuertes Essverhalten ist verknüpft mit Gefühlen der Unzulänglichkeit (vgl. WALLER und OSMAN 1998). Manche Empfindungen können so stark sein, dass sie das Bedürfnis wecken, ihnen durch die Aufnahme von Essen augenblicklich zu entfliehen. Wir glauben, kein anderes Mittel zur Hand zu haben, um dem Stress standzuhalten.

? Wie steht es mit Ihren eigenen Erfahrungen? Empfinden Sie durch Essen echte und nachhaltige Entspannung? Oder ist die Erleichterung nur flüchtig oder bestenfalls partiell?

So wie wir vielleicht aus Gewohnheit den Fernseher einschalten, Alkohol trinken oder shoppen gehen, stellt auch das Essen einen kurzfristigen Ablenkungsversuch dar. In diesem Kapitel werden Sie lernen, Ihre Gefühle besser zu verstehen, damit sie Ihnen weniger unangenehm sind und Sie sich ihnen weniger ausgeliefert fühlen.

Was sind Essstörungen?


Emotionales Essverhalten ist keine Essstörung im eigentlichen Sinne, sondern nur ein häufiges Symptom bei Essstörungen. Emotionsgesteuertes Essverhalten tritt auf bei Binge-Eating, Fettleibigkeit und Bulimie (vgl. z. B. LINDEMANN und STARK 2001). Ob Sie nun tatsächlich unter einer Essstörung leiden oder eher nicht – ich werde von Zeit zu Zeit auf die echten Essstörungen zurückkommen müssen, um darzustellen, welchen Einfluss Gefühle auf die Verhaltensweisen bei Essstörungen haben. Dazu erläutere ich zunächst kurz, wie im DSM-4, dem Diagnostischen Statistischen Manual psychischer Erkrankungen, Essstörungen kategorisiert werden.

Magersucht ? impliziert eine Überbewertung der Figur und des Gewichts. Magersuchtpatientinnen definieren ihr Selbstbewusstsein in erster Linie über ihr Gewicht. Bei dieser Essstörung versuchen die Betroffenen, ein unnatürlich niedriges Körpergewicht zu halten (weniger als 85 % des Normalgewichts). Ein Kriterium für die Diagnose Magersucht ist das Ausbleiben der Menstruation – als Resultat der mangelhaften Ernährung.

Bulimie ? impliziert ebenfalls eine Überbewertung des Gewichts und der Figur und geht einher mit drastischen Maßnahmen, um den Körper unter Kontrolle zu halten. Bulimiepatienten leiden immer wieder unter Heißhungerattacken und nehmen dabei große Mengen an Nahrung zu sich. Diese »Fressattacken« erleben sie als Kontrollverlust und versuchen durch bestimmte kompensatorische Verhaltensweisen, die exzessive Kalorienaufnahme »wiedergutzumachen«, indem sie die Nahrungszufuhr radikal begrenzen, Erbrechen herbeiführen, sportlichen Überehrgeiz entwickeln oder Abführmittel missbrauchen.

Sonstige Essstörungen ? sind die am häufigsten beobachteten Störungen. Diese Kategorie beschreibt krankhafte Essstörungen, die weder Kriterien der Bulimie noch der Magersucht aufweisen. Wenn zum Beispiel bei einer Frau mit gesundem Körpergewicht die Gedanken immer wieder um ihre Figur kreisen, kann eine Essstörung vorliegen. Ebenso würde man einem Mann, der sehr auf seine Figur fixiert ist, Diät hält, dabei aber nicht weniger als 85 % des Normalgewichts wiegt, eine nicht näher bezeichnete oder sonstige Essstörung attestieren.

Binge-Eating ? gehört zu den sonstigen Essstörungen. Darunter versteht man wiederkehrende Heißhungerattacken ohne kompensatorische Anstrengungen, das Gewicht unter Kontrolle zu halten. Diese Störung geht oft mit Übergewicht einher – obwohl sie auch bei Menschen mit Normalgewicht auftreten kann. Im Gegensatz zur Magersucht oder Bulimie, die überdurchschnittlich viele Frauen und Mädchen betrifft, ist etwa ein Drittel der Binge-Eater männlich.

Verwenden wir einen Moment darauf, Binge-Eating von subjektivem Gefühl, zu viel gegessen zu haben, zu unterscheiden. Beim Binge-Eating wird eine objektiv große Menge Nahrung verzehrt, begleitet von einem wachsenden Gefühl des...

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