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Transzendenz und Immanenz Gottes bei Giordano Bruno

AutorGerhard Lechner
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl156 Seiten
ISBN9783656699316
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Doktorarbeit / Dissertation aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Philosophie - Philosophie der Neuzeit (ca. 1350-1600), Note: Befriedigend, Universität Wien (Philosophie), Sprache: Deutsch, Abstract: Bis in unser Jahrhundert sind die Einschätzungen über Giordano Bruno sehr ambivalent. Von den einen wird er gefeiert als Wegbereiter der neuzeitlichen Philosophie und als wichtiger Vertreter der damals aufkommenden naturwissenschaftlichen Bewegung, die von Kopernikus ausging. Von anderen wird er als magisch verbrämter, unsystematisch-spekulativer Obskurantist verworfen. Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, ob und wie Gott in der Philosophie Brunos gedacht wird. Hierbei kann eine sehr starke Ambivalenz in der Sekundärliteratur festgestellt werden. Teile der Forschung sehen bei Bruno einen Pantheismus (siehe Hirschberger), andere erkennen bei ihm einen stark platonischen bzw. neuplatonischen Bezug beim Gottesbegriff. Zunächst soll die Frage des Gottesbegriffes als solche im gesamten Werk Brunos herausgearbeitet werden. Manche Interpreten wollen auch eine Wende hin zum Pantheismus im Spätwerk (in den lateinischen Schriften) erkennen. Verweise zu Gott finden sich in allen Werken. Zentrale These dieser Arbeit ist es, dass bei Bruno eindeutig von einem neuplatonischen Gottesbegriff gesprochen werden kann. Gott geht nicht vollständig in der Natur auf, sondern die Transzendenz Gottes wird in allen Werken systematisch deutlich. Die These des Pantheismus ist jedoch aus mehreren Gründen sehr naheliegend. Diesen Gründen soll in weiterer Folge nachgegangen werden. Bruno betrachtet die Welt als Schatten bzw. als Spiegel Gottes. Das 'Neue' gegenüber antiken bzw. mittelalterlichen Vorstellungen des Neuplatonismus ist die Aufwertung des Begriffes der Materie. Diese bezeichnet Bruno als etwas 'Göttliches' und damit widerspricht er etwa Plotin, der die Materie als das 'Böse' bezeichnete. Bei Plotin ist die letzte Stufe der Emanation die Materie. Sie ist aber nichts 'Göttliches', sondern nur noch Negation des Guten, Prinzip des Bösen und so der Gegenpol des Ur-Einen. Die Materie wird jedoch nicht als konkret stoffliches Ding gesehen, sondern ist ontologisches Prinzip, das als Grundlage aller körperlichen Stofflichkeit dient. Dieser Dualismus der Antike und des Mittelalters wird im Neuplatonismus der Renaissance Schritt für Schritt aufgehoben bis sie bei Bruno schließlich zum 'Göttlichen' erhoben wird. Diese Tatsache ist vermutlich für viele Interpreten der Grund gewesen Bruno in die 'Pantheismusecke' zu stellen. Es sei jedoch drauf hingewiesen, dass das 'Göttlich' nicht mit Gott gleichzusetzen ist. [...]

Gerhard Lechner wurde 1974 in Bad Ischl/Österreich geboren. Er studierte Philosophie und Volkswirtschaft und ist spezialisiert in den Bereichen Neuplatonismus und Hermetik. Beruflich war er bisher in der Finanzbranche tätig und ist seit 2014 bei der FH Joanneum in Graz beschäftigt.

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Leseprobe

2 REZEPTION DER PHILOSOPHIE BRUNOS


 

Ziel dieses Kapitels ist es, die Ambivalenz in der Interpretation der Philosophie Brunos aufzuzeigen.

 

Eine systematische Rezeption des Werkes von Bruno aus dem 17. und dem frühen 18. Jahrhundert liegt nicht vor. Bei Spinoza und bei Leibnitz kann der Einfluss Brunos nicht eindeutig nachgewiesen werden und da Bruno als Ketzer verbrannt wurde, ist eine eingehende Beschäftigung mit seiner Philosophie ausgeblieben. Der Schüler von Jakob Böhme, Abraham von Franckenberg (1593-1652), der selbst Herausgeber von mystischen Schriften war, stellt in seinem „Oculus sidereus“ den späten Bruno vor. Für ihn war Bruno ein platonisierender Pantheist.[5] Diderot und der Baron von Holbach vereinnahmten Bruno für einen aufklärerischen, materialistischen Kampf gegen den Obskurantismus der Kirche. Diderot erwähnt Bruno in seiner Encyclopedie-als einen freien Denker.[6] Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts taucht eine kritische Schrift von Jacobi über „Die Lehre des Spinoza“ auf. Diese Schrift geht aus einer Auseinandersetzung zwischen Jacobi und Lessing hervor. Jacobi bezichtigte Lessing der Anhängerschaft einer spinozistischen bzw. pantheistischen Denkungsart. In der Schrift selbst versuchte Jacobi Spinoza als Pantheisten zu entlarven. Jacobi wollte der Lehre des „hen kai pan“ strikt entgegentreten, weil er dadurch das theistische Gotteskonzept bedroht sah. Ausgangspunkt für Jacobi war eine Übersetzung der Schrift „De la causa, principio e uno“ von Giordano Bruno. Jacobi kennzeichnete diese Schrift als Grundlage für die pantheistische Philosophie Spinozas. Im folgenden sein Kommentar dazu:

 

 „Mein Hauptzweck bey diesem Auszuge ist, durch die Zusammenstellung des Bruno mit dem Spinoza, gleichsam die Summa der Philosophie des „Hen kai pan“ in meinem Buche darzulegen. Bruno hatte diese Schriften der Alten in Saft und Blut verwandelt, war ganz durchdrungen von ihrem Geiste, ohne darum aufzuhören Er selbst zu seyn. Jenes ohne dieses findet sich auch nie. Darum unterscheidet er mit eben so viel Schärfe, als er mit großem kräftigen Sinne zusammenfasst. Schwerlich kann man einen reineren und schöneren Umriß des Pantheismus im weitesten Verstand geben, als ihn Bruno zog.“[7]

 

Was ist nun eigentlich genau unter dem Begriff Pantheismus“ zu verstehen? „Ein Pantheist ist ein vornehmer Atheist“ meinte Arthur Schopenhauer.[8] Sehr häufig wurde der Pantheismus mit dem Atheismus in Verbindung gebracht. Pantheisten galten häufig als Materialisten bzw. als Atheisten. Im Historischen Wörterbuch der Philosophie wird der Begriff Pantheismus näher beleuchtet, der erstmals 1709 vom Theologen J. De la Faye in einer gegen J. Toland geführten Streitschrift verwendet wurde. Toland meinte zum Pantheismus in seinen „Origines Judaicae“:

 

„es gebe kein von der Materie und diesem Weltgebäude unterschiedenes göttliches Wesen, und die Natur selbst, d.i. die Gesamtheit der Dinge, sei der einzige und höchste Gott“ [9]

 

Für Toland gibt es keine Transzendenz Gottes. Im Begriff des Pantheismus wird Gott vollständig immanent gedacht. Bei Hügli findet sich eine ähnliche Definition: Pantheismus wird als:

 

„Lehre, nach der das Seiende und Gott eine Einheit bilden, die Welt (das All) und Gott nicht voneinander getrennt werden können.“[10] Von diesem Begriff des Pantheismus wird in den weiteren Ausführungen in dieser Arbeit ausgegangen.

 

2.1 BRUNOS REZEPTION IM DEUTSCHEN IDEALISMUS


 

Durch den Pantheismusstreit zwischen Jacobi und Lessing wurden die Schriften Brunos stark rezipiert. Vor allem Schelling und Hegel waren sehr solide Kenner der Philosophie Brunos. Auch Goethe hat sich nachweislich mit Bruno beschäftigt.[11]

 

Schelling gibt 1802 eine Schrift mit dem Titel „Bruno oder über das göttliche und natürliche Princip der Dinge. Ein Gespräch“ heraus. In diesem Werk bezieht sich Schelling auf kein bestimmtes Werk von Bruno. Schellings Quelle war vermutlich die bereits angesprochene Schrift von Jacobi „Über die Lehre des Spinoza“, in der der Brunosche Dialog „De la causa, principio et uno“ enthalten ist. Ziel Schellings ist es, die Behauptung J.G. Fichtes Naturphilosophie und transzendentaler Idealismus stelle einen Widerspruch dar, zu widerlegen. Die Schrift ist, wie in der Renaissancephilosophie üblich, in Dialogform verfasst. Auch Bruno verfasste einige Schriften in dieser Tradition. Im Dialog gibt es vier Teilnehmer: Anselmo, Alexander, Lucian und Bruno. Jeder der vier vertritt jeweils eine philosophische Strömung. Anselmo ist Materialist, Alexander Intellektualist, Lucian Idealist und Bruno Realist.[12] Im zweiten Dialog behandelt Schelling den entscheidenden Punkt seiner Arbeit. Er stellt das Identitätssystem mit seinen drei Momenten- „das Absolute“, „die Natur“ und „der Geist“- dar. Schelling unterscheidet eindeutig zwischen dem Absoluten und den Ideen. Das geht aus folgendem Zitat hervor.

 

„Denn die Idee unterscheidet sich von dem Begriff, der nur ein Teil ihres Wesens zukommt, dadurch, dass dieser bloße Unendlichkeit ist und eben deswegen unmittelbar und der Vielheit entgegengesetzt, jene dagegen, indem sie Vielheit und Einheit, Endliches und Unendliches vereinigt, auch gegen beide völlig gleich sich verhält.“[13]

 

Im Dialog spricht hier Bruno: Dialog dem Wesen nach weder als ideal noch als real, es ist weder Denken noch Sein. Dieses Absolute ist unendlich und das Denken ist mit dem Anschauen schlechthin eins. Die Dinge werden nicht durch die Begriffe unendlich, sondern durch die Ideen.[14] Hier positioniert sich „Bruno“ ganz im Sinne der neuplatonischen Metaphysik. Der begriffliche Unterschied zu Plotin liegt darin, dass Plotin das Absolute mit „Das Eine“ (hen) bezeichnet. Aus diesem Einen geht der Geist (nous) hervor, der der Inbegriff aller Ideen ist. Bei Plotin sind diese beiden Hypostasen (Hen, nous) hierarchisch zu denken. Das Eine ist Einheit und der Geist ist bereits Vielheit.[15]

 

„Bruno“ verwendet hier anstelle des Wortes „Absolutes“ den Terminus Begriff. Die Idee ist Vielheit und Einheit zugleich. Das ist ein Gedanke von Plotin und ursprünglich auch von Platon, denn in allen Dingen, die aus der „ersten Einheit“ (hen) stammen, ist die Einheit enthalten. Die Idee kann als eine Einheit bezeichnet werden, die eine Vielheit in sich hat.[16]

 

Für diese Arbeit ist beim genannten Zitat entscheidend, dass Schelling beim historischen Giordano Bruno wohl von der Transzendenz Gottes ausgegangen ist. Schelling spricht im Dialog durch Bruno. Es wird zu zeigen sein, dass Bruno in der Schrift „Über die Ursache, das Prinzip und das Eine“, die Schelling von ihm gekannt hat, tatsächlich von dieser Transzendenz ausgeht und diese immer mitdenkt. Die Auffassung Schellings kann 1802 damit schon als neuplatonisch bezeichnet werden.

 

Wie steht es aber nun mit den endlichen Dingen im Dialog? Schelling lässt hier wiederum Bruno sprechen:

 

„Wie nun das Endliche in jener absoluten Ewigkeit, die wir mit anderen auch Vernunftewigkeit nennen können, begriffen sei, ohne dass es für sich selbst aufhöre, endlich zu sein, habe ich früher genug begreiflich gemacht, o Freund. Ist also das Endliche, obwohl für sich selbst endlich, gleichwohl bei dem Unendlichen, so ist es auch als Endliches, mithin nicht zwar in Ansehung des Unendlichen, aber für sich selbst relative Differenz des Idealen und Realen, und setzt dieser Differenz erstens sich selbst und seine Zeit, hernach auch die Wirklichkeit aller Dinge, deren Möglichkeiten in seinem Begriff enthalten ist.“[17]

 

Hier wird die Problematik der Transzendenz und Immanenz Gottes deutlich. Auch Schelling hat diese Problematik im neuplatonischen Sinne gelöst, wie aus dem Zitat hervorgeht.[18]

 

Hegel bezieht sich in seinen „Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie“ auf „De la causa, principio et uno“ aus dem Jahr 1584. Offensichtlich war ihm diese Schrift im Original bekannt. Ansonsten bezieht er sich auf die Übersetzung Jacobis. Hegel meint zu Bruno: „Dieses System Brunos ist so ganz objektiver Spinozismus; man sieht wie tief er eingedrungen ist.“[19]

 

Für Hegel ist Brunos Hauptidee die Einheit von Form und Materie in allem, die auch Jacobi hervorhebt.[20] Dies scheint zunächst wieder eher auf eine pantheistische Auffassung hinzudeuten. Auf der anderen Seite sagt Hegel (Bruno zitierend):

 

„Das Universum, die...

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