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E-Book

Erinnerungen

'Herr, mein Leben, es sei dein ...'

AutorRichard Fehr
VerlagVerlag Friedrich Bischoff
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl384 Seiten
ISBN9783945410059
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
In diesem wertvollen Buch schreibt Stammapostel Richard Fehr über sein Leben und Wirken in der Neuapostolischen Kirche. In seiner offenen, herzlichen und humorvollen Art berichtet er über seine Kindheit und Jugendjahre und über seine Amtstätigkeit von der Ordination zum Unterdiakon bis zu seinem Wirken als Stammapostel. Dabei erfährt der Leser auch manche Begebenheiten und Ereignisse, die bislang nur Wenigen bekannt sein dürften. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf den Erinnerungen zwischen 1987, als er zum Stammapostelhelfer berufen wurde, und seiner Ruhesetzung als Stammapostel an Pfingsten 2005. Angereichert mit vielen, teilweise bislang nicht veröffentlichten Bildern ruft dieses Buch eine bewegte und bewegende Zeit in unser Gedächtnis zurück.

Richard Fehr, geboren 1939/gestorben 2013, war Stammapostel in der Neuapostolischen Kirche von 1988 bis 2005. Er öffnete die Kirche für den ökumenischen Dialog und initiierte eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit. Zahlreiche Stellungnahmen zu Gegenwartsfragen gehen ebenso auf ihn zurück wie die Erstellung eines Katechismus der Neuapostolischen Kirche. Die Mitgliederzahl der Neuapostolischen Kirche verdoppelte sich während seiner 17-jährigen Amtszeit als Stammapostel.

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Leseprobe

Kapitel 1


Vom „ersten Schrei“ bis zur Heirat


Mein Buch „Erinnerungen aus meiner Amtszeit“ war praktisch fertig erarbeitet, als ich vom Verlag gebeten wurde, doch noch einige Seiten über meine Kindheit und Jugendzeit zu schreiben. Also sozusagen vom „ersten Schrei“ auf dieser Erde bis zu meiner Heirat. Nun, an den ersten Schrei vermag ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Es muss ein sehr warmer Tag gewesen sein, denn man schrieb den 15. Juli des Jahres 1939, also wenige Wochen bevor der Zweite Weltkrieg ausbrach.

An meine Heirat kann ich mich dagegen noch sehr gut erinnern, denn ich vermählte mich mit der „besten und schönsten Frau der Welt!“. War das Fügung oder Gnade? Wohl beides! Und wenn ich nochmals von vorne beginnen könnte, würde ich genauso handeln – vorausgesetzt, dass meine Frau mitmachen würde, was ich doch leise hoffe.

Ich wuchs in Flaach, einem kleinen Dorf im Zürcher Weinland auf, und zwar in recht bescheidenen Verhältnissen. Mein Vater bewirtschaftete einen kleinen Landwirtschaftsbetrieb. So wuchs ich auf im engen Kontakt mit Kühen, Hühnern, Hund und Katze und musste natürlich auch auf dem Feld und im Stall mitarbeiten. Um uns herum tobte der größte Krieg, von dem ich in den ersten Lebensjahren eigentlich wenig mitbekam. Ich erinnere mich nur noch, dass mein Vater und ich einmal auf dem Feld zuschauten, wie amerikanische Kampfflugzeuge in einem Staffelverband über uns hinwegflogen und Ziele im nahen Grenzraum zu Deutschland angriffen. Für mich als fünfjährigen Jungen war das ein interessantes Spektakel. Erst später erfuhr ich, dass dabei auch die Stadt Schaffhausen bombardiert worden war, weil diese „über dem Rhein“ lag und die Piloten anscheinend meinten, dies sei schon Deutschland.

Hier bei unseren ersten Schritten war es uns nicht so klar, dass nach ca. tausend Wochen aus uns werden sollt ein Paar

Die Primar- und Sekundarschule absolvierte ich in Flaach. Darüber gibt es nicht viel zu berichten. Meine Lieblingsfächer waren nicht Rechnen und Grammatik, sondern vielmehr Geschichte und Geografie. Beim Erlernen von fremden Sprachen – Französisch und später Englisch – gaben meine Eltern mir auf den Weg: „Junge, das brauchst du in deinem Leben sowieso nicht. Wir waren in unserer Schulzeit darin auch keine Asse.“ Erst viel später erlebte ich die etwas bittere Konsequenz dieser Ansicht. Leider blieb auch vor lauter Mitarbeit in der Landwirtschaft wenig Zeit für die Hausaufgaben nach der Schule.

In meine Schulzeit – insgesamt neun Jahre – fiel ein Ereignis, das mein ganzes späteres Leben prägte: Mit 12 Jahren musste ich meine liebe Mutter an die Ewigkeit abgeben. Oft sah ich, wie sie ihre letzten Kräfte aufbot, um die Arbeit in Haus und Hof zu tun, obwohl sie von der Krankheit schon gezeichnet war. Tief im Innern litt ich mit. Der erste tote Mensch, dem ich ins Antlitz sah, war meine Mutter. Ich konnte es nicht fassen, dass sie nicht noch einmal die Augen öffnete und ein Wort zu mir sprach. Für meine Mutter war ihr Heimgang wohl eine Erlösung; für mich aber Ursache mancher durchweinter Stunden in vielen Nächten.

Damals waren wir neuapostolischen Christen im Dorf noch sehr verachtet und gemieden. So wurde denn auch die reformierte Kirche für diese „Sektierer“ nicht geöffnet. Aus jedem Haus im Dorf nahm traditionsgemäß mindestens eine Person am Begräbnis teil. Es war also eine große Trauergemeinde. Unser Kirchlein in Flaach mit seinen gut 40 Plätzen wäre auch viel zu klein gewesen. Nach der Trauerfeier gab es im ganzen Dorf heftige Vorwürfe gegen das Pfarramt und die Kirchenpflege. Der Tenor: „Ihr habt ja zum größten Teil unsere eigenen Leute aus der Kirche ausgeschlossen. Und übrigens: Der Prediger der ‚Neuapostolen‘ hat eine Trauerfeier gehalten, von der unser Pfarrer noch einiges lernen könnte.‘ “

Einige Zeit später erschien mir meine Mutter im Traum. Ihr Antlitz leuchtete wie die Sonne, und bekleidet war sie mit einem wirklich überirdisch anmutenden blauen Kleid voller goldener Sterne. Mit liebevollem Blick winkte sie mir zu und verschwand. Dieser Traum gab mir aber für die künftige Zeit viel Kraft.

Eine kleine Episode aus meiner Kindheit:

Eine Tante von mir lebte in Australien. Für mich war dies damals noch kein Begriff, lernten wir in der Schule doch hauptsächlich die Geografie der Schweiz und angrenzender Länder kennen. Man sagte mir: „Wenn du ein Loch bohren könntest mitten durch die Erde, so würdest du auf der anderen Seite bei deiner Tante in Australien herauskriechen können.“ Flugs darauf ging ich in den Garten und schaufelte ein Loch, vielleicht einen Meter tief. Noch tiefer ging es nicht, denn ich war noch zu klein. Dies hatte zwei Dinge zur Folge: Erstens Schläge, denn ich hatte den halben Garten verwüstet; und zweitens fand ich eine kleine Münze. Mit dieser ging ich zu einem meiner Lehrer, der auch Geschichtsforscher war. Er meinte, die Münze sei wohl nicht viel Wert, stamme aber aus der Zeit, in der Napoleon die Schweiz besetzte. In einem Aufsatz in der Schule ließ ich dann meiner Phantasie freien Lauf und versuchte, die Geschichte dieser Münze zu erzählen: durch wie viele Hände sie wohl gegangen sei und was sie alles bewirkt habe. Ergebnis für diesen Aufsatz: Bestnote! Napoleon hatte zu seiner Zeit das Gebiet der heutigen Schweiz mitbestimmt. Savoyen, das Veltlin, Mulhouse im Elsass usw. gingen „verloren“; dafür erhielt die Schweiz von Preußen Neuenburg. Nun ja, ich würde dann, wenn wir alle „drüben“ sind, dem Napoleon noch etwas zu erzählen haben.

Nach dem Tod meiner Mutter blieb mein Vater leider den Gottesdiensten fern. Eine Tante, die im gleichen Haus wohnte, nahm sich meiner an und ersetzte mir Vater und Mutter. Unsere kleine Gemeinde in Flaach, 40 Gläubige, brauchte dringend einen Harmonium-Spieler. Und so lernte ich schlecht und recht schon als Vierzehnjähriger Lied um Lied und spielte innerlich zitternd am Mittwoch und Sonntag nicht die Orgel, sondern das „Tret-Harmonium“. In jener Zeit fehlte niemand in einem Gottesdienst, außer er oder sie wäre sehr schwer erkrankt gewesen. Also praktisch hundertprozentiger Gottesdienstbesuch. Wäre dies nur heute überall noch so …

Mein Vorsteher war auch mein Onkel. Schlug ich mich tapfer, so war das nichts als normal; machte ich aber mal einen Fehler, so gab es meist ein kleines Donnerwetter. Geschadet? Beileibe nicht!

Hier noch ein kurzer Rückblick auf die Entstehung der kleinen Gemeinde:

Ein 18-jähriger Jüngling aus Hüntwangen kam mit dem Fahrrad nach Flaach, um in diesem Dorf Zeugnis zu geben. Es war Rudolf Schneider, der spätere Apostel. Als erstes klopfte er an das Haus Fehr und sprach mit meiner Großmutter väterlicherseits. Sie war die strenggläubigste Methodistin des gesamten Tales. Rudolf Schneider wurde von meiner Großmutter etwas herablassend hereingebeten mit den Worten: „Junge, komm mal, ich will prüfen, wie weit du die Bibel kennst.“ Nach einem langen Gespräch kam meine Großmutter zu den ersten Evangelisations-Zusammenkünften – und blieb. Sie wurde als Erste in der ganzen Region versiegelt. Aus den großen Familien Fehr und Fritschi entstanden die Gemeinden Andelfingen und Flaach.

Mit dem Fahrrad fuhr ich zu den Jugendstunden. Sie fanden in der Gemeinde Hüntwangen statt. Dies war die Hauptgemeinde unseres Ältestenbezirkes, aus dem viele Apostel und Bischöfe hervorgegangen sind, ja auch ich. In jener Gemeinde lernte ich meine Frau Sonja kennen. Sie wollte für ein Jahr zu einem Sprachaufenthalt nach London. Der damalige Bischof Keller, den ich viele Jahre später zu Grabe trug, riet ihr davon ab – natürlich ohne Begründung. So war das eben damals! So kam Sonja von einem Aufenthalt in Montreux am Genfer See zurück. Wer weiß, ob durch das geplante England-Jahr vieles oder manches anders gekommen wäre? An einem Jugendabend las sie eine für heutige Begriffe etwas rührige Geschichte aus der damaligen kleinen Zeitschrift „Christi Jugend“ vor. Sonja gefiel mir weit besser als die Geschichte! Nach der Jugendstunde kamen wir ins Gespräch. Sie meinte, ich sei eine etwas „untreue Tomate“, weil ich nicht an jeder Jugendstunde teilnähme. Nun, ich wollte ihr das Gegenteil beweisen und kam bei jedem Wind und Wetter die doch etwa 15 Kilometer mit dem Fahrrad nach Hüntwangen.

Wer uns hier betrachtet, der weiß ganz genau: Diese beiden sind geschaffen, um zu werden Mann und Frau

Einige Zeit später lag ich mit Fieber im Bett. Und was geschah? Ich erhielt einen Brief von Sonja mit Wünschen für eine gute Besserung. Was sonst noch drinstand? Das geht niemand was an! Nur das Eine: Sie berichtete, ihr Onkel hätte am Mittwoch einen Gottesdienst in Glattfelden gehalten und das und das erwähnt. Ich erkundigte mich: „Wer war denn am Mittwoch in jener Gemeinde?“ Die Antwort:...

Blick ins Buch

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