Ligurien und Toskanaküste
Das Land und seine Produkte
Im Nordwesten, wo der Stiefel Italiens sich zur Stulpe weitet, erstreckt sich Ligurien, den Golf von Genua umarmend. Daran schließen sich die Küstengebiete der Toskana an, von den Marmorsteinbrüchen Carraras bis hin zur Maremma, dem Marschland im Südosten. Die schmale, nach Süden orientierte Küste Liguriens ist zerklüftet und steigt rasch zum Gebirge an, läßt kaum Platz für Viehzucht und ausgedehnten Ackerbau. Als Entschädigung ist sie reich an schönen Küstenorten und glänzt mit Obst und Gemüse aus winzigen Gärten und schmalen Terrassen. Das milde Klima läßt alles früh gedeihen, begünstigt eine üppige Blumenzucht (vor allem Nelken und Rosen), den Anbau von Spargel, Erdbeeren und Zitrusfrüchten.
Vom Gipfel des Mesco bis zum Montenero reicht ein Abschnitt der Riviera, der als Cinqueterre bekannt ist. Fünf Ortschaften an der steilen Felsküste bilden ein abgegrenztes, vom Land aus schwer zugängliches Gebiet, in dem die ligurische Kultur fast unverfälscht erhalten geblieben ist.
Die Toskanaküste zeigt einen Wechsel von langen Sandstränden, Vorgebirgen, felsigen Vorsprüngen und sichelförmigen Sandstreifen. Die Flüsse haben an ihren Mündungen Ebenen aus Sand aufgeschüttet: Das Meer reichte früher viel weiter ins Land hinein. So war Pisa im Mittelalter eine der größten Seemächte, der Arno bis zur Stadt schiffbar. Heute erstreckt sich vor der Stadt eine weite Ebene zum Meer, Schwemmland des Arno. Sein Mündungsdelta liefert eine Spezialität von Pisa: Le Cee, junge, noch durchsichtige Aale, vom Ufer aus mit großen Netzen gefangen, werden in Olivenöl mit Salbei gebraten.
Einen eigenen Charakter zeigt die Maremma, bis vor wenigen Jahrzehnten noch »die Bittere« genannt. Das einstige Sumpfgebiet wurde erst im letzten Jahrhundert trockengelegt, vorher mußten die Bewohner in den Bergen aus kargem Boden Land schaffen, das sie bewirtschaften konnten. Jetzt ist die Maremma Kulturland, statt Schafzucht bestimmen heute Getreide, Olivenhaine und Weinanbau den Erwerb.
Fischfang, Olivenanbau und vor allem die wilden Kräuter aus den Bergen prägen die Küche Liguriens. Sie war immer einfach, überwiegend vegetarisch – Italiener nennen das »di magro«. Doch die Schlichtheit der Zutaten wird durch zeitaufwendige und liebevolle Zubereitungen wieder wettgemacht. Zum Kochen und Braten wird vorwiegend das besonders aromatische ligurische Olivenöl verwendet. Zwei Zutaten charakterisieren die Rezepte dieser Region: Fisch und die Kräuter, die überall auf den Hügeln wild wachsen oder in den Gärten gezogen werden. Fisch wird nur als gut eingestuft, wenn er aus dem Golf von Genua stammt. Obwohl heute die Fänge eher mager sind und den Gästen schon mal tiefgekühlter Fisch vorgesetzt wird. Auch die Küste der Toskana am Thyrrhenischen Meer sorgt für frischen Fisch, Schal- und Krustentiere. Die Fischsuppe aus Livorno, der Cacciucco, gehört zu den besten ihrer Art. Daneben spielt die Jagd eine wichtige Rolle, Rezepte mit Kaninchen sind sehr beliebt. Pastagerichte tauchen nur in einigen regionalen Varianten auf.
Die Liebe der Ligurer zu ihrer intensiv kräutergewürzten Küche kann man gut verstehen, wenn man sich vorstellt, wie früher die Seefahrer nach dem kargen Essen auf See, nach Salzfisch und Zwieback, bei glücklicher Heimkehr den Duft von Basilikum, Salbei, Rosmarin und Majoran in die Nase bekamen, die würzigen Gemüse auf den Feldern sahen. So gehört der Pesto aus Basilikum, Olivenöl, Knoblauch, Pinienkernen und Käse zu den berühmtesten Zutaten. Doch nirgends schmeckt er so wie hier: Das ligurische Basilikum ist eine kleinblättrige und würzige Sorte, ganz anders als die großblättrige Art, die es bei uns zu kaufen gibt.
Drei Verwendungen kennen die Ligurer für Pesto: in einer – hier besonders dicken und gemüsereichen – Minestrone, als schmelzende Würze auf heißen Trenette (Bandnudeln) und als Sauce zu Trofie, den genuesischen Gnocchi.
Würzige Kräuter gehören auch in den Genueser Salat Cappon magro, übersetzt »magerer Masthahn«, an sich ja schon paradox. Noch mehr, als dafür nicht Geflügel verwendet wird, sondern Fisch, Meeresfrüchte und viel Gemüse.
Menschen, Feste, Sehenswertes
Die Menschen Liguriens sind so verschieden wie ihre Landschaft. An der Küste kontaktfreudig und fortschrittlich, seit jeher weltoffen und auf der Suche nach neuen Kontinenten. So ist es nicht verwunderlich, daß Christoph Kolumbus ein Sohn Genuas ist. Oft erscheint die Seele der Ligurer gespalten: Sie lieben das Abenteuer und die Ferne und haben gleichzeitig einen starken Bezug zu ihrem Land, ihren Freunden und ihrer Kultur. Die ligurische Küche hat den Beinamen »Cucina del ritorno«, die Küche der Wiederkehr, geprägt von der Sehnsucht der Seefahrer nach ihrer Heimat, nach Kräutern und Grün.
Die Bevölkerung des Hinterlandes dagegen ist ernst, verschlossen, zurückhaltend und vom harten Existenzkampf geprägt. Die Dörfer sind oftmals wie Adlerhorste an die schroffen Felsen gebaut, die Häuser schmal, die Gassen eng und steil. Selten verirrt sich ein Tourist einmal ins Hinterland – ganz im Gegensatz zur Küste, wo es in den Sommermonaten schon sehr lebhaft zugeht.
Die Toskaner stehen in enger Beziehung zu ihrer Landschaft. Überall ist ihr Wirken spürbar, ordnend greifen sie mit sparsamsten Mitteln in die Natur ein, geben ihr ein eigenes Gepräge. Man sagt, sie seien geizig und mißtrauisch, aber auch wach und witzig.
Die ganze Küste entlang reihen sich bekannte Dörfer und Städtchen, in denen man unter freiem Himmel gut essen kann. Namen wie Finale Ligure, San Remo, Portofino, Cinqueterre, Viareggio, Pisa und Livorno verraten, daß eine der Haupteinnahmequellen der Küste der Tourismus ist. Doch wer dem Rummel entfliehen will, findet schon wenige Kilometer weiter im Landesinneren paradiesisch gelegene Dörfer, in denen es sich gut und günstig leben läßt. Auf jeden Fall gehört der Besuch einer Bar zur Lebensart, schließlich hat Italien jede Menge Aperitifs zu bieten, die dem Menü den nötigen Platz schaffen sollen.
Was man sich ansehen könnte: In Pontedassio (Ligurien) das Spaghetti-Museum in der Residenz der Agnesi, wichtiger Teigwarenproduzenten. Hier werden alte und moderne Maschinen für die Pastabereitung gezeigt sowie Dokumente über die verschiedenen Sorten, die bis ins 13. Jh. zurückreichen. In Cassago gibt es ein Bauernmuseum, das Schüler eingerichtet haben, die wissen wollten, wie ihre Großeltern lebten. Sehenswert ist auch der Markt von Chiavari, der an jedem Freitag stattfindet. Er gilt als einer der schönsten und buntesten.
Die Feste: Santa Margherita Ligure bei Genua feiert am 19. März den Frühling. Am Strand gibt es dann Eierkuchen mit Fisch, Kräutern, Honig und Äpfeln. In Camogli findet am Wochenende um den 13. Mai ein großes Fischfest statt, wo in zwei riesigen Pfannen tonnenweise Fisch ausgebacken wird. Lavagna feiert am 14. August das Volksfest »La Torta dei Fieschi«, bei dem eine riesige Torte – es heißt, es sei die größte überhaupt – zur Erinnerung an eine Adeligenhochzeit vor über 700 Jahren zwischen allen Besuchern aufgeteilt wird. In Belstrino (Provinz Savona) werden 17 verschiedene Olivenqualitäten angebaut. Grund genug, im März ein Fest mit Verkostung und Auszeichnung der besten Oliven und Öle zu feiern, bei dem auch die Zuschauer zum Probieren aufgefordert werden.
Massa an der Toskanaküste feiert jährlich im August ein Winzerfest, bei dem der Wein von Candia ausgeschenkt wird, ein typischer Wein dieser Region, der aber nur in begrenzter Menge gekeltert wird. In der Maremma findet am zweiten Wochenende im Oktober das Reiterfest der Butteri, der berittenen Rinderhirten, statt. Wenn dieses Ereignis auch für die Gäste abenteuerlich hochgespielt ist, gehört doch beträchtliches Geschick dazu, die wilden Rinder mit den riesigen Hörnern zur Marcatura, dem Einprägen des Brandzeichens, zu treiben.
Die Weine
Viel Wein wird nicht erzeugt in Ligurien, obwohl dessen Rebflächen von der französischen Grenze bis zur Toskanaküste im Süden reichen. Die Berge fallen oft so steil zum Meer ab, dass Weinbau nur auf kleinen Flächen überhaupt möglich ist. Und diese sind so mühsam zu bewirtschaften, dass mancher Winzer die Lust daran verloren hat. So kommen kaum einmal Flaschen über die Alpen zu uns. Andererseits gedeihen in dieser Region, die in die Anbauzonen Riviera Ligure di Ponente im Westen und die Riviera di Levante im Osten grob unterteilt wird, tatsächlich über 100 verschiedene Rebsorten.
Am berühmtesten an der Riviera di Levante sind die Cinque Terre, zum Weltkulturerbe erklärt, wo die Weinreben auf winzigen Terrassen wachsen. Oft ist es gerade einmal ein Hektar Rebfläche, den ein Winzer besitzt, und der verteilt sich dann auf zehn kleine Parzellen, die über steile Steintreppen erklommen werden müssen. Die trockenen Weißweine werden aus den Rebsorten Albarola, Bosco und Vermentino gekeltert, duften nach den Kräutern der Macchia, Blüten und Gewürzen mit einem Hauch der salzigen Brise, die das Meer auf die Trauben bläst. Eine Spezialität ist der Sciacchetrà, ein Dessertwein aus angetrockneten Trauben, der goldgelb, schwer und süß ist und nach Honig und Trockenfrüchten schmeckt. Er würde zum Beispiel zu den...