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E-Book

Captain Cork

Das ultimativ andere Weinbuch

AutorManfred Klimek, Rainer Balcerowiak
VerlagHallwag
Erscheinungsjahr2013
ReiheHallwag Allgemeine Einführungen 
Seitenanzahl216 Seiten
ISBN9783833837272
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Wein einmal ANDERS! Captain Cork macht Schluss mit dem Weingeschwätz! Unbeeindruckt von Weingurus und allgegenwärtigen Punktebewertungen spricht er Klartext und hat die besten Tipps für Weineinsteiger und alle, die sich nicht willenlos abfüllen lassen wollen. Kompetent, dabei gleichzeitig unterhaltsam und mit einer gehörigen Portion Humor nimmt Captain Cork den Leser mit auf große Fahrt in die Welt der Weine. Schonungslos räumt er mit den häufigsten Wein-Mythen auf und verrät wissenswerte Fakten und liebenswerte Anekdoten zum Thema. Ausgezeichnete und ungewöhnliche Weinfotografie verdoppelt den Lesespaß!

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Leseprobe

WIR STECHEN IN SEE


Vor der großen Fahrt erzählt der Captain, wie Wein zu dem Getränk geworden ist, das wir so lieben, welche Weine man unbedingt gekostet haben sollte, was man an Hardware benötigt und warum Mythen oft Humbug sind. Er klärt auf, welche Weine zum Essen passen, wie der Wein im Kopf ankommt und warum man den Weintestern misstrauen sollte. Was zählt, ist das Bekenntnis zum eigenen Geschmack.

WAS IST WEIN?


Wein ist ein alkoholisches Getränk aus dem vergorenen Saft von Weintrauben. Eigentlich kann jeder Wein herstellen. Und hat das auch gemacht – ein paar Jahrhunderte lang. Bis dann Kultur und Staat Regeln entwarfen. So wurde Wein zu einem staatlich kontrollierten Kulturgetränk.

WAS IST IM WEIN?

Presst man die Traube aus, bekommt man neben den Schalen und Kernen vor allem Wasser, Zucker, Säure sowie Farb- und Gerbstoffe. Das sind die fünf wichtigsten Komponenten, jede davon (bis auf das Wasser) eine Wissenschaft für sich und Gegenstand teils energisch ausgefochtener Glaubenskriege. Wein ist in den letzten Jahren zu einem von Ideologien und Moden beeinflussten Geschäft geworden.

Bei der Gärung wird Zucker in Alkohol umgewandelt. Nicht der gesamte Zucker, denn fast immer bleibt etwas davon übrig, der sogenannte Restzucker, der meist unterhalb der Wahrnehmungsgrenze verharrt. Ist der Restzucker Teil des Weingeschmacks, spricht man von feinherben, halbtrockenen oder lieblichen (ein Igitt-Ausdruck, der löblicherweise gerade begraben wird) Weinen. Wird der Geschmack durch den Restzucker bestimmt, handelt es sich um Süßwein. Süßweine sind meist Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen, können aber in gewissen Weinregionen und in bestimmten Jahren auch Spätlesen und Auslesen sein. Und diese Unterscheidungen sind erst ein kleiner Teil der Vielfalt, die wir als Weintrinker erleben.

Die Säure ist wichtig, weil sie den Geschmack und die Frische des Weins beeinflusst. Ohne sie wären alle Weine nur spannungslose, schale Getränke. In der Beere kommen drei Säuren vor: Weinsäure, Apfelsäure und Zitronensäure. Bei der Gärung und Verarbeitung entstehen noch minimale Mengen anderer Säuren, etwa Essigsäure, Milchsäure oder Buttersäure. In der Analyse muss meistens nur die Weinsäure angegeben werden, jede der anderen angegebenen Säuren vermag jedoch einen Wein massiv zu beeinflussen. Bis hin zum Weinfehler.

Alkohol ist wichtig, weil er die Säure mildert und die Aromastoffe transportiert. Daraus abzuleiten, dass ein hoher Alkoholgehalt auch mehr Geschmack bedeutet, ist aber schlichtweg falsch. Es gibt zwei Arten von Alkohol im Wein: Ethanol und Methanol. Ethanol ist gut, Methanol hingegen böse, denn Methanol ist giftig. Zur Beruhigung: Methanol kommt im Wein nur in sehr geringer Menge vor. Weine können auf natürlichem Weg knapp 17 Prozent Alkohol erreichen, danach sterben die Hefen ab, sie haben sich praktisch zu Tode gesoffen.

Bei manchen Weinen aus warmen und heißen Regionen ist in den letzten zehn Jahren der Alkoholgehalt teils dramatisch angestiegen. Das ist zum Teil dem Diktat önologischer Moden zuzuschreiben, sehr oft aber auch die Folge des Klimawandels. So endeten beispielsweise im Jahr 2010 manche Bordeaux-Weine (vor allem jene aus der Rebsorte Merlot) nach der Gärung bei mehr als 16 Prozent Alkohol. Im Verschnitt der Sorten kann der Alkoholgehalt zwar gesenkt werden, doch die Entwicklung scheint nachhaltig und auch durch Gegenmaßnahmen wie Laubarbeit (nachzulesen im Kapitel »Der Winzer im Weinberg«) nicht ausreichend gebremst zu werden.

Bleiben noch die Farb- und Gerbstoffe, zusammengefasst als Phenole bekannt. Sie beeinflussen Geschmack, Geruch, Farbe und Mundgefühl des Weins. Mundgefühl ist eine direkte Übersetzung des englischen Ausdrucks mouth feeling, der die Weinsprache auf der Insel seit Jahrhunderten prägt. Die Briten – das ist immer noch wenig bekannt – haben den Wein zum Kulturgetränk gemacht. Deshalb übernehmen wir gerne diesen Begriff, denn er hat jene poetische Präzision der Umschreibung, die uns in der deutschen Sprache so oft fehlt.

Mundgefühl beschreibt, wie ein Wein in der Mundhöhle bis zum mittleren Gaumen sensorisch wahrgenommen wird. Das kann seidig sein, samtig, cremig, wuchtig, fett, lebendig, spritzig, elegant, dicht, gewaltig, aromatisch, rund, ja selbst regional, sofern man die Region erkennt. Der Beschreibung des Mundgefühls sind keine Grenzen gesetzt (mehr dazu im Kapitel »Der Wein im Kopf«). Der Interpretation und Fantasie kann freier Lauf gelassen werden, auch wenn dabei manchmal ein rechter Unsinn herauskommt. Doch diese Freiheit muss man sich nehmen und sich nicht zurückhalten. Man kann sich nie blamieren.

Phenole sind also bestimmende Farb-, Geruchs- und Geschmacksbringer. Im Wein unterscheidet man mittlerweile bis zu tausend Aromakomponenten, was allein schon die Vielfalt von Wein belegt. Es macht aber auch deutlich, warum rund um die Aromen und ihre Bewertung ein derartiger Interpretationskonflikt tobt. Denn unter Einsatz moderner Hilfsmittel, etwa Aromahefen, kann ein Wein massiv verändert werden und beim Trinken eine andere Wahrnehmung hervorrufen. Das ist zwar erlaubt und auch nicht gesundheitsschädlich, gilt aber bei vielen Weintrinkern und vor allem bei den einflussreichen Weinkritikern als grenzüberschreitender Eingriff in die Natur des Weins.

Natürlich könnte man Wein auf seine chemische Zusammensetzung und die berauschende Wirkung reduzieren. Der Magie und Spiritualität dieses Getränks würde man damit aber kaum gerecht.

WIE HELFEN HEFEN?

In den Schalen der Trauben tummelt sich eine Vielzahl wilder Hefen, die zusammen mit der Kellerflora reagieren und die Gärung einleiten. Geschieht dies ohne die Zugabe industriell hergestellter Reinzuchthefen, so sprechen wir von der gegenwärtig sehr beliebten »spontanen Vergärung«, die oft mit biologischem und biodynamischem Weinbau in Zusammenhang steht. Aber nicht alle spontan vergorenen Weine sind Bioweine.

Die Spontanvergärung bringt mehr Vielfalt in den Wein, weil an ihrem Verlauf mehr Hefestämme beteiligt sind als bei der Gärung mit Reinzuchthefen. Sie birgt aber auch mehr Risiken (mehr dazu im Kapitel »Der Winzer im Keller«). Jede Art der Gärung wird meist temperaturkontrolliert durchgeführt – moderne Keller bergen einiges an Technologie. Das ist nicht zum Nachteil der Weine.

Rotweine und Weißweine erleben eine unterschiedliche Gärung. Während weiße Trauben meist ohne Stiele und nur mit kurzer Maischestandzeit verarbeitet werden, bekommen Rotweine die volle Ladung Schalen mit in die Gärung. Die Beeren werden nicht zerquetscht, sondern nur angedrückt. Große Rotweine stehen lange auf ihrer Maische aus Stielen, Kernen und Schalen, die während der Gärung immer wieder aufgerührt werden muss. Doch von dieser herkömmlichen Lehre weichen immer mehr Weine ab. So habe ich erst neulich einen hervorragenden Weißburgunder getrunken, der acht Tage lang auf den Schalen lag und dadurch eine orange Farbe angenommen hat.

Nach der Gärung kommt der Wein zur Lagerung in unterschiedliche Behälter. Diese können aus Stahl, Beton, Holz, Ton oder – festhalten – Plastik sein. In Sachen Holz gibt es eigene Religionsgemeinschaften. Und die so einfach scheinende Lagerung im Fass birgt wohl die größten Tücken (auch dazu mehr im Kapitel »Der Winzer im Keller«). Die Lagerzeiten sind verschieden lang. Junge Weißweine kommen rasch auf die Flasche, teure Rotweine mitunter schneller als gedacht (meist nach zwei Jahren). Einige Spitzenkreationen werden nach drei bis fünf Jahren und ein paar Sonderweine wie etwa Jahrgangschampagner nach zehn bis fünfzehn Jahren abgefüllt.

Ob ein Wein nun ein, zwei oder zehn Jahre im Holzfass gelagert wurde, sagt wenig über seine Qualität aus. Aber viel über die Philosophie des Weinmachers. Was die meisten Winzer heute jedoch vernachlässigen, ist die Flaschenlagerung im Weingut. Generell kann man sagen, dass die Weine seit einigen Jahren viel zu früh ausgeliefert werden. Und auch zu früh getrunken. Wir bringen uns so um einen wichtigen Teil des Weingenusses, denn nichts ist so perfekt wie ein gut gelagerter und auf den Punkt gereifter Wein.

WIE WURDE WEIN ZUM KULTURGETRÄNK?

Wein wurde in Georgien geboren. »Erfunden«, sagen die Georgier, »Wein wurde in Georgien erfunden.« Vor etwa 5.000 Jahren. Die Legende untermauern Ausgrabungen am Kaukasus, wo man auch Reste von Weinstöcken fand. Das belegt aber nur, dass dort Trauben wuchsen. Seltsamerweise geht man davon aus, dass eine Zivilisation, die Trauben wachsen ließ, diese auch kontrolliert gären lassen konnte. Georgien als erstes Weinbauland ist also bloß eine Vermutung.

Den Status als Wiege des Weins machen den Georgiern neuerdings die Chinesen streitig, die in alten, fast 9.000 Jahre alten Tongefäßen Reste eines Gebräus entdeckt haben, das auch Traubenreste enthalten haben soll. Also fast schon ein Wein. Wir lassen die Chinesen gerne mit den Georgiern streiten, denn keines der beiden Völker hat bisher einwandfrei nachgewiesen, dass seine Vorfahren unser Lieblingsgetränk entdeckt, entwickelt und getrunken haben.

Kommen wir zum dritten Mitstreiter um den Ursprung des Weins, den Persern. Sie sehen selbstredend die Wiege des Weinbaus in ihrer Region....

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