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Fischkunde: Allgemeiner Teil
Wasser ist ein anderer Lebensraum als Luft und Erde. Es bedeckt den weitaus größten Teil (4/5) unseres Planeten. Das Süßwasser tritt in recht unterschiedlichen Formen als Fischgewässer auf, stehend als Tümpel, kleiner und großer See, fließend als Quelle, Bach, Fluss, Strom und künstlich von Menschenhand geschaffen, als Teich (ablassbar), Baggersee, Talsperre u.a.
Die Fische gehören zu den Wirbeltieren und sind unter diesen die entwicklungsgeschichtlich älteste Klasse. Sie sind sehr artenreich. Die Anzahl aller Wirbeltierarten (Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säuger) wird auf ca. 38.000 beziffert, davon sind mehr als die Hälfte ca. 20.000 Fischarten, von denen rund 5.000 Arten im Süßwasser leben. Alle Fische sind vorzüglich an das Leben im Wasser nach Körperform, Körperbau und Lebensweise angepasst. Zur Hege und zum Fang der bevorzugten Fische und zur Beurteilung der Lebensgemeinschaften ist eine möglichst breite Artenkenntnis, ein Verständnis für ihre unterschiedlichen Lebensbedürfnisse und Verhaltensweisen und voran eine gute Grundkenntnis über den Bau des Fischkörpers notwendig.
Erklärung der Abkürzungen und Bezeichnungen:
Afl = Afterflosse, Bfl = Bauchflossen, Brfl = Brustflossen, Fl = Flossen, Ffl = Fettflosse, Rfl = Rückenflosse, Sfl = Schwanzflosse, A = After, B = Barteln, Ksp = Kiemenspalte, Kd = Kiemendeckel, Sl = Seitenlinie, Hstr = Hartstrahlen, Wstr = Weichstrahlen, Ststr = Stachelstrahlen, a = Männchen = Milchner, o = Weibchen = Rogner.
1.1 Die äußere Gestalt
1.1.1 Körperformen
Die Körperform der Fischarten ist nach ihrer Lebensweise recht unterschiedlich: Fische, die schnell und ausdauernd schwimmen, in stärkerer Strömung stehen oder plötzlich auf einen Beutefisch zustoßen, haben die Form eines Torpedos oder einer Spindel (Salmonidenarten wie Lachs, Forellen, Saiblinge, Huchen, Äschen) oder eines Pfeiles, wie etwa beim Hecht. Diese Formen bieten wenig Widerstand gegen das Wasser, das bekanntlich dichter ist als die Luft und bei einer Bewegung den Fisch stärker bremst. Dasselbe trifft für lang gestreckte Weißfischarten zu wie z.B. Rapfen (Schied), Aitel (Döbel), Hasel, Barbe, Lauben u.a. sowie für die im Meer lebenden Makrelen. – Fischarten, die am Ufer und im Kraut leben, sind hochrückiger wie Karpfen, Blei (Brachsen), Karausche oder seitlich abgeplattet wie Rotauge (Plötze), Rotfeder u.a. »Bodenfischarten«, die am Grund des Gewässers leben, haben einen abgeplatteten Kopf wie Wels (Waller) oder Keulenform wie Mühlkoppe oder Schlangenform wie Aal, Rutte (Trüsche) oder sind tellerförmig flach wie Scholle und Flunder. Diese Plattfische nehmen nach einem Jugendstadium mit normaler Haltung erst später eine ständige Seitenlage auf dem Gewässerboden und beim Schwimmen ein, und das Auge der unteren Seite ist auf die obere Seite gewandert.
Weitere Körperformen sind im Teil 2 der Fischkunde behandelt.
1.1.2 Gliederung des Fischkörpers
Der Körper des Fisches besteht aus 3 Partien: Kopf, Rumpf und Schwanz. Der Kopf endet mit dem hinteren Rand der beweglichen Kiemendeckel, der Rumpf mit dem bauchseitigen After und dem unmittelbar dahinter liegenden Ausgang des Harnleiters vor der Afterflosse und der Schwanz mit der für die Fortbewegung wichtigen Schwanzflosse. – Die Übergänge zwischen diesen 3 Teilen sind ohne Absätze und nicht besonders markiert, um die Stromlinienform nicht zu stören.
1.1.3 Die Fischhaut
Schleimzellen und Schuppen
Die Körperdecke besteht bei allen Wirbeltieren aus 2 Hautschichten: Oberhaut und Unterhaut (auch Lederhaut genannt).
Die Oberhaut ist bei den Landtieren verhornt, um die Austrocknung an der Luft zu verhindern. Die Oberhaut der Fische besteht aus lebenden Zellschichten. Unter einer Reihe abgeplatteter Deckzellen befinden sich mehrere weiche Zelllagen, die besonders bei schleimigen Fischen wie Aal, Neunaugen, Schleien zahlreiche Schleimdrüsenzellen enthalten und Schleim absondern, besonders wenn sie sich auflösen. Man spricht in der Praxis fälschlicherweise von einer »Schleimhaut«, was der Struktur nicht gerecht wird. Bei bestimmten Reizen ist die Absonderung besonders stark. Berührung, Stoß, Fall, Druck mit der Hand kann leicht zur Verletzung dieser Zellen führen.
1.1.3.1 Funktion der Oberhaut mit Schleimschicht
Sie ermöglicht die Verringerung der Reibung im Wasser und damit leichtere Fortbewegung, schnelleren Wundverschluss und Schutz vor Verletzungen, Abstoßen von Außenparasiten und Krankheitskeimen und festen Partikeln durch Schleimabsonderung. Sie bietet außerdem begrenzten Schutz vor chemischen Einflüssen und plötzlichen Temperaturänderungen. Bei einzelnen Arten vermittelt sie Artgeruch und kann Warn-, Schreck- und Giftstoffe abgeben.
Der Fisch, der als Satzfisch eingesetzt oder untermaßig lebend ins Wasser zurückgesetzt oder lebend behalten werden soll, muss schonend behandelt werden. Er darf nicht mit trockener Hand oder mit einem trockenen Tuch berührt werden. Der Fisch darf sich nicht im Sand scheuern, da sich dabei die obersten Zellen ablösen würden. Wenn die Schleimzellen in der Oberhaut vernichtet sind, tritt an diesen Stellen eine Verpilzung ein, und der Fisch stirbt später ab.
Sorgfalt bei Abfischungen, Transporten, Hälterung und Bäderbehandlung!
Was ist Laichausschlag?
Zur Fortpflanzungszeit (Laichzeit) bilden sich bei Weißfischen und Coregonen harte Körnchen, perlartige Gebilde oder kegelförmige Erhebungen auf der Haut.
Es sind Verhornungen der Oberhaut. Sie finden sich verschieden verteilt von der Maulspitze auf dem Kopf, auf dem Kiemendeckel, entlang den Flanken bis zur Schwanzflosse und kommen meist nur bei den geschlechtsreifen Männchen (Milchnern) von karpfenartigen Fischen wie Karpfen, Brachsen, Barben, Nasen, Frauennerfling vor, besonders stark und für längere Zeitdauer beim Perlfisch, ferner bei Elritzen, Gründlingen und beim Bitterling. Bei den Coregonen (Renken, Felchen, Maränen) tragen beide Geschlechter mehrere Reihen von diesen Körnchen längs der Flanken, die Milchner (Männchen) mehr und stärkere Reihen als die Rogner (Weibchen). – Dieser Laichausschlag dient zum stärkeren Kontakt und Gefühlsreiz beim Laichspiel während der Abgabe der Geschlechtsprodukte ins Wasser und stellt ein spezielles Paarungskleid dar.
1.1.3.2 Funktion der Unterhaut
Sie hat ebenfalls mehrere Schichten lebender Zellen, enthält Bindegewebe, die in Schuppentaschen gebildeten Fischschuppen, ferner Farbzellen, Blut- und Lymphgefäße und Nervenenden. Infolge der Bindegewebsfasern ist die Unterhaut fest (Lederhaut) im Gegensatz zur Oberhaut. An die Unterhaut schließt sich eine Schicht Fettgewebe an. Fischarten, die stark schleimen, haben oftmals keine oder tief gelegene kleine oder nur vereinzelte Schuppen, Fischarten mit einem starken Schuppenkleid schleimen weniger. Es trifft jedoch nicht für alle beschuppten Fische zu (z.B. Schleie).
Lage und Anordnung der Schuppen
(Schuppenformel)
Das Schuppenkleid besteht aus regelmäßigen Längs- und Querreihen. Die Zahl der Reihen ist für die Fischart konstant und bestimmend, ebenso die Anzahl der Schuppen in den Reihen. Die Schuppen in der mittleren Längsreihe an den Flanken sind durchlöchert und zeigen das »Seitenlinienorgan«, ein wichtiges Sinnesorgan, an. Die Zahl der Reihen parallel zur Seitenlinie oberhalb und unterhalb ist ebenfalls artkonstant. Den Längsreihen entsprechen Querreihen (s. Abb. S. 77, Schuppenkarpfen).
O = Oberhaut
U = Unterhaut
SZ = Schleimzellen
Schu = Schuppen
P = Pigmentschicht
Die Schuppen überdecken sich dachziegelartig. Der sichtbare, nicht überdeckte Schuppenteil ist auch noch von Haut überzogen.
1.1.3.3 Verschiedene Schuppenarten
Placoidschuppen (Schmelzschuppen) der Haie und Rochen, die von Ober- und Unterhaut gebildet werden. Sie tragen frei über die Oberfläche vorragende Zähnchen, die von Schmelz (Dentin), einer Abscheidung der Oberhaut, überzogen sind: Hautzähne, daher raue Haut.
Ganoidschuppen (Knochenplatten) der Störe. Es sind Fischarten mit knorpeligem Skelett, aber festen Knochenplatten auf Kopf, Rücken, Seitenlinie und Bauch, insgesamt 5 Reihen großer, eckiger und gekielter Knochenschilde und dazwischen eingestreut kleine Knochenplättchen auf der schuppenlosen Haut. Sie greifen nicht übereinander.
Unter den echten Plasmoidschuppen, die elastisch sind, unterscheidet man:
Kammschuppen der barschartigen Fische (Flussbarsch, Zander und verwandte Donaufischarten (Zingel, Streber, Schrätzer), Kaulbarsch, Schwarzbarsch und Sonnenbarsch), Ctenoidschuppen genannt. Der von den davorliegenden Schuppen nicht verdeckte freie Teil der Schuppen ist mit mehreren Reihen von kleinen Dornen besetzt. Diese Fische fühlen sich rau an und dürfen nicht zu dicht untereinander und nicht mit anderen Fischarten gehältert und transportiert werden (folgende Zeichnung Z).
Rundschuppen (Cycloidschuppen) sind die am häufigsten vorkommende Schuppenart bei den Süßwasserfischen. Ihre Oberfläche ist glatt (folgende Zeichnung B, K, H, F, S).
Welche Fischarten haben keine Schuppen?
Wels (Waller), Zwergwels, Stichling (er hat größere Knochenplatten an den Seiten), Neunaugenarten, Groppen bzw. Koppen. Die Mühlkoppe hat stark verkümmerte kleine Schuppen nur am hinteren Ende...